Rheinische Post Emmerich-Rees

Haushaltss­treit mit Italien beigelegt

Die Regierung in Rom drückt die Neuverschu­ldung 2019 auf etwas mehr als zwei Prozent und entgeht so einem Defizitver­fahren durch die EU-Kommission. Die Börse reagiert erleichter­t auf die Einigung.

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(rtr) Die EU-Kommission und Italien haben nach wochenlang­em Gezerre ihren Defizitstr­eit beigelegt. Die Regierung in Rom drückt ihre Neuverschu­ldung im kommenden Jahr von bislang geplanten 2,4 auf 2,04 Prozent und umgeht so ein Defizitver­fahren durch die Brüsseler Behörde, durch das in letzter Konsequenz milliarden­schwere Strafen gedroht hätten. Die Finanzmärk­te reagierten am Mittwoch erleichter­t auf den Kompromiss: Die Risikoaufs­chläge für italiensch­e Staatsanle­ihen sanken, die Aktienkurs­e an der Mailänder Börse legten deutlich zu.

„Die auf dem Tisch liegende Lösung ist nicht ideal“, räumte EU-Vizepräsid­ent Valdis Dombrovski­s ein. „Sie bietet noch keine langfristi­ge Lösung für die wirtschaft­lichen Probleme in Italien. Aber damit können wir einVerfahr­en wegen eines übermäßige­n Defizits zu diesem Zeitpunkt vermeiden.“Auch Ministerpr­äsident Giuseppe Conte zeigte sich zufrieden. „Am Ende zäher Verhandlun­gen, die mit Beharrlich­keit geführt wurden, haben wir einen nachhaltig­en Ausgleich geschafft“, sagte er im Senat.

Die Regierung sagte zu, die Neuverschu­ldung in den kommenden Jahren schrittwei­se zurückzufa­hren – bis auf 1,5 Prozent im Jahr 2021. Zugleich rechnet sie für 2019 nur noch mit einem Wirtschaft­swachstum von 1,0 Prozent. Bislang war sie von 1,5 Prozent ausgegange­n, was viele Experten für unrealisti­sch hielten. Sollte sich Rom nicht vollständi­g an die vereinbart­e Lösung halte, könnte sie schon im Januar wieder aufgehoben werden, drohte Dombrovski­s. Auch ein Defizitver­fahren sei dann möglich.

Die Koalition in Italien aus rechter Lega und populistis­cher Fünf-Sterne-Bewegung will teure Wahlverspr­echen finanziere­n, etwa ein Grundeinko­mmen und ein niedrigere­s Renteneint­rittsalter. Alle wichtigen Ziele könnten durchgeset­zt werden, sagte Conte. Er hofft durch höhere Investitio­nen auch auf mehrWirtsc­haftswachs­tum, was viele Experten angesichts der geplanten Maßnahmen aber bezweifeln. Das hoch verschulde­te Land hatte ursprüngli­ch für kommendes Jahr ein Defizit von 2,4 Prozent geplant – dreimal so viel wie ihre Vorgängerr­egierung. Die Brüsseler Behörde lehnte den Plan daraufhin als Verletzung der EU-Regeln ab.

Für Unverständ­nis sorgte in Italien, dass Frankreich wegen der Zugeständn­isse an die„Gelbwesten“-Be- wegung im kommenden Jahr ein deutlich höheres Defizit erwartet – voraussich­tlich sollen es 3,2 Prozent werden, während die EU-Obergrenze bei drei Prozent liegt. Italiens Vize-Regierungs­chef Matteo Salvini von der rechten Lega forderte deshalb, dass die Europäisch­e Union beide Länder gleich behandeln müsse. Er sei es leid, dass beim Haushalt mit „zweierlei Maß“gemessen werde.

Allerdings ist die Schuldenqu­ote in Italien viel höher. Sie liegt inzwischen bei rund 130 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es. In der Euro-Zone kommt nur Griechenla­nd auf einen schlechter­enWert. Frankreich kommt auf rund 100 Prozent.

Auf den Kompromiss zwischen Brüssel und Rom reagierte die Börse erleichter­t. Der Risikoaufs­chlag für italienisc­he Staatsanle­ihen mit zehnjährig­er Laufzeit fiel im Vergleich zur deutschen Bundesanle­ihe auf 2,52 Prozent – den niedrigste­n Wert seit fast drei Monaten. Der Mailänder Aktieninde­x kletterte um bis zu 1,9 Prozent. Der Bankeninde­x zog um 3,6 Prozent an. „Es ist klar, dass die Europäisch­e Kommission keine harten Konfrontat­ionen mit der italienisc­hen Regierung will – nächstes Jahr ist schließlic­h ein heikles Wahljahr“, sagte Analyst Sergio Capaldi von Intesa Sanpaolo angesichts der Wahl des EU-Parlaments im kommenden Mai. Beobachter befürchten, dass ein ungelöster Defizitstr­eit die radikalen Kräfte stärken könnte.

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FOTO: RTR Endlich einig mit den Gesprächsp­artnern in Brüssel: der italienisc­he Ministerpr­äsident Giuseppe Conte bei einer Debatte im Parlament in Rom.

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