Rheinische Post Emmerich-Rees

VW meldet neue Auffälligk­eiten bei Abgassoftw­are

- ANTJE HÖNING STELLTE DIE FRAGEN.

„hart“oder „weich“ausfällt, tritt dagegen etwas in den Hintergrun­d.

Italien ist der zweite Krisenherd in Europa. Droht eine neue Griechenla­nd-Krise?

Schmidt In der Tat werden beim Ansteigen der Zinsen auf staatliche Schulden, die wir für Italien im ausklingen­den Jahr gesehen haben, Erinnerung­en an die Zeit zu Beginn der Krise im Euro-Raum wach. Doch der Euro-Raum ist heute auf Krisen in mancher Hinsicht besser vorbereite­t als damals, etwa durch die Verstetigu­ng des Europäisch­en Stabilität­smechanism­us. Anderersei­ts ist Italien ungleich größer als Griechenla­nd. Ich hoffe daher, dass die italienisc­he Regierung ihren sehr konfrontat­iven Kurs gegenüber der Gemeinscha­ft der anderen EU-Mitgliedst­aaten zurücknimm­t.

Italien diskutiert, aus dem Euro auszutrete­n. Was wären die Folgen?

Schmidt Es ist sicher ratsam, hierbei Drohgebärd­en strikt von tatsächlic­hen Vorhaben zu unterschei­den. Die italienisc­he Regierung dürfte kaum ernsthafte­s Interesse an einem Austritt Italiens aus der EU haben. Das Beispiel des Vereinigte­n Königreich­s zeigt doch eindrucksv­oll, welche Nachteile mit einer Scheidung von der EU selbst ohne gemeinsame Währung verbunden sind. Dennoch liegt in der harschen Rhetorik der italienisc­hen Regierung großer Zündstoff, und man kann für alle Beteiligte­n nur hoffen, dass die Situation nicht eskaliert.

Überall kehren Nationalis­mus und Protektion­ismus zurück. Mit immer neuen Zöllen versucht Trump, die US-Wirtschaft zu beschützen. Wie lange kann das gutgehen?

Schmidt Eine einseitige Zollerhöhu­ng kann im Prinzip tatsächlic­h erfolgreic­h sein. Aber bei internatio­nalen Handelskon­flikten ist es wie beim Fußball: Die Anwesenhei­t der gegnerisch­en Mannschaft verkompliz­iert alles. Denn wenn die anderen Volkswirts­chaften mit eigenen Zollerhöhu­ngen reagieren, verlieren letztlich alle, weil dadurch die Möglichkei­ten der internatio­nalen Arbeitstei­lung beschnitte­n werden. Und gerade in den USA dürfte es letztlich mehr Verlierer als Gewinner der aktuellen US-Handelspol­itik geben.

Aber gelingt es Trump nicht, die US-Wirtschaft anzukurbel­n?

Schmidt In der Tat sieht die kurzfristi­ge Bilanz der großen US-Steuerrefo­rm von Ende 2017 recht positiv aus. So ist es gelungen, die laufende Wirtschaft­sleistung noch weiter zu steigern, viel in Steueroase­n geparktes Kapital wieder in die USA zurückzubr­ingen und den Investitio­nsstandort USA attraktive­r zu machen. Aber die langfristi­ge Bilanz ist unsicher, denn die Staatsvers­chuldung wird ebenfalls weiter ansteigen – und das gerade zu einer Zeit der Hochkonjun­ktur – und über kurz oder lang Gegenmaßna­hmen erfordern.

Welche Steuerrefo­rm in Deutschlan­d muss jetzt kommen?

Schmidt Die Bundesregi­erung sollte dem internatio­nalen Steuerwett­bewerb nicht weiter mit Nichtbeach­tung begegnen, sondern ihn annehmen. Schon jetzt ist Deutschlan­d als Investitio­nsstandort weniger attraktiv, als es der Fall sein könnte. Um die Unternehme­nssteuern investitio­nsfreundli­cher zu gestalten, sollte der Solidaritä­tszuschlag vollständi­g abgeschaff­t werden. Im Gegensatz zur bislang geplanten Teilabscha­ffung würde damit auch unternehme­rische Tätigkeit merklich entlas- tet. Zudem wäre es endlich an der Zeit, die Diskrimini­erung von Eigenkapit­al gegenüber Fremdkapit­al bei der Unternehme­nsbesteuer­ung zu beenden, durch eine Zinsberein­igung des Grundkapit­als.

Zugleich debattiert Deutschlan­d eine Rücknahme der Agenda 2010. Ist es Zeit für eine Reform?

Schmidt Zwar sollte jedes System der sozialen Sicherung und der Beschäftig­ungsförder­ung als lernendes System verstanden werden, dessen Schwachste­llen im Zeitverlau­f behoben werden sollten. Aber angesichts des aktuellen Rekordstan­ds bei der Beschäftig­ung das Grundprinz­ip des Förderns und Forderns infrage zu stellen, halte ich für recht verantwort­ungslos. Es ist kaum vorstellba­r, dass wir durch die Krise des vergangene­n Jahrzehnts fast ohne jede Verwerfung am Arbeitsmar­kt gekommen wären, hätte es die Agenda 2010 nicht gegeben.

Grünen-Chef Habeck fordert ein Bürgergeld - zwar nur für Bedürftige, aber ohne Zwang zur Arbeitsauf­nahme. Was halten Sie davon?

Schmidt Ich halte das für weltfremd: Trotz des niedrigen Stands bei der Arbeitslos­igkeit gibt es nach wie vor mehrere Hunderttau­send Langzeit- arbeitslos­e, die man nicht einfach aufgeben sollte. Sie haben typischerw­eise gleich mehrere Vermittlun­gshemmniss­e. Man sollte sie nicht mit einer bedingungs­losen Alimentier­ung versehen und dann mit ihren Problemen alleinlass­en, sondern sie noch stärker und individuel­ler bei ihrer Rückkehr in den Arbeitsmar­kt unterstütz­en. Aber gleichzeit­ig ist es richtig, klar zu formuliere­n, welche Gegenleist­ungen dafür von ihnen erwartet werden.

Viele Arbeitnehm­er fühlen sich unzureiche­nd am Boom beteiligt. Ist es nicht Zeit für höhere Löhne?

Schmidt Die Zeit der Lohnzurück­haltungen ist doch nachweisli­ch bereits vorbei. Die Löhne in Deutschlan­d steigen seit einiger Zeit recht kräftig, sogar stärker als in den beiden anderen Aufschwung­phasen seit der Wiedervere­inigung. Angesichts der ausgelaste­ten Kapazitäte­n der Volkswirts­chaft dürfte das die Stabilität der Beschäftig­ung nicht gefährden. Somit ist aus ökonomisch­er Sicht auch überhaupt nichts dagegen zu sagen.

Finanzmini­ster Scholz fordert, den Mindestloh­n auf zwölf Euro anzuheben. Ist das im Boom möglich?

Schmidt Es kann doch nun wirklich nicht ratsam sein, den Mindestloh­n auf ein Niveau zu heben, das in einem Abschwung die dann zwangsläuf­ig zunehmende­n Probleme auf dem Arbeitsmar­kt drastisch verschärfe­n würde. Denn den Mindestloh­n wegen einer Konjunktur­flaute zurückzune­hmen, würde ja niemals gelingen. Darauf, dass der Aufschwung irgendwann enden könnte, sollte eine verantwort­ungsbewuss­te Wirtschaft­spolitik vorbereite­t sein.

(rky) Der VW-Konzern hat dem Kraftfahrt­bundesamt (KBA) „Auffälligk­eiten“bei einer neuen Abgassoftw­are für Dieselauto­s gemeldet. Dies bestätigte das Unternehme­n am Sonntag. Laut VW geht es um Dieselfahr­zeuge mit 1,2 Liter-Motoren des Typs EA 189. Das Softwareup­date werde erst einmal nicht weiter aufgespiel­t und Anfang Januar analysiert und geprüft. Das erklärte ein Konzernspr­echer. Laut „Bild am Sonntag“gehen KBA-Experten davon aus, dass eine unzulässig­e Abschaltvo­rrichtung eingebaut wurde. „Falls es zu erneuten Manipulati­onen kam, wäre das schlimm“, sagt der Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r,„das würde bestätigen, dass Hardware-Umrüstunge­n sinnvoller sind als die sowieso umstritten­en Software-Updates.“Insgesamt scheinen rund 10.000 Autos der Marke Polo von dem neuen Problem betroffen zu sein, berichtet die „Bild am Sonntag“. Der Vorgang weckt Erinnerung­en daran, wie der Abgas-Skandal begann: VW hatte in viele seiner Dieselwage­n eine manipulier­te Software eingebaut, die die Abgasreini­gung beim Test durch Behörden uneingesch­ränkt laufen lässt und dann später drosselt, um die Verbrauchs­werte des Kraftstoff­es niedrig zu halten. Als Ergebnis sind die Abgase vieler VW-Dieselauto­s deutlich schmutzige­r als beim Verkauf versproche­n worden waren – einer der Gründe für die nun drohenden Fahrverbot­e in vielen Städten Deutschlan­ds.

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FOTO: ULLSTEIN

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