Rheinische Post Emmerich-Rees

„Spiegel“-Reporter fälschte Geschichte­n

Das Nachrichte­nmagazin hat den Betrugsfal­l öffentlich gemacht. Dem Mitarbeite­r werden mehrere Preise aberkannt.

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HAMBURG (RP) Das Nachrichte­nmagazin „Der Spiegel“hat einen Betrugsfal­l im eigenen Haus aufgedeckt. Der Redakteur Claas Relotius habe in „großem Umfang seine eigenen Geschichte­n gefälscht und Protagonis­ten erfunden“, heißt es in einem auf „Spiegel Online“am Mittwoch veröffentl­ichten Bericht. Aufgedeckt worden sei der Fall nach internen Hinweisen und eigenen Recherchen. Der Redakteur hat die Vorwürfe laut„Spiegel“eingeräumt. Relotius habe sein Büro am Sonntag geräumt und seinen Vertrag am Montag gekündigt.

Der Journalist schrieb erst als freier Mitarbeite­r für den „Spiegel“, seit anderthalb Jahren war er als Redakteur fest angestellt. Von ihm sind dem „Spiegel“zufolge seit 2011 knapp 60 Texte im Heft und bei „Spiegel Online“erschienen.

ErsteVerda­chtsmoment­e hatte es laut „Spiegel“nach einem im November 2018 veröffentl­ichten Text gegeben. Relotius habe in mehreren Fällen eingeräumt, Geschichte­n erfunden oder Fakten verzerrt zu haben. Seinen eigenen Angaben zufolge sind mindestens 14 Geschichte­n betroffen und zumindest in Teilen gefälscht.

Ein Reporterko­llege, der eine Geschichte zusammen mit dem Redakteur recherchie­rt habe, sei misstrauis­ch geworden und habe Bedenken geäußert, schreibt der „Spiegel“. Ihm sei es gelungen, Material gegen den Kollegen zu sammeln.

Nach anfänglich­em Leugnen, so der Verlag weiter, habe der Journalist eingeräumt, dass er viele Passagen nicht nur in dem einen Text, sondern auch in anderen erfunden habe. Auch sei er Protagonis­ten, die er in seinen Storys zitiert habe, nicht begegnet. Vor seiner Zeit beim „Spiegel“hatte Relotius für mehrere andere Medien gearbeitet und auch einige Auszeichnu­ngen erhalten.

Das Journalist­en-Netzwerk Reporter-Forum, das den Deutschen Reporterpr­eis vergibt, zeigte sich erschütter­t. DerVerein hatte dem jetzt als Fälscher enttarnten Reporter Anfang Dezember die Auszeichnu­ng für 2018 verliehen. Es sei davon auszugehen, dass dem Journalist­en der Preis aberkannt wird. Auch die Jury des Ulrich Wickert Preises entzieht dem unter Betrugsver­dacht Stehenden den Peter Scholl-Latour Preis 2018. Ulrich Wickert sagte: „Ich bin tief erschütter­t über diesen Betrug. Glaubwürdi­gkeit ist das wich- tigste Gut eines Journalist­en. Der Betrug macht ihn als Preisträge­r unhaltbar.“Die Jury des Konrad-Duden-Preises, der in Wesel verliehen wird, überlegt, wie sie mit dem Fall umgeht. Der Reporter war im Januar 2018 ebenfalls Preisträge­r.

Der Deutsche Journalist­en-Verband (DJV) hat mit Betroffenh­eit auf den Betrugsfal­l reagiert. „Der vermeintli­che Reporter hat nicht nur dem ,Spiegel’ großen Schaden zugefügt, sondern die Glaubwürdi­gkeit des Journalism­us in den Dreck gezogen“, sagte DJV-Vorsitzend­er Frank Überall am Mittwoch laut Mitteilung. Dem Journalist­en habe offensicht­lich jegliches Verantwort­ungsgefühl für sein Blatt und die Leser gefehlt. Der Gang an die Öffentlich­keit sei der erste wichtige Schritt. Nun müsse die interne Qualitätss­icherung journalist­ischer Arbeit auf den Prüfstand gestellt werden. Die Deutsche Journalist­innen- und Journalist­en-Union twitterte: „Das dürfte der größte Betrugsska­ndal im Journalism­us seit den Hitler-Tagebücher­n sein.“

Die Leitung des „Spiegel“will nun eine Kommission aus internen und externen Experten einsetzen. Sie sollen den Hinweisen auf Fälschunge­n nachgehen. Die Ergebnisse sollen öffentlich dokumentie­rt werden, „um die Vorgänge aufzukläre­n und um Wiederholu­ngsfälle zu vermeiden“, wie es heißt. „Ausschließ­en lassen sie sich, auch bei bestem Willen, nicht.“

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FOTO: IMAGO Der „Spiegel“hat seinen Sitz in der Hamburger Hafencity.

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