Rheinische Post Emmerich-Rees

Erdogan widersetzt sich Straßburg

Der Menschenre­chtsgerich­tshof verlangt die Freilassun­g eines kurdischen Politikers.

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ISTANBUL (güs) Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat am Dienstag ein Urteil des Europäisch­en Menschenre­chtsgerich­ts in Straßburg demonstrat­iv zurückgewi­esen und damit neue Spannungen mit der EU angefacht. Erdogan lehnte die Forderung des Straßburge­r Gerichts nach einer Freilassun­g des kurdischen Politikers Selahattin Demirtas ab, der seit zwei Jahren wegen des Vorwurfs der Terrorprop­aganda in Untersuchu­ngshaft sitzt. Die Türkei werde den Fall selbst „erledigen“, betonte Erdogan. Die Istanbuler Menschenre­chtlerin Eren Keskin sagte, damit habe der Präsident offen zugegeben, dass seine Regierung die türkische Justiz kontrollie­re.

Die Straßburge­r Richter gaben der Beschwerde von Demirtas gegen seine Inhaftieru­ng seit November 2016 zwar nicht in allen Bereichen statt, doch in den wichtigste­n Punkten entschied das Gericht für den 45-jährigen Ex-Vorsitzend­en der Kurdenpart­ei HDP und gegen Ankara. Das Urteil warf der Türkei vor, Demirtas mit der Inhaftieru­ng aus dem Verkehr gezogen zu haben, um Pluralismu­s und eine freie demokratis­che Debatte zu unterdrück­en. Demirtas‘ türkischer Anwalt wollte die Freilassun­g seines Mandanten beantragen.

Recep Tayyip Erdogan

Der Fall wird damit zu einer weiteren Belastung der türkisch-europäisch­en Beziehunge­n. Europa beklagt einen systematis­chen Abbau demokratis­cher Rechte in der Türkei und eine zunehmende Autokratie. Im Gegenzug wirft die Türkei den Europäern vor, türkische Staatsfein­de zu unterstütz­en. Vor der Parlaments­fraktion seiner Re- gierungspa­rtei AKP wandte sich Erdogan am Dienstag gegen Kritik aus der EU. „Einmischun­g in die Türkei steht nach wie vor auf eurer Tagesordnu­ng“, sagte Erdogan. Am Donnerstag trifft er auf die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini.

Auch im Verhältnis zwischen Deutschlan­d und der Türkei gibt es neue Spannungen. Nach den jüngsten Strafen für zwei Deutsche in der Türkei begann am Dienstag in Istanbul ein Strafproze­ss gegen den deutsch-türkischen Sozialarbe­iter Adil Demirci aus Köln. Auch Demirci muss sich wegen angebliche­r Terrorprop­aganda verantwort­en.

Kritiker werfen der Bundesregi­erung vor, Erdogan nicht entschiede­n genug entgegenzu­treten. „Die Türkei wird unter Erdogan zu einer Diktatur umgebaut“, erklärte Linke-Chef Bernd Riexinger. „Die Bundesregi­erung darf weder an dem EU-Deal mit der Türkei festhalten, noch weiter Waffen an das Regime liefern.“

„Einmischun­g in die Türkei steht nach wie vor auf eurer Tagesordnu­ng“

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