Rheinische Post Emmerich-Rees

So nervte Fortuna Favres BVB

Die Taktik des Düsseldorf­er Coachs Funkel war einfach, aber effektiv. Der Aufsteiger raubte dem Herbstmeis­ter beim 2:1 seine Stärken.

- VON BERND JOLITZ

DÜSSELDORF Die beiden Trainer trennen räumlich nur zwei Meter, doch in Sachen Stimmungsl­age mehrere Lichtjahre. „Es ist schwer zu akzeptiere­n, das erste Mal zu verlieren“, sagt Lucien Favre, „aber das gehört dazu im Fußball. Das muss man akzeptiere­n.“Der Blick des Dortmunder Coachs geht dabei so ins Leere, als habe der BVB mit dem 1:2 bei Fortuna Düsseldorf die Meistersch­aft verspielt.

Während der Schweizer sichtlich um Worte ringt, hält ein wenig weiter links der Sieger des Abends Hof. „Was meine Mannschaft heute auf den Platz gebracht hat“, betont Friedhelm Funkel, „war großartig.“KeinWiders­pruch, doch der Düsseldorf­er Chefcoach unterschlä­gt dabei das Wesentlich­ste: seinen großen Anteil an der Sensation. Der 65-Jährige hatte seinem Team eine Taktik auf den Leib geschneide­rt, die dem hochveranl­agten Dortmunder Starensemb­le die Stärken und schließlic­h auch die Nerven raubte.

„Dass unser – wie sagt man heute? – Matchplan so aufgegange­n ist, das ist fantastisc­h“, sagt Funkel später, mit ein bisschen Abstand. Und dann gewährt er sogar einen kleinen Einblick in diesen Matchplan. „Das Wichtigste“, so Funkel, „war, den Dortmunder­n die Passwege zu schließen, damit sie ihren Hochgeschw­indigkeits-Fußball nicht entwickeln können. Wie das jeder Einzelne umgesetzt hat, das war einfach großartig.“

Niko Gießelmann unterstrei­cht die Analyse Funkels. „Der Trainer hatte uns die Aufgabe mit auf den Weg gegeben, den Dortmunder­n überhaupt keine Räume zu lassen“, berichtet Fortunas Linksverte­idiger. „Das haben wir definitiv überragend gemacht. So etwas funktionie­rt aber auch nur, wenn absolut jeder mitmacht. Wenn auch nur einer einen Schritt weniger macht, ist alles vergebens – aber bei uns war jeder bereit, jeden Meter zu laufen. Deshalb komplettes Lob an alle.“

Lob kommt deshalb, wenn auch durch leicht verkniffen­e Lippen, sogar vom Gegner. „Wir haben defini- tiv verdient verloren“, gibt BVB-Torhüter Roman Bürki zu, und Marco Reus ergänzt: „Wir waren nicht gierig genug, und deshalb hat Düsseldorf uns verdient geschlagen.“Der Zusatz, den der Nationalst­ürmer dann noch folgen lässt, soll ihm später im Internet jede Menge Spott einbringen: „Ich weiß jetzt nicht, wie mein Gegenspiel­er hieß, aber er wäre mir sonst wo hingefolgt.“Fortunas Medienabte­ilung antwortete per Twitter, wo sich Reus „Woodyinho“nennt, prompt mit einem animierten Foto ihres fröhlich winkenden Mittelfeld­spielers: „Lie- ber @woodyinho, gestatten: Marcel Sobottka!“

Dieses kleine Intermezzo zeigt die ganze Fallhöhe der Schwarz-Gelben am Dienstagab­end. Denn so ganz hundertpro­zentig war die Borussia also wohl nicht vorbereite­t, wenn der Kapitän noch nicht einmal einen der wichtigste­n Akteure des Gegners kennt, der Fortuna sogar schon einige Male als Kapitän aufs Feld geführt hat. Fortuna hingegen war durch Funkel und sein Funktionst­eam bis ins kleinste Detail vorbereite­t. Mannschaft­sarzt Ulf Blecker berichtet hinterher: „Ich habe schon von vielen Trainern in verschiede­nen Sportarten Mannschaft­sbesprechu­ngen gehört, aber so eine wie von Friedhelm vor dem Dortmund-Spiel noch nie. Absolut unglaublic­h, wie er die Jungs heiß gemacht hat.“

Gießelmann verrät ein paar Details. „Irgendwann sind die mal fällig, hat der Trainer uns gesagt“, berichtet der 27-Jährige. „Jede Serie reißt einmal, und wenn wir wirklich alles dafür tun, dann kann das heute gegen uns sein. Draußen haben das bestimmt nicht viele gedacht, aber wir haben felsenfest dran geglaubt.“Diesen Glauben brachte Fortuna auf den Rasen. Sie lief als Mannschaft hervorrage­nde 124 Kilometer, wobei der überragend­e Kevin Stöger, Passgeber zu Dodi Lukebakios 1:0, mit 13,645 Kilometern einen Liga-Saisonreko­rd aufstellte. Die Düsseldorf­er warfen sich mit den kämpferisc­hen Vorbildern Matthias Zimmermann, Oliver Fink und Marcin Kaminski an der Spitze in jeden Schuss, was Ex-Nationalsp­ieler „Didi“Hamann bei Sky besonders heraushob: „Fortunas Leistung war für einen Aufsteiger absolut außergewöh­nlich.“

Zur Taktik gehörte aber auch, immer wieder die Chance nach vorn zu suchen, meist über den schnellen Lukebakio.„Das wussten wir, natürlich“, erklärt Favre. „Aber man kann es trotzdem nicht immer verhindern.“Zumindest dann nicht, wenn ein Gegner hundertpro­zentige Leidenscha­ft einbringt. Und dazu war Fortuna „gegen eine internatio­nale Topmannsch­aft“(Sobottka) bereit.

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FOTO: IMAGO Ratloser Tüftler: Dortmunds Trainer Lucien Favre sitzt nach dem 1:2 gedankenve­rsunken in der Düsseldorf­er Arena.
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FOTO: RTR Friedhelm Funkel

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