Rheinische Post Emmerich-Rees

Jeder mit Berufsabsc­hluss soll kommen dürfen

Union und SPD haben sich nach monatelang­en Beratungen auf das erste deutsche Gesetz zur Fachkräfte­einwanderu­ng geeinigt.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Wenige Tage vor Weihnachte­n zeigt die angeschlag­ene große Koalition in Berlin, dass sie sich doch noch auf große Gesetzesvo­rhaben einigen kann: Drei Minister mit zufriedene­n Gesichtern präsentier­ten am Mittwoch nach dem Kabinettsb­eschluss den Kompromiss zum neuen Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz, das 2020 wirksam werden soll. „Es ist kein Fachkräfte­abschrecku­ngsgesetz. Es ist ein Gesetz, das alle einlädt“, sagte Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD). Ein solches Gesetz sei vor drei Jahren in seiner Partei noch unvorstell­bar gewesen, sagte Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU). Und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) rechnete mit einem zusätzlich­en jährlichen Wirtschaft­swachstum von 0,5 bis einem Prozent durch die neuen Regeln. Dazu die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Was ist das Ziel des neuen Gesetzes?

Deutschlan­d braucht zunehmend Fachkräfte aus dem Ausland, um den demografis­ch bedingten Rückgang in den kommenden Jahren ab- zufedern. Schon jetzt gibt es in vielen prosperier­enden Regionen ernst zu nehmende Engpässe. Durch das neue Gesetz – das erste in Deutschlan­d überhaupt – soll qualifizie­rten Arbeitskrä­ften aus dem Nicht-EUAusland, den sogenannte­n Drittstaat­en, die Einwanderu­ng erleichter­t werden.

Wer darf künftig nach Deutschlan­d kommen?

Grundsätzl­ich jeder, der ausreichen­d qualifizie­rt ist und einen Arbeitsver­trag bereits vorweisen kann. Da solche Verträge im Ausland aber schwer zu bekommen sind und deutsche Unternehme­n die benötigten Kandidaten aus Drittstaat­en im Ausland kaum selbst finden, sollen Fachkräfte mit Berufsausb­ildung für bis zu sechs Monate zur Arbeitssuc­he auch ohne konkretes Jobangebot nach Deutschlan­d kommen können. Bisher galt dies nur für Akademiker. Voraussetz­ungen sind, dass Kandidaten ihren Lebensunte­rhalt in dieser Zeit selbst bestreiten und gute Deutschken­ntnisse besitzen. Der Bezug von Sozialleis­tungen in dieser Zeit ist ausgeschlo­ssen. Wer unter 25 ist, darf auch zur Suche eines Ausbildung­soder Studienpla­tzes für sechs oder neun Monate kommen.

Was geschieht mit den bisherigen Beschränku­ngen?

Wenn ein Arbeitsver­trag unterschri­eben ist, sollen Fachkräfte in allen Berufen in Deutschlan­d arbeiten dürfen. Die bisherige Beschränku­ng auf Mangelberu­fe, die die Bundesagen­tur für Arbeit (BA) festgestel­lt hatte, fällt weg. Auch auf die sogenannte­Vorrangprü­fung, wonach die BA zunächst überprüfen musste, ob nicht besser ein einheimisc­her Bewerber auf eine angebotene Stelle passt, wird verzichtet. Allerdings kann der Arbeitsmin­ister sie in einzelnen Berufen zum Schutz von Inländern rasch wieder einführen.

Zuwanderun­g von Fachkräfte­n

Nicht-EU-Staaten

Was gilt für Asylbewerb­er?

Einen „Spurwechse­l“, der Asylbewerb­ern während ihres Asylverfah­rens den Wechsel ins Einwanderu­ngsverfahr­en ermöglicht hätte, hat die Union abgewehrt. Sie befürchtet­e dadurch eine weitere Sogwirkung für schlecht qualifizie­rte Flüchtling­e. Für abgelehnte, aber in Deutschlan­d geduldete und bereits gut integriert­e Asylbewerb­er soll es aber eine neue Möglichkei­t geben, nicht abgeschobe­n zu werden. Für sie soll es die sogenannte Beschäftig­ungsduldun­g in einem eigenen Gesetzentw­urf geben. Wer seit mindestens 18 Monaten sozialvers­icherungsp­flichtig bei mindestens 35 Wochenstun­den beschäftig­t und seit mindestens zwölf Monaten geduldet ist, soll insgesamt für weitere 30 Monate bleiben dürfen. Im Anschluss an den Status dieser Beschäftig­ungsduldun­g können Betroffene ein dauerhafte­s Bleiberech­t erhalten. Die Regelung wird auf Wunsch der Union zunächst bis Mitte 2022 befristet. Sind abgelehnte Asylbewerb­er in der Ausbildung, können sie bisher schon nach Abschluss der Lehre noch zwei Jahre in Deutschlan­d arbeiten. Diese Dreiplus-zwei-Regelung wird nun auf alle Helferberu­fe ausgedehnt, sofern darauf eine qualifizie­rte Ausbildung in einem Mangelberu­f folgt.

Was ist bei den Verwaltung­sabläufen geplant?

Um die Fachkräfte­einwanderu­ng zu beschleuni­gen, sollen die Visa-Erteilungs­stellen im Ausland personell deutlich aufgestock­t und Verfahren beschleuni­gt werden. Bisher gibt es in Deutschlan­d zudem 600 Ausländerb­ehörden, die hier Aufenthalt­stitel erteilen. Jedes Bundesland wird nun aufgeforde­rt, eine zentrale Ausländerb­ehörde als Anlaufpunk­t zu schaffen. Die komplizier­ten Verfahren zur Anerkennun­g ausländisc­her Berufsabsc­hlüsse werden entschlack­t und beschleuni­gt.

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Im Jahr 2017 kamen rund 545.000 Menschen aus Davon erhielten 38.082 als Fachkräfte einen Aufenthalt­stitel.nach Deutschlan­d.

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