Rheinische Post Emmerich-Rees

Der „Dorfpapst“rät: Kräfte bündeln

Rund 250 Besucher vom ganzen Niederrhei­n kamen zur Premiere der Veener Dorfgesprä­che auf den Spargelhof Schippers. Nach dem Vortrag von Prof. Gerhard Henkel gab’s eine rege Podiumsdis­kussion. Neuauflage geplant.

- VON BERNFRIED PAUS

NIEDERRHEI­N Die Premiere der von der Volksbank Niederrhei­n und der Rheinische­n Post präsentier­ten „Dorfgespäc­he“auf dem Spargelhof Schippers in Veen fand in der ausverkauf­ten Festscheun­e statt. Rund 250 Gäste vom ganzen Niederrhei­n, viele auch aus dem Kreis Kleve, waren gekommen, um zwei Stunden lang angeregt über die Zukunft des Dorfes zu diskutiere­n. Schon vor dem Start mit dem Impulsrefe­rat von Prof. Gerhard Henkel (Uni Essen) entwickelt­en sich bei Kartoffels­uppe, Vollkornha­ppen und Möhreneint­opf im Gläschen angeregte Gespräche – die Vorfreude auf ein illustres Netzwerktr­effen der Dörfler war spürbar.

Veens Ortsvorste­her Michael van Beek, einer der Initiatore­n der Veranstalt­ung, war zufrieden ob der Resonanz.„Wir haben wohl einen Nerv getroffen“, sagte der Mann mit demonstrat­iv dörflichem Selbstbewu­sstsein – die Veener Skyline auf grünem T-Shirt unterm Sakko – sichtlich erleichter­t.

Auch als Platzanwei­ser ließ er erkennen, dass in Veen die Kirche im Dorf steht. „Es ist wie beim Hochamt, hinten stehen sie, und vorne sind noch Plätze frei.“Er rückte die Erwartungs­haltung zurecht. Man könne„keine Patentreze­pte“erwarten. Es gehe darum, ein Bewusstsei­n zu schaffen für die Stärke des ländlichen Raums, gemeinsam die Stimme zu erheben, um auf großer Bühne gehört zu werden.

Das Eis war gebrochen. „Dorfpapst“Gerhard Henkel hatte das Wort. Nicht gerade eine rheinische Frohnatur, eher mit westfälisc­hem Understate­ment bot der bundesweit geschätzte Forscher eine profunde Bestandsau­fnahme des Zustandes der 35.000 Dörfer in der Republik, in denen rund die Hälfte aller Bundesbürg­er leben. Viele erlebten „reale Verluste“in ihren Dörfern. Das trübe die Stimmung.

Die Kernthesen des Geographen sind aufrütteln­d. Die Politik in den Rathäusern sei zunehmend damit beschäftig­t,„Schrumpfun­gsprozesse zu bekämpfen“– Kneipen knip- sen ihre Lichter aus, Läden halten Ausverkauf, Schulen schließen, Bäder gehen baden. Ein großes Dilemma sieht Henkel in der „Entmündigu­ng“der Kommunen durch die „große Politik“. Die sei Ursache für weit verbreitet­e Ohnmachtsg­efühle. Lokale Entscheidu­ngsspielrä­ume seien nur marginal.„Die kommunale Selbstverw­altung steht nur noch auf dem Papier.“

Die örtliche Politik stecke im permanente­n Abnutzungs­kampf. Doch das Dorf könne sich nur selber retten. Politisch habe die ländliche Region an Kraft eingebüßt. „Die Kräfte des Landes sind zersplitte­rt“, heißt der Befund. Um sich Gehör zu verschaffe­n, müssten die „Kräfte gebündelt“werden. Dass sich da was entwickle, zeige sich daran, dass Heimat-Ressorts einführt wer- den.„Ein Signal“für ein Umdenken, so der Dorfpapst.

Bei der Podiumsdis­kussion, an der sich das Publikum rege beteiligte, wurde deutlich, dass sich viele die Lösung der Fesseln für bauliche Entwicklun­g wünschen. Die„Wucht des demographi­schen Wandels zu mildern“, Zuzug und Bleiben junger Familien zu fördern, bräuchte die Chance, Bauland auszuweise­n. Nur so könne dörfliche Infrastruk­tur gesichert werden. Guido Lohmann, Vorstandsv­orsitzende­r der Volksbank Niederrhei­n nannte eine alarmieren­de Zahl: Alpen werde in den nächsten 20 Jahren 17 Prozent der Einwohner verlieren.

Ortsvorste­her van Beek sagte, dass die Veener Dorfgesprä­che gerade erst begonnen hätten. Fortsetzun­g folgt.

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RP-FOTOS: A. FISCHER „Veener Dorfgesprä­che“mit Prof. Henkel (v.l.), Leo Giesbers, Cordula Gietmann, Moderator Sebastian Falke, Lena Dames, Peter Mosler und Guido Lohmann. Unten links: „Dorfpapst“Henkel hielt den Einführung­svortrag. Leo Giesbers übte massive Kritik am Leader-Projekt.
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