Die Letzten ihrer Art
Die Europäische Sumpfschildkröte ist in Deutschland die einzige heimische Art – und gilt als vom Aussterben bedroht.
Es waren ziemliche Glücksfälle, als Gartenbesitzer in Hilden und Düsseldorf in ihren Teichen Schildkröten entdeckten. Sie benachrichtigten das örtliche Tierheim und den Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Über den Fund staunte auch der Monheimer Stadtbeauftragte des Nabu, Frank Gennes. Es stellte sich nämlich heraus, dass es sich bei den gefundenen Tieren um europäische Sumpfschildkröten handelte: die einzige Schildkrötenart, die in Deutschland in der Natur vorkommt. Die Wildtiere leben an natürlichen Flussauen. Dennoch sind sie etwas ganz Besonderes geworden. Durch den Ausbau der Flüsse, derVernichtung der natürlichen Auen, der Verfolgung und dem Fang sowie die Verschmutzung der Flüsse ist die Emys orbicularis in zahlreichen Regionen Europas und auch in Deutschland bereits verschwunden und vom Aussterben bedroht.„Sie waren im Mittelalter eine beliebte, billige Fastenspeise“, weiß Gennes. In Nordrhein-Westfalen gilt diese Art als ausgestorben.
Die Reptilien sind sowohl im Wasser als auch an Land zuhause. Anders als die meisten Landschildkröten sind sie auch Fleischfresser. „Die Finderin aus Düsseldorf wunderte sich, dass alle Molche aus ihrem Teich verschwunden waren – und dann hat sie die Sumpfschildkröte gefunden. Sie hatte die Molche gefressen“, erklärt Naturschützer Gennes. Ausgewachsene Sumpfschildkröten haben kaum tierische Feinde. Die in Düsseldorf gefundene Kröte hatte jedoch wohl eine Begegnung mit einem Hund. „Sie hatte Bissspuren in ihrem Panzer“, berichtet Gennes. Frisch geschlüpfte und Jungtiere sind eine beliebte Beute für Wildschweine, Dachse und Füchse sowie größere Vögel. Im Wasser machen Hechte und Welse den Reptilien das junge Leben schwer. Anders als Landschildkröten mit ihrem runden Panzer unterscheiden sich die Sumpfschildkröten durch einen eher flacheren Rücken. Auch ihr Panzer ist dunkler als der ihrer Artgenossen an Land. Einige Exemplare haben sogar gelbe Punkte auf dem Panzer und sind im Wasser so gut getarnt. Als Haustiere eignen sich die Sumpfschildkröten eher weniger.Wer unbedingt eine Schildkröte als Haustier halten möchte, dem empfiehlt Naturschützer Gennes eine andere Art. „Ich habe griechische Landschildkröten. Die sind viel leichter zu halten“, erklärt der Monheimer.
Mittlerweile gibt es in ganz Deutschland kaum noch Sumpfschildkröten. Die Spezies steht auf den roten Listen der vom Aussterben bedrohten Arten ganz oben. Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Damit sich das ändert, gibt es Hilfsprogramme, um die Art zu erhalten. Eines dieser Projekte ist die hessische Arbeitsgemeinschaft Sumpfschildkröte. Sie setzt sich für die Nachzucht und Auswilderung dieser Art an bisher 14 Orten in Naturschutzgebieten und Habitaten in Hessen ein. „Die Tiere pflanzen sich in unseren Gebieten nun wieder selbstständig fort. 2014 glückte uns der erste Nachweis einer erfolgreichen Reproduktion“, berichtet Biologin Sibylle Winkel, Sprecherin der AG. Mittlerweile gibt es weitere Partnerprojekte in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen.
Die in Nordrhein-Westfalen gefundenen Tiere hat Frank Gennes zwischenzeitlich in den Frankfurter Zoo gebracht, mit dem die AG kooperiert. Dort werden die auf die Namen Hilda und Matilda getauften Exemplare aufgepäppelt und im nächsten Frühjahr in eines der Schutzgebiete ausgewildert. In denWintermonaten wird es aber ruhiger um die kleinen Tiere, nun wird man kaum eine der Sumpfschildkröten entdecken, ab Oktober halten sie nämlichWinterruhe.