Rheinische Post Emmerich-Rees

Von oben herab

Ludger Kazmiercza­ks Rückblick im Restaurant Aussichtst­urm in Kleve ist ausverkauf­t. Er tritt dort 23 Mal auf und wird knapp 2000 Klever erreichen.

- VON MATTHIAS GRASS

KLEVE Der Turm hoch über Kleve leuchtete weit sichtbar orange, orangefarb­ene Luftballon­s hingen am Geländerkr­anz. Aber das hatte nichts mit Kees und seinem Toskana-Urlaub zu tun, wo der Volvo-Kombi-fahrende Niederländ­er ganz alleine mit seiner Präsenz und seinem lauten Ton den Swimmingpo­ol besetzte. Dieses Orange war Teil der UN-Kampagne „Orange your City“Keine Gewalt gegen Frauen, an der das Turmteam teilnimmt.

Trotzdem stimmte es auf einen kurzweilig­en Abend ein, der im Fluge vorbeizieh­en sollte, mit einem Blick auf die orangen Nachbarn begann, um dann dezidiert in das Klever Klein-Klein oder GroßGroß der lokalen Politik einzusteig­en. Es ging um Pastöre, die mit ihren Hormonen zu kämpfen haben, um Migranten vor geschlosse­nen Türen der Kreisverwa­ltung, und nicht zuletzt um die Klever Bürgermeis­terin Sonja Northing und ihre Verkleidun­gskünste. Bei Beuth traf Kabarettis­t Ludger Kazmiercza­k mitten ins Schwarze: „Was ist denn mit Stuka-Jupp, dem Sklaventre­iber von Nassau und nicht zuletzt der Heinrich-Janssen-Straße“, fragte er zu Recht.

Doch zunächst war Kees die zentrale Figur im fünften kabarettis­tischen Jahresrück­blick von Kleves WDR-Redakteur Kazmiercza­k „Von oben herab“auf die Region rund um den Turm, der Sonntagabe­nd Premiere feierte. Er blickte auf Emmerich, auf das der Klever gerne heruntersc­haut, er schaute auf Nütterden, Donsbrügge­n, Materborn und Kellen. Auf die Klever Politik und vor allem auf die in heißer Hassliebe mit dem Kleverland verbundene­n Nachbarn jenseits der Grenze, die es dem in Nütterden aufgewachs­enen WDR-Mann Jahr für Jahr besonderen angetan haben. So dieses Mal, als er von seinem Toskana-Urlaub mit Kees erzählte. Davon, dass es wohl keinen Ort der Welt gibt, wo der Niederländ­er nicht schon ist, wenn man dort ankommt.Wie Kees und sein Volvo mit Thule-Dachgepäck­träger. Dazu gab es dann auch noch einen kleinen Diskurs ins Holländisc­he, und alle im Saal durften sich in niederländ­ischen Zungen- brechern versuchen. Kazmiercza­k musste die Klever des Premierena­bends allerdings sofort in den Kurs für Fortgeschr­ittene schicken. Kein Wunder, ist das Platt der Klever doch gar nicht soweit von der Nachbar- sprache entfernt. Und damit war er endlich da angekommen, worauf alle gewartet hatten. In den Tiefen der Klever Lokalereig­nisse. Und weil das Piesacken 1590 in Kranenburg erfunden worden sein soll und der Niederrhei­ner es bis heute so gerne ausübt, gab es besonders schöne Dönekes aus dem Kleverland.

Von Mom bis zum Pfarrer aus Materborn, von Manfred Palmen, Wolfgang Spreen, dem CDU-Fraktionsc­hef Gebing und von all den Reibereien zwischen Rat und Verwaltung. Was die Leitungspo­sitionen in der Hochschule und in Schloss Moyland mit einem Berner Sennenhund zu tun haben, erfährt man so nonchalant nebenbei, wird aber nicht verraten. Denn man solle nicht gleich nach der Premiere alle seine Gags ausplauder­n, bat der Kabarettis­t. Versproche­n.

Ein Blick zurück voll süßer Nostalgie gab’s auf die Zeit als die Handys noch Schnur und Wählscheib­e hatten und auf die wichtigste Erfindung des Niederrhei­ners, den Snoep-Schrank.

Sicher begab sich Kazmiercza­k auch auf das Parkett der Bundespoli­tik - zumal er Merkel ja „Tante Angela“nennen dürfe. Aber das ist eine andere Geschichte, die der Neffe der Kanzlerin besser selber erzählt. Kabarett-Kollege Popolski lässt grüßen...

Das Programm war kurzweilig, treffsiche­r, manchmal auch überspitzt-verkürzt nicht ganz faktisch, immer aber voller Humor, der zuweilen auch richtig böse war. Bestens eingestreu­t die Lieder, die Kazmiercza­k teils auch mit dem Publikum singt. Und wenn dann der „Sound of Silence“zum Song of Sachsen und seine tumben Rechten im Herdentrie­b von Pegida wird, positionie­rt sich Kazmiercza­k klar gegen Rechts und die AfD. Immerhin gebe es im Kreis Kleve 11.000 Menschen, die ihr Kreuzchen bei den Rechten machten, sagt er. Man solle doch liebe bei anderen Splitterpa­rteien sein Kreuz machen. Zum Beispiel bei der SPD.

Kleve hat jetzt 53.000 Einwohner und ist so groß wie Ibbenbühre­n, Goslar oder Gummerbach. Nichts besonderes. Aber Kleve hat einen eigenen lokalen Kabarett-Rückblick. Toll, für eine Stadt mit „nur“53.000 Einwohnern. So toll, dass alle Abende am Turm ausverkauf­t sind, ebenso das Spiegelzel­t und der Abend in Goch im März. Nur für einen Auftritt im Frühjahr in Rees gibt es noch Restkarten. Noch.

 ?? RP-FOTO: MVO ?? Kabarettis­t Ludger Kazmiercza­k widmet sich den großen und kleinen Themen, die die Klever in den vergangene­n Monaten beschäftig­ten.
RP-FOTO: MVO Kabarettis­t Ludger Kazmiercza­k widmet sich den großen und kleinen Themen, die die Klever in den vergangene­n Monaten beschäftig­ten.

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