SPD wünscht sich mehr Reibungsfläche mit der CDU
Die Sozialdemokraten hoffen auf Friedrich Merz als neuen CDU-Vorsitzenden – dann könnten sie sich wieder besser abgrenzen.
BERLIN Alle reden über die CDU, und die SPD schaut zu. Diesen Witz in Unionskreisen finden Sozialdemokraten nicht lustig. Erst recht nicht, wenn sich jetzt der Eindruck verfestigen sollte, die Christdemokraten machten mit ihren acht Regionalkonferenzen zur Vorstellung der Kandidaten für den Parteivorsitz dem basisdemokratisch erprobten SPD-Mitglied etwas vor: Soll die CDU doch erst einmal ihre Leute über einen Koalitionsvertrag abstimmen lassen, dann wisse sie, was Basisdemokratie bedeute. Vor allem aber müsse sich die Partei unter Führung von Andrea Nahles für einen abrupten Koalitionsbruch wappnen, meint NRW-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty. Er sagt unserer Redaktion:„Die SPD muss darauf vorbereitet sein, dass die Union rasch nach der Wahl des neuen Parteichefs die große Koalition beendet. Wir dürfen alte Fehler nicht wiederholen und wie bei den geplatzten Jamaika-Verhandlungen wie vom Bus überfahren dastehen.“Das bedeutet vielleicht auch: zur Not lieber selbst die Segel strei- chen, als sich rauswerfen zu lassen. Als eine Wunschvorstellung mancher SPD-Politiker gilt derzeit ohnehin: Opposition ohne Neuwahl.
Kutschaty mahnt, intern müsse Klarheit über wichtige Programmpunkte geschaffen werden. „Die SPD muss beispielsweise die Debatte zum Sozialstaat im Frühjahr mit klaren und geeinten Ergebnissen beenden. Ich bin dafür, noch vor der Europawahl einen Sonderparteitag nur zum Programm abzuhalten, damit die Antworten der SPD von allen mitgetragen werden können.“Am Geld dürfe ein solcher Sonder- parteitag nicht scheitern, der wichtige Antworten für die Europa- und die Landtagswahlen liefern würde.
Allerdings unterschätzen die Sozialdemokraten, dass sich auch die Kandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer nach ihrer Wahl zur Parteichefin darum bemühen müsste, die Anhänger von Merz und Spahn hinter sich zu versammeln, um eine Spaltung der CDU zu vermeiden. Sie hat schon einmal vorgelegt: etwa mit ihrer Forderung zu Abschiebungen von Straftätern nach Syrien. Demnach wäre auch von ihr reichlich Reibungsfläche für die SPD zu erwarten. Dass sie konservativer als Kanzlerin Angela Merkel ist, ist der SPD ohnehin klar. Die Aussichten des dritten Kandidaten, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, werden in der SPD für so gering gehalten, dass sie über seine mögliche Polarisierung als CDU-Chef nicht spekulieren.
Doch die SPD hat ein Zeitproblem: Denn eigentlich wollen sich Parteiführung und Delegierte erst Ende 2019 zum nächsten regulären Parteitag treffen. Dann sollen wichtige Inhalte für eine neue SPD und für das Wahlprogramm fest- gezurrt werden. Außerdem steht die Vorstandswahl an. Gleichzeitig aber fällt in diese Zeit die von der SPD im Koalitionsvertrag verankerte Zwischenbilanz der großen Koalition. Für die SPD könnte also alles zusammenkommen: eine große Generalabrechnung von Groko-Gegnern und Kritikern der amtierenden Führungsmannschaft. Zudem gibt es bis dahin fünf Wahlen, neben Landtagen in Ostdeutschland die Europawahl, die in der SPD bereits wieder zu „einer der entscheidendsten Abstimmungen überhaupt“erklärt wird.