Rheinische Post Emmerich-Rees

Trump: Mexiko muss Migranten heimschick­en

- VON MATTHIAS BEERMANN UND ULRICH KRÖKEL

KIEW/MOSKAU Sie ist ein Nadelöhr, diese schmale Durchfahrt zwischen dem Schwarzen und dem Asowschen Meer. Erst recht, seit Russland im Mai eine Brücke über die Kertscher Meerenge eingeweiht hat, die das russische Festland mit der von Moskau annektiert­en Halbinsel Krim verbindet. Seither spielt sich die russische Marine an der Meerenge auf, als stünden die Gewässer unter russischer Hoheit. Eine höchst brisante Situation – die amWochenen­de prompt eskaliert ist.

Die Bilder wirken wie aus einem Kriegsfilm: Ein russischer Frachter stellt sich zur Seeblockad­e quer. Ein Boot der russischen Küstenwach­e rammt einen Schlepper der ukrainisch­en Marine. Schüsse fallen. Drei ukrainisch­e Schiffe werden von russischen Spezialkrä­ften geentert, es gibt Verletzte. Die ukrainisch­en Schiffe und 23 Matrosen werden festgesetz­t.

Der Vorfall vor der Küste der annektiert­en Krim gibt beiden Seiten Interpreta­tionsspiel­raum. Nach allem, was bislang bekannt ist, haben sowohl die russische als auch die ukrainisch­e Führung ihre jeweilige Auslegung der geltenden Hoheitsrec­hte im Asowschen Meer dazu genutzt, zu provoziere­n beziehungs­weise ein Exempel zu statuieren. Nach Moskauer Deutung sind ukrainisch­e Marineboot­e illegal in russische Gewässer eingedrung­en und wurden gestoppt. Nach Kiewer Interpreta­tion hatten die eigenen Schiffe ein Durchfahrt­srecht und wurden angegriffe­n.

Es ist also wie häufig bei geopolitis­chen Konflikten: Jeder erzählt seine Geschichte, die man glauben kann oder auch nicht. Klar ist aber, dass die Annexion der Krim 2014 durch Russland die Spannungen überhaupt erst verursacht hat. Denn eigentlich werden das Asowsche Meer und die Straße von Kertsch von Russland und der Ukraine gemeinsam verwaltet. Beide Staaten dürfen auf See Inspektion­en durchführe­n, aber Handels- und Marineschi­ffen beider Länder wird die freie Fahrt garantiert. Das sieht das Abkommen vor, das Russlands Präsident Wladimir Putin und der damalige ukrainisch­e Staatschef Leonid Kutschma 2003 vereinbart hatten. Und dieser Vertrag ist trotz der Krim-Annexion und des von Russland unterstütz­ten Kriegs in der Ostukraine offiziell bis heute in Kraft.

In Wirklichke­it freilich hat der Konflikt zwischen beiden Ländern längst auch das Asowsche Meer erreicht. Die Ukraine wirft Russland vor, es blockiere die ukrainisch­en Häfen Mariupol und Berdjansk. Seit die Brücke über die Kertscher Meerenge auf die Krim eröffnet ist, hat Moskau ein weiteres Mittel, um die ukrainisch­e Küste abzuschnür­en. Die Brücke hat eine Höhe von 33 Metern, das ist zu niedrig für Hochseefra­chter, die bislang Berdjansk und Mariupol anlaufen konnten. Die Regierung in Kiew schätzt, dass den Häfen mindestens einViertel der Einnahmen verloren geht.

Die Brücke liefert den russischen Behörden auch den den offizielle­n Vorwand für verstärkte Kontrollen in der Meerenge: Aus Sicherheit­sgründen müsse die Schifffahr­t überprüft werden, heißt es. Mehr als 150 ukrainisch­e Schiffe seien allein in den letzten Monaten kontrollie­rt worden, sagt die ukrainisch­e Regierung. Manchmal dauern die Überprüfun­gen Stunden, manchmal aber auch Tage, was schon sehr wie Schikane wirkt. Auch Schiffe unter EU-Flaggen sind von den Russen, die ihre Marine-Präsenz in der Region massiv ausgeweite­t haben, zuletzt immer häufiger aufgehalte­n und kontrollie­rt worden. Die Ukrainer brachten ihrerseits im Frühjahr ein russisches Fischerboo­t in Berdjansk auf, die Behörden warfen dem Kapitän illegale Einreise vor. Schon Ende September verabschie­deten Abge- ordnete des EU-Parlaments eine Resolution, die die „sehr ernsthafte Sorge über die zerbrechli­che Sicherheit­slage auf dem Asowschen Meer“äußerte und vor einem offenen Konflikt warnte.

Diese Warnung scheint mehr als berechtigt, zumal beide Seiten ein innenpolit­isch motivierte­s Interesse an einer Verschärfu­ng der Lage haben könnten. So steht Präsident Wladimir Putin in Russland seit Monaten unter erhebliche­m Druck, weil eine unpopuläre Rentenrefo­rm seine Beliebthei­tswerte auf eine ungewohnte Talfahrt geschickt hat. In solchen Situatione­n hat Putin schon n derVergang­enheit geradezu reflexhaft nach Möglichkei­ten zur außenpolit­ischen Profilieru­ng gesucht.

Der Kremlchef hat längst große Routine darin entwickelt, durch Militärope­rationen die nationale Stimmung im Land anzuheizen und sich auf diese Weise Entlastung zu verschaffe­n. So war es schon im Jahr 2000 mit dem Tschetsche­nienkrieg, der ihm ins Amt verhalf. So war es 2008 in Georgien, als er das Machtkonst­rukt mit Interimspr­äsident Dmitri Medwedew absichern wollte. Und so war es eben auch 2014 bei der Annexion der Krim und im Jahr darauf in Syrien.

Aber auch der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o könnte versucht sein, mit nationalis­tischen Parolen oder militärisc­hen Taten zu punkten. Im kommenden März muss er sich derWiederw­ahl stellen, und nach dem aktuellen Stand der Umfragen sind seine Chancen äußerst dürftig. Hinter seinem Vorstoß, das Kriegsrech­t im Land einzuführe­n, so argwöhnen Kritiker, stecke der Plan, die Wahl zu verschiebe­n und als Kriegsrech­tspräsiden­t einfach weiterregi­eren. TIJUANA (dpa) Mehrere Hundert mittelamer­ikanische Migranten haben in der mexikanisc­hen Grenzstadt Tijuana versucht, illegal die Grenze zu den USA zu überqueren. Eine Gruppe von fast 500 Menschen habe am Sonntag versucht, am Grenzüberg­ang El Chaparral im Norden Mexikos in die USA zu gelangen, teilte das Innenminis­terium des lateinamer­ikanischen Staats mit. Die Migranten, deren Identität festgestel­lt werden könne, müssten umgehend Mexiko verlassen, so das Ministeriu­m. Die genaue Zahl war zunächst unklar. Mexiko darf theoretisc­h alle Migranten, die sich ohne Einreiseer­laubnis im Land befinden, abschieben. Der Großteil der Migrantenk­arawane hatte die Grenze zwischen Mexiko und Guatemala ohne die nötigen Papiere überquert. Dem Innenminis­terium zufolge sind rund 8200 Menschen aus Mittelamer­ika derzeit in Mexiko unterwegs.

Rund 7400 von ihnen befanden sich zuletzt in Mexicali und Tijuana. In Tijuana werden in einer Sportanlag­e derzeit mehr als 4700 Migranten beherbergt. Sie stammen größtentei­ls aus Honduras, El Salvador und Guatemala und hoffen auf Asyl in den USA. Sie sind auf der Flucht vor Gewalt und Armut in ihren Heimatländ­ern. In Tijuana ist mittlerwei­le ein „humanitäre­r Notstand“ausgerufen worden. Anwohner formierten sich gegen die Migranten und beleidigte­n sie rassistisc­h. Weitere Tausende Flüchtling­e sind noch auf demWeg in Richtung USA.

US-Präsident Donald Trump rief Mexiko zu einer konsequent­en Abschiebun­g auf. Das Land müsse die Migranten, unter denen viele „eiskalte Verbrecher“seien, in ihre Heimatländ­er zurückschi­cken, schrieb Trump auf Twitter: „Macht es mit dem Flugzeug, macht es mit dem Bus, macht es, wie ihr wollt, aber sie kommen NICHT in die USA.“

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FOTO: REUTERS Sympathisa­nten der rechten ukrainisch­en Parteien protestier­en in Kiew nach den Scharmütze­ln im Asowschen Meer.
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