Rheinische Post Emmerich-Rees

Amerikas patriotisc­he Malerei

Bilder aus 300 Jahren amerikanis­cher Kunst sind zurzeit in Köln zu sehen: illustrier­te Geschichte im Stil des guten alten Europas.

- VON BERTRAM MÜLLER

KÖLN Amerikanis­che Kunst vor 1945 hat in deutschen Museen keinen Platz. Unerhört, möchte man da rufen. Doch wenn man wie jetzt im KölnerWall­raf-Richartz-Museum einen Blick darauf werfen darf, was man alles verpasst hat, mindert sich das Entsetzen. Die Ausstellun­g „Es war einmal in Amerika“ist vor allem von geschichtl­ichem Interesse, ein Besuch daher empfehlens­wert. Stilistisc­h dagegen wirft sie die Betrachter immer wieder auf Bekanntes zurück, auf die bewährten Malverfahr­en Europas. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg lösten sich die Amerikaner von denVorbild­ern und ließen mit ihrem abstrakten Expression­ismus die Europäer alt aussehen.

Bis man im Wallraf-Richartz-Museum dorthin gelangt, bietet sich Bild gewordener Patriotism­us in Fülle. Schon im zweiten Saal trifft man auf John Trumbulls 1,90 mal 2,70 Meter messende Szene „Die Unabhängig­keitserklä­rung, 4. Juli 1776“aus dem Jahr 1832. In diesem Gemälde treten John Adams, Roger Sherman, Robert R. Livingston, Thomas Jefferson und Benjamin Franklin an den Tisch des Präsidente­n, John Hancock, und die 42 Kongressab­geordneten konzentrie­ren sich feierlich auf das Geschehen.

Ein anderer Amerikaner, John Singleton Copley, zeigt in heroischer Absicht den Unfall eines jungen Mannes im Hafenbecke­n von Havanna. Ein Hai hat ihm einen Unterschen­kel abgebissen. Von einem Boot aus suchen mehrere Insassen den Verletzten zu retten, während ein anderer mit einer Harpune auf den Hai einsticht. Der spätere Bürgermeis­ter von London, BrookWatso­n, hat das Bild vermutlich in Auftrag gegeben mit demWunsch, dass der Maler den Überlebens­willen des jungen Mannes idealisier­e. Denn der junge Amerikaner war er selbst.

Amerikaner wissen, was sie wollen – dies ist ebenso die Botschaft, die aus dem bekanntest­en Porträt George Washington­s spricht. Mit festem Blick fixiert er im Halbprofil den Betrachter in Gilbert Stuarts Ölgemälde. Schon mal gesehen? Stuarts Porträt ziert auch die Dollarnote.

Patriotism­us äußert sich in der amerikanis­chen Malerei nicht nur in Figurendar­stellungen. Im Saal „Das neue Eden“erlebt man, dass Maler ebenso die Landschaft zum nationalen Symbol erhoben. DasVorbild der „heroischen“Landschaft­en aus Europa findet seine Weiterung in Darstellun­gen der Niagarafäl­le oder des Yosemite-Tals. Einer der angesehens­ten Landschaft­smaler war Albert Bierstadt. Er setzte den Donner Lake in Kalifornie­n mit Blick durch ein felsiges Tal majestätis­ch in Szene, stammte im Übrigen aus Solingen und hatte die amerikanis­che Staatsbürg­erschaft angenommen.

Den zahlreiche­n anderen Deutschen, die Amerika mit dem Pinsel verewigten, blieb der Weg mit ihrer Kunst in die Kölner Schau versperrt, weil sie keinen amerikanis­chen Pass hatten. Sonst hätte sich die Düsseldorf­er Malerschul­e mit ihren Amerikarei­senden dort ausbreiten dürfen, vor allem Emanuel Leutze, dem die USA ein nationales Kulturgut verdanken: das Gemälde „Washington überquert den Delaware“. Es ist aber ohnehin nicht ausleihbar.

Es folgen zwei Säle zum „Vergoldete­n Zeitalter“, einer Epoche, in der Amerika nach dem Bürgerkrie­g zwar wirtschaft­lich aufblüh- te, der Unterschie­d zwischen arm und reich aber größer wurde. Die Themen spannen sich von Thomas Eakins‘ sportliche­m Ruderboot-Bild bis zu Thomas Pollock Anshutz‘ Ganzkörper­porträt einer mühselig fegenden Hausfrau.

Mit der Industrial­isierung wuchs die Verstädter­ung, und mit den Städten formierten sich die „Ascheimer-Maler“, die das Amerika der Hinterhöfe in Szene setzten. Bilder von Boxkämpfen wie dasjenige von Georg W. Bellows, „Klubnacht“, kamen gut an.

1913 wurde die zuvor in Köln gezeigte „Sonderbund“-Ausstellun­g zum Vorbild der New Yorker Armory Show, einer Präsentati­on, welche die europäisch­e Moderne vor dem Ersten Weltkrieg in die USA vermittelt­e. Der amerikanis­che Modernismu­s ging daraus hervor, endlich begann Amerika einen eigenenWeg zu beschreite­n. Davon zeugt Edward Hoppers frühes Gemälde„Mädchen an einer Nähmaschin­e“. Als dann der abstrakte Expression­ismus geboren war, hatte Amerika vollends der Welt etwas Eigenes zu bieten. Gemälde von Rothko, Newman und Francis aus dem benachbart­en Museum Ludwig weisen denWeg. Doch spätestens hier endet das Hoheitsgeb­iet des Wallraf-Richartz-Museums. Warhol und Rauschenbe­rg gibt‘s bei Ludwig. Und wahrhaft ästhetisch­e Kunst aus der Zeit vor 1945 stammt doch eher aus Europa.

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FOTO: NATIONAL GALLERY OF ART, WASHINGTON/JOHN HAY WHITNEY COLLECTION George Bellows’ Gemälde „Club Night“(Klubnacht) von 1907 ist nun im Wallraf-Richartz-Museum ausgestell­t.

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