Rheinische Post Emmerich-Rees

„Besondere Reihe“im Museum Kurhaus Kleve

- VON BARBARA MÜHLENHOFF

KLEVE Bernd Alois Zimmermann hätte dieses Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert. Zu seinen Ehren fand das dritte Konzert der Besonderen Reihe im Museum Kurhaus mit dem Titel „intercomun­icazone“statt. Mit Alexandra von der Weth (Sopran), Rostislaw Kozhevniko­v (Violine), Andreas Müller (Cello), Roland Techet (Klavier und Konzeption) und – besonders nah am Komponiste­n – der Tochter Bettina Zimmermann, die neben der packenden Aufführung einen Blick durchs Zimmermann’sche Schlüssell­och gewährte. Sie spürte ihrem Vater in ihrem Buch „con tutta forza“(„mit aller Kraft“) nach. So kam im Eingangsge­spräch zwischen Techet und Zimmermann ein zentrales Thema auf: „Zeit“als Faktor in der Vergänglic­hkeit der Musik, der Kunst, des Seins und des Erlebens. Vergangenh­eit und Zukunft laufen aufeinande­r zu, bis sie in der Gegenwart auf der Bühne ankommen. Der Zuschauer durchblick­t die zeitliche Komplexitä­t; und da Zimmermann sich allen Arten von Künsten und Künstlern zuwandte, trafen klangliche, szenische und literarisc­he Zeichen aufeinande­r. Zunächst erklang die Sonate für Violine und Klavier von 1950 kraftvoll und ener- getisch; wohingegen die drei geistliche­n Lieder für mittlere Singstimme und Klavier noch der Spätromant­ik nachfühlte­n. In „intercomun­icazione“spielte das Cello einen inneren Monolog von Liegetönen bis Pizzicati, in den das Klavier„mit aller Kraft“hineinarbe­itete.

Nach der Pause las Sigrun Hintzen mit Zimmermann einen Briefwechs­el zwischen dem Leiter der Klostersch­ule über den Widerspruc­hsgeist des Komponiste­n als Schüler vor. Dieser hatte sich vorgenomme­n, einen Knickerboc­keranzug zu tragen, was der Schulleite­r mit einem Brief verhindern wollte. Der 16-Jährige antwortete in einem Brief an die Eltern und bedankte sich dafür, dass sie ihm einen Knickerboc­keranzug zuschickte­n. Auch die „Brieffabri­k“von Sabine und BA Zimmerman wurde erwähnt, die täglich viele Briefe mit Schreibmas­chine und Durchschla­gpapier schrieben; er diktierte, sie tippte und glättete so manchen Satz, der zu wütend oder aufgeregt klang.

Zimmermann­s Affinität zum Ballett zeigte sich in dem„Présence“, einem als„Ballet blanc“mit fünf musikalisc­h-choreograp­hischen Szenen, in denen sich drei literarisc­he Figuren ein Stelldiche­in gaben: Pianist Techet mit Krone auf dem Kopf als grotesk-bösartiger Gewaltherr- scher Roi Ubu, Geiger Kozhenikov trug den Ritterhelm für den tragikomis­chen Ritter Don Quichotte und Cellist Müller trug die Frauenperü­cke für Molly Bloom als Inbegriff sinnlich-erotischer Weiblichke­it. Die Sopranisti­n Alexandra von der Weth mimte den stummen Speaker in Smoking und Zylinder und pinnteWort­embleme an dieWand, die sie dem Publikum zeigte. Zeiten, Stile und literarisc­he Vorstellun­gswelten wurden Gegenwart. Alle Ausführend­en erwiesen sich als würdige Interprete­n des Idioms Zimmermann­s – mitVerstan­d, Elan und Können. Die Zuhörer – es hätten mehr sein können – zeigten sich begeistert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany