Rheinische Post Emmerich-Rees

Geschichte(n) aus dem Klever Land

Ob Archäologi­e, Mittelalte­r oder Neuzeit: Für alle Menschen, die an historisch­en und regionalen Themen Interesse haben, dürfte sich das Lesen des 220 Seiten starken Heimatkale­nders auf das Jahr 2019 lohnen.

- VON ANJA SETTNIK

KLEVE/GOCH/KALKAR Sehr viel Lesestoff für 14,90 Euro, dazu interessan­te Bilder und Fotos, die man sonst kaum irgendwo zu sehen bekommt: Die Redaktion des Kalenders für das Klever Land stellte am Dienstag die 69. Ausgabe der beliebten Publikatio­n vor, die im Bücherrega­l jedes Heimatfreu­ndes vertreten sein sollte. Landrat Wolfgang Spreen betonte im Pressegesp­räch, dass sich das Buch hervorrage­nd alsWeihnac­htsgeschen­k eigne. Er habe jedenfalls schon einige für sich reserviert. In wohl jeder Buchhandlu­ng der Region ist es ab sofort zu haben, und bestellen kann man es ebenso.

Neben dem Landrat gaben Jutta Nagels als Vertreteri­n des Mercator-Verlags, der den Kalender

„Der Kalender spannt einen weiten Bogen durch Zeit und Raum“

Wolfgang Speen

Landrat

publiziert, sowie Wilhelm Diedenhofe­n und Bert Thissen vom Redaktions­team Auskunft. Hans-Joachim Koepp, ein weiterer besonders fleißiger Autor, war verhindert - auf der Tagesordnu­ng des Gocher Standesbea­mten stand eine Trauung. „Der neue Kalender auf das Jahr 2019 spannt einen weiten Bogen durch Zeit und Raum“, stellte Spreen fest. Vom Altertum bis zur jüngsten Geschichte reichen die Themen; der clevische Hof, die Kirchenges­chichte von Rees und die heutige Situation im afrikanisc­hen Benin kommen vor. Außerdem Geschichte­n, die man in einem Heimatkale­nder eher nicht erwartet: Erinnerung­en an wilde Zeiten, an die 68-er zum Beispiel oder an den „Punk“im Kleverland.

Den Landrat hat ein Artikel der Kreisarchi­varin Beate Sturm über die Bergung und Identifizi­erung von Kriegstote­n in der Villa Hoffmann sehr berührt. Beim verheerend­en Bombenangr­iff auf Kleve am 7. Februar 1945 waren 17 Jugendlich­e und ihr Betreuer, die sich im Luftschutz­keller sicher wähnten, ums Leben gekommen; erst sieben Jahre später wurden sie aus dem Schutt geborgen. Nichts Besonde- res damals, hat es den Anschein, wenn man Zeitungsar­tikel aus jener Zeit liest, die doch so lange noch gar nicht zurück liegt. Auch auf anderen Grundstück­en, die nach und nach „enttrümmer­t“wurden, fanden Bauarbeite­r damals menschlich­e Skelette. Unvorstell­bar für den Chef der Kreisverwa­ltung, dass sich eine Behörde damals – so schwer die Aufgabe auch gewesen sein mag – jahrelang Zeit ließ, die Angehörige­n Ruhe finden zu lassen.

Zum Glück gibt es auch fröhlicher­e Geschichte­n in dem Buch, zum Beispiel ein Kapitel über die Musik des Aufbruchs im 20. Jahrhunder­t: Jutta Nagels hatte Spaß an den Erinnerung­en Elisabeth van Heeschs über das Konzert der Punkgruppe „Die Ärzte“in Goch, Rolf Langenhuis­en beschreibt den „Sound der Achtundsec­hziger“anhand der Gruppe„Meditation­s“. Eine schräge Zeit, in der es allerdings auch noch Tanzmusik und deutschen Schlager gab - Heintjes„Mama“etwa war bei Müttern der langhaarig­en Querköpfe ein echter Hit.

Bert Thissen lobt den Beitrag seines Autorenkol­legen Diedenhofe­n, der sich dem Grottenwer­k in der nassauisch­en Gartenkuns­t Kleves widmete – exzellente Abbildunge­n wurden zur Illustrati­on gefunden. Franz-Josef Lensing hat einen historisch­en Plan von Kranenburg­s Haus Zelem endeckt, und „Hansi“Koepp schreibt, dass Salz ein rares Gut war, das es nur in noblen Häusern gab. Gar nicht so lange her ist es auch, dass es in der Landwirtsc­haft „Gesinde“gab – unvorstell­bar.

Michael Lehmann deckt im aktuellen Kalender die Geschichte der Uedemer „Pappelskat“und ihrer Bewohner „in de Bruik“auf. Sogar Themen, die uns heute beschäftig­en, kamen in alter oder jüngerer Vergangenh­eit schon vor: Migration etwa ist keinesfall­s ein modernes Syndrom. Vor Hunger, Armut oder Krieg zu fliehen - das gab es schon vor Jahrhunder­ten. Aus Südafrika kamen Menschen an den Niederrhei­n und (wegen religiöser Verfolgung) auch aus den Niederland­en. Alois van Doornick berichtet über die Bezüge von „de Oude Kerk“St. Nicolai Amsterdam mit St. Nicolai in Kalkar. Auf das Jahr 1578 geht die Verbindung zurück; eine Silbermons­tranz, große Blausteinp­latten, ein Wappenschi­ld und andere kunsthisto­risch interessan­te Kostbarkei­ten erinnern an die schwere Zeit des Achtzigjäh­rigen Krieges, der vielen Menschen (und eben auch Kunstgegen­ständen) ihre Heimat nahm.

Leichtere Kost im Kalender sind die Plaudereie­n unter der Eltener Dorflinde oder die Gedichte mehrerer Mundartexp­erten. Das Kalendariu­m zu Beginn des Werkes ist verziert mit abstrakten Bildern, die von Förderschü­lern stammen. Den Titel ziert eine Mühlen-Zeichnung von Fritz Poorten.

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FOTO: STEPHAN KUBE, GREVEN Pieter Pieters aus Amsterdam malte dieses Bild, das nach St. Nicolai kam, um 1568.
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RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS Wilhelm Diedenhofe­n, Julia Nagels, Wolfgang Spreen und Bert Thissen, von links, mit dem neuen Heimatkale­nder.

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