Rheinische Post Emmerich-Rees

Gestrandet in Köln

Nach einer Stunde muss die „Konrad Adenauer“über Amsterdam umkehren. Unsere Autorin saß an Bord des Pannenflug­s.

- VON KRISTINA DUNZ

KÖLN Eine solche Fehlerquel­le kannte das Verteidigu­ngsministe­rium von Ursula von der Leyen (CDU) bisher nicht. Dieser Schaden sei erstmals aufgetrete­n, betont ihr Sprecher Jens Flosdorff nach der Panne des altgedient­en Luftwaffe-Regierungs­fliegers „Konrad Adenauer“. Der Vorgang ist beispiello­s. Aus Sicherheit­s- und Regierungs­kreisen verlautet zunächst, dass auch der Verdacht auf einen kriminelle­n Hintergrun­d geprüft werde. Dafür werden aber keine Anhaltspun­kte gefunden, wie Luftwaffe und Ministeriu­m schnell erklären. In der Maschine saßen die Bundeskanz­lerin, der Vizekanzle­r, Sprecher, Berater und Journalist­en.

Ziel ist der G20-Gipfel in Argentinie­n. Aber die „Konrad Adenauer“, ein Airbus A340-300, dreht nach einer Stunde Flugzeit über Amsterdam wieder um. Auf Spott brauchen Merkel und Scholz nicht lange zu warten. Regierungs­maschinen anderer Nationen können nicht aushelfen. Die beiden machen sich nach Madrid auf, um von dort aus mit einem Linienflug nach Südamerika zu fliegen. Die große Volkswirts­chaft Deutschlan­d wirkt blamiert.

Gestoppt wurde die Maschine durch ein kleines defektes Bauteil, tief im Inneren des Airbus. Es verbindet zwei Kommunikat­ionsanlage­n miteinande­r und ist zusätzlich für das System zum Ablassen von Kerosin zuständig ist. Aber trotz regelmäßig­erWartung nach höchsten Sicherheit­sstandards, wie Flosdorff sagt, streikt das kleine Teilchen. Wie das passieren kann, bleibt im Dunkeln. Jedenfalls legt es die Kommunikat­ion mit dem Boden lahm. Da sind es noch 14 Flugstunde­n bis zum Ziel, die Maschine nähert sich dem Atlantik.

Über Lautsprech­er werden die Passagiere gebeten, sich hinzusetze­n und anzuschnal­len. Aber weil die Kanzlerin gerade in einem Besprechun­gsraum die Journalist­en über die Ziele der Bundesregi­erung beim G20-Gipfel informiert, geht es noch recht locker zu. Irgendwann legt Merkel nach nochmalige­r Aufforderu­ng den Gurt um. Bevor der Vizekanzle­r es der Regierungs­chefin gleichtun kann, kommt eine angespannt­e Flugbeglei­terin herein und bittet Merkel hinaus. Allen ist klar: Es muss etwas passiert sein.

Im Nachbarrau­m sitzt Merkels Mann Joachim Sauer, Quantenche­miker und eher öffentlich­keitsscheu. Während Merkels Amtszeit ist er nur selten mitgefloge­n. 2017 war Sauer mit seiner Frau Gastgeber des Gipfels in Hamburg und hat dort das Partnerpro­gramm angeführt. In Buenos Aires soll es ein Wiedersehe­n geben. Doch dazu kommt es nicht.

Der Pilot entscheide­t sich zur Umkehr, weil er den Kontakt zum Boden nur noch über Satelliten-Telefon aufrechter­halten kann. Da weiß er noch nicht, dass er auch kein Kerosins ablassen kann, weil sich dasVentil nicht öffnet. So muss er mit der ganzen Ladung landen. Das bedeutet hohe Schubkraft. Er fliegt nicht das nahegelege­ne Amsterdam an, sondern Köln, weil er einen längeren Anlauf für den Sinkflug braucht, heißt es. Die Maschine setzt hart auf, der Pilot bremst stark, die Feuerwehr steht bereit. Es wird geprüft, ob die Bremsen brennen oder es sonstige Schäden gibt. 70 lange Minuten darf keiner das Flugzeug verlassen. Auch Merkel nicht. Sicherheit­smaßnahme.

Flosdorff spricht von „Notlanden“, Merkel von einer „ernsthafte­n Störung“. Doch eine Regierungs­sprecherin beteuert später: „Es bestand zu keiner Zeit Gefahr für Leib und Leben der Passagiere an Bord der Maschine.“Vielleicht, weil das doch etwas seltsam wirkt, sagt Flosdorff, es habe eine „höhere abstrakte Gefahr“bestanden.

Der Großteil der Delegation fährt wieder nach Hause, weil so schnell nicht so viele Plätze in Linienmasc­hinen zu bekommen sind. Auch Joachim Sauer fliegt nicht weiter mit. Das Partnerpro­gramm wäre so gut wie vorbei, wenn er in Argentinie­n einträfe. Seine Frau will aber wenigstens an der Abendrunde des Gipfels teilnehmen und versuchen, die für den Tag geplanten Treffen mit US-Präsident Donald Trump, Chinas Staatschef Xi Jinping und dem argentinis­chen Präsidente­n Mauricio Macri noch nachzuhole­n. Am Samstag will sie Russlands Präsidente­n Wladimir Putin treffen.

Glückliche­rweise sei der erfahrenst­e Flugkapitä­n der Flugbereit­schaft der Pilot gewesen, sagt Merkel. Wenn sie so spricht, muss die Lage dramatisch gewesen sein. Normalerwe­ise spielt sie Krisen erst einmal herunter. Scholz äußert sich ähnlich. Es verlautet, dieser erfahrene und herausrage­nde Kapitän sei kurz nach der Landung „fix und fertig“gewesen. Zwischenze­itlich sei nicht klar gewesen, ob das Fahrwerk funktionie­ren werde. Ihm sei es zu verdanken, dass kein Unglück geschehen sei. Die Kanzlerin soll unmittelba­r nach der Landung mit von der Leyen telefonier­t haben.

Aus Regierungs­kreisen verlautet, nach einem solchen Vorfall werde immer in „alle Richtungen“ermittelt. Ungeheuerl­iche Fragen stehen im Raum.Wer könnte wann und wo und wie das Flugzeug manipulier­t haben? Gibt es einen Zusammenha­ng mit den jüngsten Hacker-Attacken gegen Bundeswehr, Botschafte­n und Bundestags­abgeordnet­e? Flosdorff verneint. Bestand die Gefahr, dass Kanzlerin und Vizekanzle­r mit ihrer Delegation abstürzen? Einige Reaktionen in Delegation­skreisen mit etwas Abstand nach der Landung lauten: „Das war knapp.“

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FOTO: DPA Angela Merkel verlässt die „Konrad Adenauer“am Flughafen Köln-Bonn.
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FOTO: DUNZ Der Monitor in der Regierungs­maschine zeigt die geänderte Route der „Konrad Adenauer“.

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