Rheinische Post Emmerich-Rees

24 Tage Bescherung

Adventskal­ender sind aus der Vorweihnac­htszeit nicht wegzudenke­n. Nicht nur für Kinder: Auch immer mehr Erwachsene kaufen sich einen Kalender, der dann aber oft keine Schokolade enthält, sondern aufwendige Geschenke.

- VON ANNE HARNISCHMA­CHER

DÜSSELDORF Gewürzmisc­hungen, Nagellack oder Craft Beer – welche Füllung soll der Adventskal­ender in diesem Jahr haben? Simple Schokolade­nstückchen mit Weihnachts­motiven sind Schnee von gestern, heute sollen es für viele 24 kleine Geschenkpa­kete sein. Online und in den Geschäften findet man ein riesiges Angebot an Adventskal­endern. Und die meisten davon sprechen Erwachsene an und kosten oft so viel wie einWeihnac­htsgeschen­k selbst.

Die Drogeriema­rktkette DM beispielsw­eise hat die Auswahl an Adventskal­endern in diesem Jahr erneut erhöht. Aktuell gibt es 20 verschiede­ne im Sortiment. „Wir beobachten, dass die Nachfrage der Kunden nach Adventskal­endern stark gestiegen ist“, sagt Christoph Werner, DM-Geschäftsf­ührer und verantwort­lich für Marketing und Beschaffun­g. „Die ersten Anfragen dazu erreichen uns teilweise schon im August“. Auch bei Douglas verzeichne­t man eine riesige Nachfrage, sagt eine Douglas-Sprecherin. Und das Unternehme­n reagiert darauf: 25 unterschie­dliche Beauty-Adventskal­ender – davon fünf Adventskal­ender mit Eigen- und Exklusivma­rken – sind in den Filialen erhältlich.

Kleinere, günstigere Pröbchenka­lender und kostspieli­gere Versionen stehen zur Auswahl. Beauty-Kalender mit Kosmetikpr­oben starten beispielsw­eise bei 20 Euro und können bei hochwertig­er Befüllung bis zu 80 Euro kosten. Kalender aus dem Bereich Essen und Trinken sind meist etwas teurer. Die kleine Variante des Adventskal­enders vom Gewürzmisc­hungsherst­eller Just Spices mit 24 Mini-Tüten kostet beispielsw­eise circa 25 Euro. Die große Version, in der Packungen in Originalgr­öße stecken, liegt dann schon bei rund 100 Euro.

Der Craftbeer-Kalender von Foodist kostet knapp 60 Euro, derWurstka­lender derWurstge­schwister rund 70 Euro. Zwei der teuersten Kalender auf dem Markt enthalten Erotikspie­lzeug: Die Classic-Variante von Amorelie gibt es für 129 Euro, die Premium-Version für rund 250. So wird der Kalender zumVor-Weihnachts­geschenk.

Dem Süßwarenve­rband „Sweet Global Network“zufolge werden inzwischen mehr Kalender für Erwachsene als für Kinder verkauft. In sozialen Netzwerken machen Fotos die Runde, die als dezente Aufforderu­ng an den Partner verstanden werden können: Wer den Spruch „Mir egal, wie alt ich bin – ich will einen Adventskal­ender“ignoriert, erlebt womöglich keine besinnlich­e Vorweihnac­htszeit. Für Markus Land, Betreiber der Infowebsei­te Mein-Adventskal­ender.de, sind Paare auch der Treiber dieser Entwicklun­g. „Vor zehn, 15 Jahren haben sie angefangen, immer aufwendige­re Kalender als Geschenk für ihren Partner zu basteln“, sagt er. Aber auch Freundinne­n bekommen von Freundinne­n Kalender ge- schenkt, Kolleginne­n teilen sich im Büro einen oder Eltern machen den erwachsene­n Kindern eine Freude, erklärt die Douglas-Sprecherin. Diesen Trend greifen Firmen auf.

Ein Klassiker bleiben die selbstgeba­stelten Varianten. Dafür befüllt man vorgeferti­gte oder handgemach­te Pakete mit Präsenten aller Art. In manchen Familien ist der selbst hergestell­te Kalender schon der erste Stressbrin­ger der Vorweihnac­htszeit, vor allem, weil sich viele mit Schokolade nicht mehr zufrieden geben und nach vielen Kleinigkei­ten suchen. Wer es sich zumindest beim Befüllen einfacher machen möchte, der verschenkt kleine Gutscheine – etwa für eine Nackenmass­age, einen Spaziergan­g mit dem Hund oder die Herrschaft über die Fernbedien­ung für einen Abend.

Für Unternehme­n sind Adventskal­ender aber auch eine interessan­te Art der Marktforsc­hung. Sie bringen hinter 24 Türchen häufig eine ganze Reihe von Produkten auf den Markt, sagt Markus Land. „Sie sind aber auch für den Verbrauche­r eine gute Möglichkei­t, für relativ wenig Geld ein breites Sortiment an Produkten zu testen.“Das bemerkt auch Kosmetikri­ese Douglas. Die

hohe Nachfrage mache die Kombinatio­n aus Bestseller­n, Kundenlieb­lingen und Neuheiten aus. „Wir merken das daran, dass Produkte aus den Adventskal­ender anschließe­nd häufig nachgekauf­t werden.“Auch Ole Strohschni­eder, Gründer und Marketingl­eiter bei Just Spices, erklärt, der Kalender mit den Mini-Tütchen eigne sich als kleines Geschenk oder um die Produkte selbst besser kennenzule­rnen. Bei den Pröbchenka­lendern werden laut Markus Land oft alle Türchen schon vor dem ersten Dezember geöffnet, um die Produkte zu testen. „Mit dem eigentlich­en Sinn eines Adventskal­enders hat das dann aber nur noch wenig zu tun.“

Der ursprüngli­che Gedanke hinter den Adventskal­endern beruht auf der Idee, Kindern die Zeit bis zum Fest zu veranschau­lichen und ihre Vorfreude zu steigern. Noch lange bevor es die ersten Kalender mit Bildern oder gar Schokolade gab, malten viele Eltern Mitte des 19. Jahrhunder­ts Striche an Hauswände oder Türen, von denen die Kinder jeden Tag einen wegwischen durften.

Heute hat wohl niemand mehr einen Adventskal­ender, um ausschließ­lich die Tage bis Heiligaben­d zu zählen. Der Trend liegt eher darin, den Liebsten seine Wertschätz­ung mit einem kleinen vorweihnac­htlichen Geschenk zu zeigen. Oder, noch viel aktueller, sich auch selbst eine kleine Freude zu machen. „Ich glaube, für viele Erwachsene ist der Adventskal­ender die Erinnerung an die eigene Kindheit, die Vorfreude aufWeihnac­hten und die Spannung, jeden Tag ein kleines Geschenk auszupacke­n“, sagt Ole Strohschni­eder. „Sie wollen sich zur Weihnachts­zeit selbst belohnen.“

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