VW meldet neue Auffälligkeiten bei Abgassoftware
„hart“oder „weich“ausfällt, tritt dagegen etwas in den Hintergrund.
Italien ist der zweite Krisenherd in Europa. Droht eine neue Griechenland-Krise?
Schmidt In der Tat werden beim Ansteigen der Zinsen auf staatliche Schulden, die wir für Italien im ausklingenden Jahr gesehen haben, Erinnerungen an die Zeit zu Beginn der Krise im Euro-Raum wach. Doch der Euro-Raum ist heute auf Krisen in mancher Hinsicht besser vorbereitet als damals, etwa durch die Verstetigung des Europäischen Stabilitätsmechanismus. Andererseits ist Italien ungleich größer als Griechenland. Ich hoffe daher, dass die italienische Regierung ihren sehr konfrontativen Kurs gegenüber der Gemeinschaft der anderen EU-Mitgliedstaaten zurücknimmt.
Italien diskutiert, aus dem Euro auszutreten. Was wären die Folgen?
Schmidt Es ist sicher ratsam, hierbei Drohgebärden strikt von tatsächlichen Vorhaben zu unterscheiden. Die italienische Regierung dürfte kaum ernsthaftes Interesse an einem Austritt Italiens aus der EU haben. Das Beispiel des Vereinigten Königreichs zeigt doch eindrucksvoll, welche Nachteile mit einer Scheidung von der EU selbst ohne gemeinsame Währung verbunden sind. Dennoch liegt in der harschen Rhetorik der italienischen Regierung großer Zündstoff, und man kann für alle Beteiligten nur hoffen, dass die Situation nicht eskaliert.
Überall kehren Nationalismus und Protektionismus zurück. Mit immer neuen Zöllen versucht Trump, die US-Wirtschaft zu beschützen. Wie lange kann das gutgehen?
Schmidt Eine einseitige Zollerhöhung kann im Prinzip tatsächlich erfolgreich sein. Aber bei internationalen Handelskonflikten ist es wie beim Fußball: Die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft verkompliziert alles. Denn wenn die anderen Volkswirtschaften mit eigenen Zollerhöhungen reagieren, verlieren letztlich alle, weil dadurch die Möglichkeiten der internationalen Arbeitsteilung beschnitten werden. Und gerade in den USA dürfte es letztlich mehr Verlierer als Gewinner der aktuellen US-Handelspolitik geben.
Aber gelingt es Trump nicht, die US-Wirtschaft anzukurbeln?
Schmidt In der Tat sieht die kurzfristige Bilanz der großen US-Steuerreform von Ende 2017 recht positiv aus. So ist es gelungen, die laufende Wirtschaftsleistung noch weiter zu steigern, viel in Steueroasen geparktes Kapital wieder in die USA zurückzubringen und den Investitionsstandort USA attraktiver zu machen. Aber die langfristige Bilanz ist unsicher, denn die Staatsverschuldung wird ebenfalls weiter ansteigen – und das gerade zu einer Zeit der Hochkonjunktur – und über kurz oder lang Gegenmaßnahmen erfordern.
Welche Steuerreform in Deutschland muss jetzt kommen?
Schmidt Die Bundesregierung sollte dem internationalen Steuerwettbewerb nicht weiter mit Nichtbeachtung begegnen, sondern ihn annehmen. Schon jetzt ist Deutschland als Investitionsstandort weniger attraktiv, als es der Fall sein könnte. Um die Unternehmenssteuern investitionsfreundlicher zu gestalten, sollte der Solidaritätszuschlag vollständig abgeschafft werden. Im Gegensatz zur bislang geplanten Teilabschaffung würde damit auch unternehmerische Tätigkeit merklich entlas- tet. Zudem wäre es endlich an der Zeit, die Diskriminierung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital bei der Unternehmensbesteuerung zu beenden, durch eine Zinsbereinigung des Grundkapitals.
Zugleich debattiert Deutschland eine Rücknahme der Agenda 2010. Ist es Zeit für eine Reform?
Schmidt Zwar sollte jedes System der sozialen Sicherung und der Beschäftigungsförderung als lernendes System verstanden werden, dessen Schwachstellen im Zeitverlauf behoben werden sollten. Aber angesichts des aktuellen Rekordstands bei der Beschäftigung das Grundprinzip des Förderns und Forderns infrage zu stellen, halte ich für recht verantwortungslos. Es ist kaum vorstellbar, dass wir durch die Krise des vergangenen Jahrzehnts fast ohne jede Verwerfung am Arbeitsmarkt gekommen wären, hätte es die Agenda 2010 nicht gegeben.
Grünen-Chef Habeck fordert ein Bürgergeld - zwar nur für Bedürftige, aber ohne Zwang zur Arbeitsaufnahme. Was halten Sie davon?
Schmidt Ich halte das für weltfremd: Trotz des niedrigen Stands bei der Arbeitslosigkeit gibt es nach wie vor mehrere Hunderttausend Langzeit- arbeitslose, die man nicht einfach aufgeben sollte. Sie haben typischerweise gleich mehrere Vermittlungshemmnisse. Man sollte sie nicht mit einer bedingungslosen Alimentierung versehen und dann mit ihren Problemen alleinlassen, sondern sie noch stärker und individueller bei ihrer Rückkehr in den Arbeitsmarkt unterstützen. Aber gleichzeitig ist es richtig, klar zu formulieren, welche Gegenleistungen dafür von ihnen erwartet werden.
Viele Arbeitnehmer fühlen sich unzureichend am Boom beteiligt. Ist es nicht Zeit für höhere Löhne?
Schmidt Die Zeit der Lohnzurückhaltungen ist doch nachweislich bereits vorbei. Die Löhne in Deutschland steigen seit einiger Zeit recht kräftig, sogar stärker als in den beiden anderen Aufschwungphasen seit der Wiedervereinigung. Angesichts der ausgelasteten Kapazitäten der Volkswirtschaft dürfte das die Stabilität der Beschäftigung nicht gefährden. Somit ist aus ökonomischer Sicht auch überhaupt nichts dagegen zu sagen.
Finanzminister Scholz fordert, den Mindestlohn auf zwölf Euro anzuheben. Ist das im Boom möglich?
Schmidt Es kann doch nun wirklich nicht ratsam sein, den Mindestlohn auf ein Niveau zu heben, das in einem Abschwung die dann zwangsläufig zunehmenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt drastisch verschärfen würde. Denn den Mindestlohn wegen einer Konjunkturflaute zurückzunehmen, würde ja niemals gelingen. Darauf, dass der Aufschwung irgendwann enden könnte, sollte eine verantwortungsbewusste Wirtschaftspolitik vorbereitet sein.
(rky) Der VW-Konzern hat dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) „Auffälligkeiten“bei einer neuen Abgassoftware für Dieselautos gemeldet. Dies bestätigte das Unternehmen am Sonntag. Laut VW geht es um Dieselfahrzeuge mit 1,2 Liter-Motoren des Typs EA 189. Das Softwareupdate werde erst einmal nicht weiter aufgespielt und Anfang Januar analysiert und geprüft. Das erklärte ein Konzernsprecher. Laut „Bild am Sonntag“gehen KBA-Experten davon aus, dass eine unzulässige Abschaltvorrichtung eingebaut wurde. „Falls es zu erneuten Manipulationen kam, wäre das schlimm“, sagt der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer,„das würde bestätigen, dass Hardware-Umrüstungen sinnvoller sind als die sowieso umstrittenen Software-Updates.“Insgesamt scheinen rund 10.000 Autos der Marke Polo von dem neuen Problem betroffen zu sein, berichtet die „Bild am Sonntag“. Der Vorgang weckt Erinnerungen daran, wie der Abgas-Skandal begann: VW hatte in viele seiner Dieselwagen eine manipulierte Software eingebaut, die die Abgasreinigung beim Test durch Behörden uneingeschränkt laufen lässt und dann später drosselt, um die Verbrauchswerte des Kraftstoffes niedrig zu halten. Als Ergebnis sind die Abgase vieler VW-Dieselautos deutlich schmutziger als beim Verkauf versprochen worden waren – einer der Gründe für die nun drohenden Fahrverbote in vielen Städten Deutschlands.