Drastische Anti-Terror-Übung
1000 Polizisten haben in der bislang größten Anti-Terror-Übung auf einem deutschen Flughafen in Köln/Bonn den Ernstfall geprobt. Simuliert wurde ein islamistisch motivierter Terroranschlag – mit drastischen Szenen.
KÖLN Es wimmelt von Menschen im Flughafen Köln/Bonn am späten Dienstagabend. Auf den Anzeigetafeln stehen Flüge nach Palma de Mallorca oder München. Doch plötzlich bricht der Terror in Terminal 1 aus. Vier maskierte, schwer bewaffnete Männer eröffnen das Feuer, jeder versucht, sich in Sicherheit zu bringen. Die Täter erschießen Menschen, die weg rennen, und Menschen, die am Boden liegen. Einer von ihnen stellt sich mit seiner Maschinenpistole über die Schwerverletzten, zielt und feuert weiter, bis sie sich nicht mehr bewegen. Ihr Blut verschmiert den Boden. Es sind drastische Szenen.
Auch wenn das Blut nicht echt ist, die Toten wieder aufstehen und die Attentäter keine islamistischen Terroristen, sondern Taktiker von Spezialeinheiten sind – die Anti-Terror-Übung im Flughafen erinnert auf beklemmende Weise an Attentate wie in Paris und Brüssel. „Realistische Abbildung eines Terror-Ernstfalls“nennt sich das im Behördendeutsch. Organisiert wurde die Übung von der Kölner Polizei und der Bundespolizei. An den Szenarien, die bis zum frühen Mittwoch durchgespielt wurden, sind neben Beamten der Landes- und Bundespolizei auch die Feuerwehr, der Zoll und Flughafenmitarbeiter beteiligt.
1000 Beamte – unter ihnen auch Spezialeinheiten und die GSG 9 – und 300 Darsteller probten den Ernstfall. Polizeischüler mimten die Opfer. „Wir haben alle möglichen Szenarien in Einzeltrainings simuliert, nun kommt es auf das Zusammenspiel an“, sagte Wolfgang Wurm, Präsident der Bundespoli- zeidirektion Sankt Augustin. Dabei gehe es auch darum, „die Kollegen in Belastungssituationen zu bringen und zu schauen, wie sie reagieren“. Es sei ein großer Unterschied, ob sie von Toten sprechen oder ob sie vermeintlich vor ihnen liegen. Vor allem Beamte aus Wach-und Streifendienst waren beteiligt. Sie wären im Ernstfall die Ersten vor Ort und müssten entscheiden, wer Opfer und wer Täter sei. Sie müssten erst Täter unter Kontrolle bringen und könnten sich dann um die Opfer kümmern.
„Kann sich hier noch irgendwer bewegen?“schreit eine junge Beamtin in die Szenerie. Ihre Kollegen nehmen einem augenscheinlich schwer verletzten Täter das Sturmgewehr ab und legen ihm Handschellen an. Wem die Übung zu nahe geht, kann sich an einen psychosozialen Berater wenden – sie sind ebenfalls im Einsatz.
Nicht nur die Polizeibeamten, auch Feuerwehrleute, Sanitäter und Ärzte, die vor dem Flughafen warten, müssen bei einem derart großen Einsatz Prioritäten setzen. „Normalerweise steht einem Verletzten eine komplette Rettungswagenbesatzung von vier Sanitä- tern und Ärzten zur Verfügung“, sagte Christian Heinisch, Sprecher der Kölner Berufsfeuerwehr. „Bei 100 Verletzten geht das aber nicht.“Ein Arzt muss die Verletzten sichten und entscheiden, wer als erstes versorgt werden muss. Für jeden hat er nur wenige Sekunden Zeit. In der Übung gibt es 20 Schwerstverletzte, die je eine rote Karte umgehängt bekommen und als erstes ins Kran-
kenhaus gebracht werden – auch der Transport wird in der Nacht geübt.
Echte Fluggäste dürften irritiert gewesen sein wegen des vielen Blaulichts rund um den Flughafen. Das Terminal 1 wurde für die Übung gesperrt. Der Flugbetrieb war aber nicht beeinträchtigt, alle Reisenden wurden in Terminal 2 geleitet.
Ziel des Testlaufs ist, so gut wie möglich auf einen Anschlag vorbereitet zu sein. Einsatzkonzepte sollen auf Praxistauglichkeit überprüft und wenn nötig verbessert werden. Miriam Brauns, Stellvertreterin des Kölner Polizeipräsidenten Uwe Jacob, sagte: „Es geht auch darum, neue Einsatzmittel wie Westen und Helme zu testen. Was nutzt die beste Ausrüstung, wenn wir im Ernstfall nicht damit umgehen können?“Die Sicherheitsbehörden betonen zwar, dass es keine konkreten Hinweise auf Anschlagspläne gebe – die Gefahr sei aber immer abstrakt erhöht.
Sogenannte Schiedsrichter haben die Übung in der Nacht begleitet. Sie werden maßgeblich an der Auswertung beteiligt sein, die einige Tage beanspruchen wird. Noch in der Nacht hat eine Putzkolonne sämtliches Kunstblut weggewischt.