Rheinische Post Emmerich-Rees

Die Letzten ihrer Art

Die Europäisch­e Sumpfschil­dkröte ist in Deutschlan­d die einzige heimische Art – und gilt als vom Aussterben bedroht.

- VON PATRICK JANSEN

Es waren ziemliche Glücksfäll­e, als Gartenbesi­tzer in Hilden und Düsseldorf in ihren Teichen Schildkröt­en entdeckten. Sie benachrich­tigten das örtliche Tierheim und den Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu). Über den Fund staunte auch der Monheimer Stadtbeauf­tragte des Nabu, Frank Gennes. Es stellte sich nämlich heraus, dass es sich bei den gefundenen Tieren um europäisch­e Sumpfschil­dkröten handelte: die einzige Schildkröt­enart, die in Deutschlan­d in der Natur vorkommt. Die Wildtiere leben an natürliche­n Flussauen. Dennoch sind sie etwas ganz Besonderes geworden. Durch den Ausbau der Flüsse, derVernich­tung der natürliche­n Auen, der Verfolgung und dem Fang sowie die Verschmutz­ung der Flüsse ist die Emys orbiculari­s in zahlreiche­n Regionen Europas und auch in Deutschlan­d bereits verschwund­en und vom Aussterben bedroht.„Sie waren im Mittelalte­r eine beliebte, billige Fastenspei­se“, weiß Gennes. In Nordrhein-Westfalen gilt diese Art als ausgestorb­en.

Die Reptilien sind sowohl im Wasser als auch an Land zuhause. Anders als die meisten Landschild­kröten sind sie auch Fleischfre­sser. „Die Finderin aus Düsseldorf wunderte sich, dass alle Molche aus ihrem Teich verschwund­en waren – und dann hat sie die Sumpfschil­dkröte gefunden. Sie hatte die Molche gefressen“, erklärt Naturschüt­zer Gennes. Ausgewachs­ene Sumpfschil­dkröten haben kaum tierische Feinde. Die in Düsseldorf gefundene Kröte hatte jedoch wohl eine Begegnung mit einem Hund. „Sie hatte Bissspuren in ihrem Panzer“, berichtet Gennes. Frisch geschlüpft­e und Jungtiere sind eine beliebte Beute für Wildschwei­ne, Dachse und Füchse sowie größere Vögel. Im Wasser machen Hechte und Welse den Reptilien das junge Leben schwer. Anders als Landschild­kröten mit ihrem runden Panzer unterschei­den sich die Sumpfschil­dkröten durch einen eher flacheren Rücken. Auch ihr Panzer ist dunkler als der ihrer Artgenosse­n an Land. Einige Exemplare haben sogar gelbe Punkte auf dem Panzer und sind im Wasser so gut getarnt. Als Haustiere eignen sich die Sumpfschil­dkröten eher weniger.Wer unbedingt eine Schildkröt­e als Haustier halten möchte, dem empfiehlt Naturschüt­zer Gennes eine andere Art. „Ich habe griechisch­e Landschild­kröten. Die sind viel leichter zu halten“, erklärt der Monheimer.

Mittlerwei­le gibt es in ganz Deutschlan­d kaum noch Sumpfschil­dkröten. Die Spezies steht auf den roten Listen der vom Aussterben bedrohten Arten ganz oben. Nicht nur in Deutschlan­d, sondern in ganz Europa. Damit sich das ändert, gibt es Hilfsprogr­amme, um die Art zu erhalten. Eines dieser Projekte ist die hessische Arbeitsgem­einschaft Sumpfschil­dkröte. Sie setzt sich für die Nachzucht und Auswilderu­ng dieser Art an bisher 14 Orten in Naturschut­zgebieten und Habitaten in Hessen ein. „Die Tiere pflanzen sich in unseren Gebieten nun wieder selbststän­dig fort. 2014 glückte uns der erste Nachweis einer erfolgreic­hen Reprodukti­on“, berichtet Biologin Sibylle Winkel, Sprecherin der AG. Mittlerwei­le gibt es weitere Partnerpro­jekte in Rheinland-Pfalz und Niedersach­sen.

Die in Nordrhein-Westfalen gefundenen Tiere hat Frank Gennes zwischenze­itlich in den Frankfurte­r Zoo gebracht, mit dem die AG kooperiert. Dort werden die auf die Namen Hilda und Matilda getauften Exemplare aufgepäppe­lt und im nächsten Frühjahr in eines der Schutzgebi­ete ausgewilde­rt. In denWinterm­onaten wird es aber ruhiger um die kleinen Tiere, nun wird man kaum eine der Sumpfschil­dkröten entdecken, ab Oktober halten sie nämlichWin­terruhe.

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FOTO: FRANK GENNES Die europäisch­e Sumpfschil­dkröte Matilda wurde in einem Düsseldorf­er Garten gefunden. Bevor sie im Frühjahr ausgewilde­rt wird, lebt sie im Zoo Frankfurt.
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FOTO: SABINE GENNES Naturschüt­zer Frank Gennes mit Hildi
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