Lukebakio und die Zeitmaschine
Das 3:3 der Fortuna beim FC Bayern verdient das Prädikat „vereinshistorisch“.
DÜSSELDORF Fortuna hat den FC Bayern schon geschlagen. Gar nicht so selten. Einmal sogar mit 7:1, einmal höchst spektakulär mit 6:5, mehrfach mit vier Treffern. Ist dann so ein 3:3, wie es den Düsseldorfern am Samstag beim Rekordmeister in der Münchner Arena gelungen ist, überhaupt etwas so Besonderes? Die Antwort ist für jeden Fortuna-Anhänger ganz klar. Nicht nur für die Jüngeren, die jenes 7:1 aus dem Dezember 1978 nur von Fotos und aus Erzählungen kennen: Ja, es ist etwas ganz Besonderes.
Wer sich um eine vereinshistorische Einordnung des 24. November 2018 bemühen wollte, musste sich nur hoch oben in der Nordkurve der Arena umsehen. Wie oft schon wurde die Floskel von den „wildfremden Menschen, die sich in den Armen liegen“bemüht – doch selten war sie so zutreffend. Nie zuvor, so ging es aus einem späteren Gespräch hervor, waren sich der in Ehren ergraute, zuvor etwas distanziert wirkende Buchhalter-Typ mit dem unauffälligen Fortuna-Schal um den Hals und der ebenso baumlange wie breitschultrige Mittdreißiger mit der Düsseldorf-Panther-Pudelmütze begegnet. Und nun schoss ein 21-Jähriger Belgier namens Dodi Lukebakio dieses 3:3 bei den Bayern – und die beiden so ungleichen Fans zerdrückten sich gegenseitig fast die Rippen, brüllten sich in die Trommelfelle und ließen die Tränen einfach laufen.
Sicher, es ist nur ein Punkt im Abstiegskampf. Eine Tatsache, die Trainer Friedhelm Funkel nach dem Abpfiff herausstellte. Aber für Fortunas Anhänger ist es weit mehr als das. Für manch einen sogar mehr als der Sieg bei Dynamo Dresden, den im April Rouwen Hennings ebenfalls erst kurz vor Schluss mit seinem 2:1 sicherstellte und der den Aufstieg bedeutete. Dieser Sieg war sportlich und vor allem wirtschaftlich wichtiger als Lukebakios Dreierpack, war er doch für den Verein Millionen wert, während das 3:3 nun zunächst nicht einmal einen besseren Tabellenplatz bedeutete.
Doch Emotionen scheren sich nicht um Euros. Lukebakios Ausgleich in der Nachspielzeit nach Hennings‘ Traumpass war für die Älteren wie eine Zeitmaschine, die sie um ein paar Jahrzehnte zurückversetzte in die Zeit, als Fortuna die Bayern noch regelmäßig ärgern konnte. Als Erstklassigkeit in Düsseldorf normal war, als die Rot-Weißen noch zweimal hintereinander den DFB-Pokal holten und im Europapokalfinale dem FC Barcelona erst in der Verlängerung unglücklich unterlagen. Die Freudentränen der 8000 Mitgereisten am Samstag, die noch lange nach Spielende andauernden Fortuna-Lieder in den Stadiongängen, in den Parkhäusern und Münchner Kneipen, drückten dieses unglaubliche Gefühl aus, für ganz kurze Zeit ebenbürtig zu sein.
Ein Gefühl, was für junge Fans sogar ein ganz neues war und das sie über unzählige Umarmungen gern mit den älteren Fortunen teilten. Kapitän Oliver Fink und seine Kollegen haben am Samstag in vielen treuen Anhängern den Traum erschaffen, womöglich doch nicht der ewigeVerlierer bleiben zu müssen. Und das allein ist nach vielen Jahren der Dritt- und Viertklassigkeit schon ein vereinshistorischer Moment.