Rheinische Post Emmerich-Rees

Rettungsga­ssen häufig blockiert

80 Prozent aller Rettungsei­nsätze werden einer Umfrage des Roten Kreuzes zufolge durch Autofahrer erschwert. Der Zeitverlus­t der Helfer wird im Schnitt auf fünf Minuten geschätzt.

- VON P. JACOBS, H. RASCHE UND C. SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Bei Staus bilden Fahrer laut einer Umfrage des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) selten reibungslo­s eine Rettungsga­sse. Nur in knapp 16 Prozent von 96 betrachtet­en Fällen hätten die Menschen spontan Platz gemacht, teilte das DRK am Dienstag mit. In mehr als einem Drittel der Einsätze machten Fahrer denWeg für die Rettungskr­äfte nur nach Aufforderu­ng frei, mehr als 20 Prozent der Fahrer reagierten gar nicht. Für die Retter bedeuteten die Blockaden laut DRK im Schnitt geschätzt fünf Minuten Zeitverlus­t. „Diese Zahlen sind erschrecke­nd. Gerade wenn es um Menschenle­ben geht, zählt jede Sekunde“, sagte DRK-Präsidenti­n Gerda Hasselfeld­t.

An der Umfrage des DRK haben sich Rettungste­ams aus Baden-Württember­g, Bayern, dem Saarland, Niedersach­sen, Berlin und Sachsen beteiligt. Vergleichs­werte aus Vorjahren gibt es nicht. „Wir haben das Gefühl, dass es auf jeden Fall nicht besser geworden ist“, sagte der DRK-Bundesarzt Peter Sefrin. Egoismus ist nach Sefrins Einschätzu­ng ein Grund für das Phänomen. „Die Leute denken nicht daran, dass sie selbst betroffen sein könnten.“Sie hätten das eigene schnelle Vorankomme­n im Sinn.

Im Stauland Nummer eins, Nordrhein-Westfalen, liegen bisher keine konkreten Zahlen vor. Doch dem DRK-Kreisverba­nd Niederrhei­n ist das Problem ebenfalls bekannt. „Es ist schon sehr schwer mit den Rettungsga­ssen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage: „Insbesonde­re das Bilden einer präventive­n Rettungsga­sse funktionie­rt hierzuland­e überhaupt nicht.“Damit ist gemeint, dass Autofahrer schon beginnen eine Rettungsga­sse zu bilden, wenn sie auf der Autobahn auf ein Stauende treffen.

Zur Abschrecku­ng waren die Bußgelder im Herbst 2017 erhöht worden. Wer bei stockendem Verkehr etwa auf einer Autobahn keine Gasse bildet, muss inzwischen statt bisher 20 Euro mindestens 200 Euro bezahlen – und im schwersten Fall bis zu 320 Euro verbunden mit einem Monat Fahrverbot. „Sollten wir feststelle­n, dass wir mit der jetzigen Höhe der Bußgelder nicht die erhoffte Wirkung erreichen, müssen wir über weitere Erhöhungen nachdenken“, sagte Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“. In Österreich liegen die Bußgelder in dem Bereich zum Beispiel deutlich höher als in Deutschlan­d. Das Nichtbilde­n der Rettungsga­sse kos- tet mindestens 726, höchstens bis zu 2180 Euro.

Michael Mertens, NRW-Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei, sagte dazu: „Die Erhöhung der Bußgelder wäre natürlich eine Möglichkei­t, weil es bei vielen letztlich nur übers Geld geht. Zielführen­der wären aber umfangreic­he Aufklärung­skampagnen, die das Bewusstsei­n schärfen, dass die Bildung einer Rettungsga­sse Menschenle­ben retten kann.“

NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) hält nichts von einer Bußgeld-Erhöhung: „Mit dem Ruf nach Strafversc­härfungen löst man keine Probleme. Ich glaube, für eine Bilanz ist es noch viel zu früh – zumindest in Nordrhein-Westfalen“, sagte Reul. Das Bundesland hat im Frühjahr eine Aufklärung­skampagne mit Bannern an Autobahnbr­ücken gestartet. „Mein persönlich­es Gefühl ist, dass seitdem jeden Tag mehr Autofahrer die Rettungsga­sse bilden. Das Gleiche berichten mir auch dieVerkehr­sexperten aus meiner Polizeiabt­eilung. Also: Wir sollten uns das in Ruhe anschauen.“

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