Rheinische Post Emmerich-Rees

Sehnsuchts­ort wird zur neuen Heimat

Inge Becker-Boost hat mit ihrer Familie ein Hotel auf Sansibar eröffnet. Die Insel ist für sie zur zweiten Heimat geworden. Das „Boutique Hotel Matlai“zählt dort zu den Top-Adressen.

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Weihnachte­n dort verbringen, wo der Pfeffer wächst, wo Vanille und Muskatnuss gedeihen? An einem Sehnsuchts­ort mit traumhafte­n Stränden – also auf Sansibar? Inge Becker-Boost kann sich nichts Schöneres vorstellen. Für die Rheinberge­rin ist die Insel im Indischen Ozean zur zweiten Heimat geworden, in der sie mit ihrem Sohn erfolgreic­h ein Hotel führt. Das„Boutique Hotel Matlai“. Reiseporta­le zählen die Anlage zu den ersten Adressen im Land.

Inge Becker-Boosts Weg vor die Ostküste Afrikas war beileibe nicht vorgezeich­net: Die gebürtige Duisburger­in war Lehrerin für Pflegeberu­fe. Aber eines Tages waren die Kinder aus dem dann zu großen Haus. „Und nachdem ich daran gewöhnt war, mehr in der Natur zu leben, gefiel es mir in der Großstadt nicht mehr“, erinnert sie sich. Mit ihrem Mann suchte sie etwas Neues. Stadtnah, aber auf dem Land. In Rheinberg wurden sie fündig: „In unser Haus in Vierbaum habe ich mich spontan verliebt. Wir wohnen jetzt hier seit fünf Jahren und sind immer noch total begeistert“.

Aber Inge Becker-Boost war nie Stubenhock­erin: „Reisen war für mich schon immer lebenswich­tig: Nachdem wir mit den kleineren Kindern Europa kreuz und quer bereist hatten, waren wir jahrelang unterwegs in Süd-Ost Asien, das ich immer noch liebe.“

Und dann kam Afrika: „Als wir 2004 Äthiopien besuchten, hat meinen Mann und mich das Afrika-Fieber gepackt. Danach waren wir in verschiede­nen Ländern. Zum Beispiel auf Fahrradtou­r im Senegal. Und zuletzt, 2008, in Kamerun und in der Zentralafr­ikanischen Republik (ZAR), im Naturschut­zgebiet Dzanga Shanga mitten im Dschungel. Das ist für mich das Paradies“, schwärmt Inge Becker-Boost. Aber Kamerun am Strand war auch sehr schön. „Als wir nach unserer Rückkehr unserem Sohn davon erzählt haben, hat er spontan gesagt: ,Ein Hotel am Strand wäre mein Traum‘ – und ich dachte: warum nicht“.

Nach aufwändige­r und teils frustriere­nder Suche im Internet, wrude sie schließlic­h fündig: „Eigentlich wollte ich auf dem Festland Tansania bleiben, aber der Makler hat mich überredet, nach Sansibar zu fliegen. Das ist ja nur ein 20-Minuten-Flug. Zurück in Deutschlan­d mit vielen Bildern von türkisblau­em Meer und weißen Stränden war die ganze Familie überzeugt: Sansibar ist der richtige Ort. Ich war dann noch zwei Mal dort, teilweise mit meinem Mann, habe hier dann 2009 das Grundstück gefunden und gekauft.

Bis 2011 bin ich regelmäßig hier gewesen zur Firmengrün­dung, für die Abwicklung des Kaufs und für alle Genehmigun­gen. Ein hartes Stück Arbeit. 2011 war Baubeginn, 2012 haben wir das erste Haus eröffnet. Mein Sohn Tim, der – nach einer vorherigen Hotelausbi­ldung – im Herbst 2011 mit seinem Studium „Tourismus und Event Management“fertig war, ist mir nach Sansibar gefolgt. Mein Mann (Onkologe) hat seine Praxis in Deutschlan­d verkauft und als Vertretung­sarzt gearbeitet, um flexibler zu sein und häufiger nach Sansibar kommen zu können. Daher fliege ich auch alle zwei bis drei Monate nach Deutschlan­d.“

Tim und seine Mutter führen das Hotel gemeinsam, zu- sammen mit 40 Angestellt­en. „Wichtig ist für uns eine sehr persönlich­e Betreuung der Gäste, die das sehr genießen. Leider ist die Schulbildu­ng in Sansibar sehr schlecht, es gibt kaum ausgebilde­tes Personal. Trotzdem versuchen wir, unsere Angestellt­en zuerst aus unserem Dorf zu gewinnen, dann von der Insel und als letztes vom Festland Tansania.Wegen der schlechten Englischke­nntnisse vieler Sansibari kommen unsere Butler vom Festland, aber alle anderen, auch die Köche, sind von der Insel.“Das sei ihnen wichtig, da Arbeitslos­igkeit dort ein großes Problem sei. „Die Ausbildung der Angestellt­en erfolgt größtentei­ls durch uns – wir haben selbst auch viel gelernt. Wir haben einen Englischle­hrer engagiert für alle Interessie­rten, viele unserer Angestellt­en sind von Anfang an dabei gewesen und haben das Hotel mit aufgebaut.“

Manchmal passen die typisch deutsche Gründlichk­eit und die etwas lockere Sichtweise der Einheimisc­hen nicht so gut zusammen: An„pole pole“, also „langsam, langsam“, an „Hakuna Matata“also „kein Problem“und an „baadaye“was „später“bedeutet musste sich die Familie gewöhnen. Ständige Kontrollen sind mehr als notwendig, um den hohen Standard zu halten. Vieles mussten die Leute hier mühsam lernen, zum Beispiel Fensterput­zen, erzählt die Auswanderi­n. Denn auf Sansibar haben die meisten keine Glasscheib­en. Oder dass man den Müll nicht vor die Türe fegt und auch nicht über die Mauer zum Nachbarn oder ins Meer wirft – was in den Dörfern so üblich ist.

„In unserer Dorf Michamvi haben wir einen guten Kontakt, wir unterstütz­en die Menschen dort regelmäßig. Statten beispielsw­eise die Ambulanz mit Geräten und Medikament­en aus, helfen der Schule durch den Bau von Toiletten“, sagt die Rheinberge­rin. „Im Dorf haben wir eine Abfallsamm­elstelle eingericht­et, denn eine öffentlich­e Müllabfuhr gibt es nicht. Wir zahlen für den regelmäßig­en Abtranspor­t des Mülls und anderes mehr.“

Die gesundheit­liche Versorgung sei sehr schlecht; es gibt mittlerwei­le ein paar ausländisc­he Ärzte, viele sind Inder. Aber falls man eine ernsthafte Erkrankung hat, muss man die Insel verlassen.„Daher war auch immer klar, dass wir unsere Zelte in Deutschlan­d nicht abbrechen. Ein weiterer Grund ist, dass es hier kaum kulturelle Angebote gibt, dabei gehe ich so gerne in Kino, Theater, Kabarett.“

Und nun – Weihnachte­n. Von den Einheimisc­hen wird es nicht gefeiert, die Insel ist zu rund 97 Prozent muslimisch. „Wir dekorieren die Häuser ein bisschen – wobei unsere Angestellt­en schon mal OsterundWe­ihnachtsde­ko verwechsel­t haben“, berichtet Inge Becker-Boost schmunzeln­d.

Die meisten ihrer Gäste kommen übrigens nach Sansibar, weil sie Weihnachte­n nicht feiern möchten. Trotzdem gibt es im Hotel Matlai ein mehrgängig­es Weihnachts­menü, allerdings nicht mit den typischen europäisch­en Gerichten. Aber auf Wunsch mit Deko und einem Tannenbaum aus Holz – auf Sansibar gibt es nämlich keine Nadelbäume außer den Kasuarinen, aber die fangen schon nach drei Tagen an zu nadeln. Rainer Kaußen

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 ??  ?? Mit vereinten Kräften: Inge Becker-Boosts Mann hilft beim Aufstellen einer Palme.
Mit vereinten Kräften: Inge Becker-Boosts Mann hilft beim Aufstellen einer Palme.

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