Gestrandet in Köln
Nach einer Stunde muss die „Konrad Adenauer“über Amsterdam umkehren. Unsere Autorin saß an Bord des Pannenflugs.
KÖLN Eine solche Fehlerquelle kannte das Verteidigungsministerium von Ursula von der Leyen (CDU) bisher nicht. Dieser Schaden sei erstmals aufgetreten, betont ihr Sprecher Jens Flosdorff nach der Panne des altgedienten Luftwaffe-Regierungsfliegers „Konrad Adenauer“. Der Vorgang ist beispiellos. Aus Sicherheits- und Regierungskreisen verlautet zunächst, dass auch der Verdacht auf einen kriminellen Hintergrund geprüft werde. Dafür werden aber keine Anhaltspunkte gefunden, wie Luftwaffe und Ministerium schnell erklären. In der Maschine saßen die Bundeskanzlerin, der Vizekanzler, Sprecher, Berater und Journalisten.
Ziel ist der G20-Gipfel in Argentinien. Aber die „Konrad Adenauer“, ein Airbus A340-300, dreht nach einer Stunde Flugzeit über Amsterdam wieder um. Auf Spott brauchen Merkel und Scholz nicht lange zu warten. Regierungsmaschinen anderer Nationen können nicht aushelfen. Die beiden machen sich nach Madrid auf, um von dort aus mit einem Linienflug nach Südamerika zu fliegen. Die große Volkswirtschaft Deutschland wirkt blamiert.
Gestoppt wurde die Maschine durch ein kleines defektes Bauteil, tief im Inneren des Airbus. Es verbindet zwei Kommunikationsanlagen miteinander und ist zusätzlich für das System zum Ablassen von Kerosin zuständig ist. Aber trotz regelmäßigerWartung nach höchsten Sicherheitsstandards, wie Flosdorff sagt, streikt das kleine Teilchen. Wie das passieren kann, bleibt im Dunkeln. Jedenfalls legt es die Kommunikation mit dem Boden lahm. Da sind es noch 14 Flugstunden bis zum Ziel, die Maschine nähert sich dem Atlantik.
Über Lautsprecher werden die Passagiere gebeten, sich hinzusetzen und anzuschnallen. Aber weil die Kanzlerin gerade in einem Besprechungsraum die Journalisten über die Ziele der Bundesregierung beim G20-Gipfel informiert, geht es noch recht locker zu. Irgendwann legt Merkel nach nochmaliger Aufforderung den Gurt um. Bevor der Vizekanzler es der Regierungschefin gleichtun kann, kommt eine angespannte Flugbegleiterin herein und bittet Merkel hinaus. Allen ist klar: Es muss etwas passiert sein.
Im Nachbarraum sitzt Merkels Mann Joachim Sauer, Quantenchemiker und eher öffentlichkeitsscheu. Während Merkels Amtszeit ist er nur selten mitgeflogen. 2017 war Sauer mit seiner Frau Gastgeber des Gipfels in Hamburg und hat dort das Partnerprogramm angeführt. In Buenos Aires soll es ein Wiedersehen geben. Doch dazu kommt es nicht.
Der Pilot entscheidet sich zur Umkehr, weil er den Kontakt zum Boden nur noch über Satelliten-Telefon aufrechterhalten kann. Da weiß er noch nicht, dass er auch kein Kerosins ablassen kann, weil sich dasVentil nicht öffnet. So muss er mit der ganzen Ladung landen. Das bedeutet hohe Schubkraft. Er fliegt nicht das nahegelegene Amsterdam an, sondern Köln, weil er einen längeren Anlauf für den Sinkflug braucht, heißt es. Die Maschine setzt hart auf, der Pilot bremst stark, die Feuerwehr steht bereit. Es wird geprüft, ob die Bremsen brennen oder es sonstige Schäden gibt. 70 lange Minuten darf keiner das Flugzeug verlassen. Auch Merkel nicht. Sicherheitsmaßnahme.
Flosdorff spricht von „Notlanden“, Merkel von einer „ernsthaften Störung“. Doch eine Regierungssprecherin beteuert später: „Es bestand zu keiner Zeit Gefahr für Leib und Leben der Passagiere an Bord der Maschine.“Vielleicht, weil das doch etwas seltsam wirkt, sagt Flosdorff, es habe eine „höhere abstrakte Gefahr“bestanden.
Der Großteil der Delegation fährt wieder nach Hause, weil so schnell nicht so viele Plätze in Linienmaschinen zu bekommen sind. Auch Joachim Sauer fliegt nicht weiter mit. Das Partnerprogramm wäre so gut wie vorbei, wenn er in Argentinien einträfe. Seine Frau will aber wenigstens an der Abendrunde des Gipfels teilnehmen und versuchen, die für den Tag geplanten Treffen mit US-Präsident Donald Trump, Chinas Staatschef Xi Jinping und dem argentinischen Präsidenten Mauricio Macri noch nachzuholen. Am Samstag will sie Russlands Präsidenten Wladimir Putin treffen.
Glücklicherweise sei der erfahrenste Flugkapitän der Flugbereitschaft der Pilot gewesen, sagt Merkel. Wenn sie so spricht, muss die Lage dramatisch gewesen sein. Normalerweise spielt sie Krisen erst einmal herunter. Scholz äußert sich ähnlich. Es verlautet, dieser erfahrene und herausragende Kapitän sei kurz nach der Landung „fix und fertig“gewesen. Zwischenzeitlich sei nicht klar gewesen, ob das Fahrwerk funktionieren werde. Ihm sei es zu verdanken, dass kein Unglück geschehen sei. Die Kanzlerin soll unmittelbar nach der Landung mit von der Leyen telefoniert haben.
Aus Regierungskreisen verlautet, nach einem solchen Vorfall werde immer in „alle Richtungen“ermittelt. Ungeheuerliche Fragen stehen im Raum.Wer könnte wann und wo und wie das Flugzeug manipuliert haben? Gibt es einen Zusammenhang mit den jüngsten Hacker-Attacken gegen Bundeswehr, Botschaften und Bundestagsabgeordnete? Flosdorff verneint. Bestand die Gefahr, dass Kanzlerin und Vizekanzler mit ihrer Delegation abstürzen? Einige Reaktionen in Delegationskreisen mit etwas Abstand nach der Landung lauten: „Das war knapp.“