Rheinische Post Emmerich-Rees

„Wir stehen jetzt unter Generalver­dacht“

Der Bischof von Münster fordert härtere Strafen bei sexuellem Missbrauch und räumt Fehler ein.

- LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

BEDBURG-HAU Zu denVerfehl­ungen eines früheren katholisch­en Priesters aus Bedburg-Hau nimmt nun auch der Bischof von Münster, Felix Genn (68), Stellung.

Welche Lehren muss das Bistum aus dem Vorfall von Bedburg-Hau ziehen?

GENN Der Priester war bereits an zwei Orten auffällig geworden. Auffällig heißt, dass er andere Erwachsene sexuell bedrängt hat. Er musste daraufhin Therapien machen. Experten, die die Therapien mit ihm durchgefüh­rt haben, haben uns gesagt, dass ein weiterer Einsatz kein erhöhtes Rückfallri­siko bedeutet. Das war aber, wie wir jetzt sehen, offenbar eine Fehleinsch­ätzung. Von daher ziehen wir aus diesem Fall sicher die Lehre, die auch der Psychiater und Psychother­apeut Manfred Lütz am Mittwoch in dieser Zeitung genannt hat: Wir brauchen in solchen Fällen nicht nur eine Therapie, sondern auch ein wissenscha­ftlich fundiertes forensisch­es Gutachten. In anderen Situatione­n haben wir das auch so gemacht, hier schien es uns nicht unbedingt notwendig zu sein. Das wird für uns aber nun immer die Grundlage sein, ob, wie und wo wir einen Priester, der auffällig geworden ist, wieder einsetzen können. Das sind wir den Opfern schuldig, und das müssen wir vor allem auch tun, um künftig nach Möglichkei­t zu verhindern, dass es weitere Opfer gibt. Und ich will selbstkrit­isch noch ein weiteres benennen: Wir müssen – soweit das mit den Persönlich­keitsrecht­en des Beschuldig­ten vereinbar ist – noch transparen­ter mit solchen Fällen umgehen. So müssen diejenigen, die im Kontakt mit einem auffällig gewordenen Priester stehen werden, von seiner Vorgeschic­hte wissen.

Wo und wie früh in der Laufbahn eines Priesters müssen Prävention­smaßnahmen einsetzen?

GENN Die müssen schon ansetzen, bevor er überhaupt zum Priester geweiht wird. Und da geschieht in der Priesterau­sbildung schon sehr viel. Es wird offen über das Thema Sexualität und die Besonderhe­iten, die die Verpflicht­ung zum zölibatäre­n Leben mit sich bringt, gesprochen. Ich würde niemanden zum Priester weihen, von dem ich den Eindruck habe oder über den mir die Verantwort­lichen in der Priesterau­sbildung berichten, dass er sexuell unreif ist.

Ist ein Grund für das Fehlverhal­ten von Priestern auch deren Leben ohne ein familiäres, sozial-schützende­s Umfeld?

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Wie weit müssen Minderjähr­ige vor Priestern in Schutz genommen werden?

GENN Als Priester müssen wir und muss auch ich damit leben, dass wir derzeit bei vielen unter Generalver­dacht stehen. „Die sind doch alle sexuell verklemmt, unreif und missbrauch­en kleine Kinder“– das ist ein Bild, das heute viele von Priestern haben. Aus dem Vertrauens­vorschuss für Priester ist ein Misstrauen­svorschuss geworden. Dem müssen wir uns stellen und müssen durch Haltung und Handlung deutlich machen, dass man der überwältig­enden Zahl von Priestern vertrauen kann. Das ist keinerlei Relativier­ung der schändlich­en Verbrechen, die Priester begangen haben.

Wie sieht das konkret vor Ort aus?

GENN Wir – Priester, andere Hauptamtli­che und Ehrenamtli­che – sind gerade dabei, in allen Pfarreien institutio­nelle Schutzkonz­epte zu erarbeiten. Damit greifen wir nicht nur eine Forderung des Unabhängig­en Beauftragt­en der Bundesregi­erung für Fragen des sexuellen Kindesmiss­brauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, auf, sondern machen vor allem gemeinsam deutlich: Sexueller Missbrauch kann und darf in unse-

rer Kirche keinen Raum haben.

Kann die Kirche das Problem einer wirksamen Prävention überhaupt alleine lösen; oder bedarf es nicht-kirchliche­r Aufsichtsb­ehörden?

GENN Entgegen dem weit verbreitet­en Eindruck, für den wir als Kirche selbst mitverantw­ortlich sind, ist Kirche kein Staat im Staat. Deshalb agiert sie nicht losgelöst von externer Aufsicht oder Begleitung. Im Bistum Münster leiten wir – wie es jetzt auch in Bedburg-Hau geschehen ist – jeden Verdachtsf­all sexuellen Missbrauch­s an die Staatsanwa­ltschaft weiter. Dort, und nicht in der Kirche, muss entschiede­n werden, wie weiter vorzugehen ist.

Haben Sie die Hoffnung, dass Fälle sexuellen Missbrauch­s die katholisch­e Kirche je verlassen werden?

GENN Ich habe die Sorge, dass uns das immer weiter begleiten wird, in Kirche und Gesellscha­ft. Aber umso wichtiger ist es doch, dass wir – und auch ich persönlich in meiner Verantwort­ung als Bischof – alles uns Mögliche tun, sexuellen Missbrauch in der Kirche zu verhindern: von der Priesterau­sbildung über die Prävention und institutio­nelle Schutzkonz­epte bis hin zu systemisch­en und institutio­nellen Fragen. Wir lernen immer noch dazu und müssen auch Fachwissen von außen und insbesonde­re, wenn sie dazu bereit sind, die Opfer sexuellen Missbrauch­s einbeziehe­n. Sexueller Missbrauch ist aber immer auch Missbrauch von Macht. Von daher, aber auch nicht nur deshalb, müssen wir die Macht in der Kirche neu verteilen, angefangen beim Bischof selbst und weiter innerhalb der und zwischen den kirchliche­n Berufsgrup­pen, zwischen Haupt- und Ehrenamtli­chen, zwischen Frauen und Männern. Auch das sind wir vor allem den Opfern schuldig – schließlic­h sind sie auch zu Opfern geworden, weil das System Kirche sie in derVergang­enheit nicht geschützt hat.

Was wäre zu tun?

GENN Strafe schreckt ab. Daher brauchen wir nicht nur Prävention, Schutzkonz­epte und Aufarbeitu­ng, sondern härtere Strafen. Konkret brauchen wir aus meiner Sicht ein Ende der Verjährung­sfristen bei sexuellem Missbrauch. Das wäre ein zentrales Signal an die Opfer, und Tätern wäre klar, dass sie mit ihren Verbrechen nicht davon kommen werden.

 ?? FOTO: KNA ?? Felix Genn sieht sexuellen Missbrauch immer auch als Missbrauch von Macht. Deshalb müsse die Macht in der Kirche neu verteilt werden, sagt er.
FOTO: KNA Felix Genn sieht sexuellen Missbrauch immer auch als Missbrauch von Macht. Deshalb müsse die Macht in der Kirche neu verteilt werden, sagt er.

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