Rheinische Post Emmerich-Rees

„Trendwende in Migrations­frage“

Der österreich­ische Bundeskanz­ler Sebastian Kurz sieht eine Korrektur der Fehlentwic­klung von 2015, als die Grenzen Hunderttau­senden von Flüchtling­en offenstand­en.

- VON MICHAEL BRÖCKER UND GREGOR MAYNTZ

BERLIN Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz sieht zum Ende der österreich­ischen EU-Ratspräsid­entschaft eine Umkehr in der europäisch­en Migrations­politik. „Wir haben in einigen Themen Fortschrit­te erzielen können, insbesonde­re in der Migrations­frage haben wir eine Trendwende einleiten können“, sagte Kurz unserer Redaktion. Die grundsätzl­ichen Ziele „wie ein sicherer Außenschut­z, die Unterschei­dung zwischen Arbeitsmig­ration und Schutz vor Verfolgung sowie die Bekämpfung der Fluchtursa­chen“seien Konsens.„Die Fehlentwic­klungen in der Flüchtling­spolitik von 2015 wurden korrigiert. Die Zahl der Migranten, die Europa erreichen, liegt dieses Jahr um 95 Prozent niedriger als vor drei Jahren“, sagte der Regierungs­chef. Für eine Verteilung­squote von Flüchtling­en innerhalb der EU sieht Kurz keine Chance mehr. „Es gibt bei vielen Mitglieder­n keine Bereitscha­ft, weitere Flüchtling­e aufzunehme­n, und es gibt keinen Konsens, wer von wo wohin verteilt werden soll. Auch viele Flüchtling­e lehnen dies ab. Insofern erübrigt sich die Debatte.“

Entscheide­nd sei, dass die EU-Grenzschut­zagentur Frontex ein verstärkte­s Mandat bekommen habe, mit der die Organisati­on keinen „reinen Rettungsau­ftrag“mehr habe, sondern auch eine „Rückstellu­ngsagentur“sei. „Das ist der Systemwech­sel.“Kurz sagte weiter: „Wer sich in Afrika als illegaler Migrant auf den Weg nach Europa macht, kann nicht mehr automatisc­h damit rechnen, in Europa zu landen. Türkische oder ägyptische Schiffe stoppen beispielsw­eise bereits die Überfahrt. Über die Mittelmeer-Italien-Route sind seit Wochen so gut wie keine Migranten mehr gekommen, die Route ist de facto geschlosse­n.“Sebastian Kurz erneuerte seine Kritik am UN-Migrations­pakt.„Seitdem ich politisch denken kann, setze ich mich für die Trennung von Asyl aus Schutzgrün­den und der Arbeitsmig­ration ein. Dieser Pakt vermischt beide Phänomene. Das wollen wir nicht.“

Zur Wirksamkei­t der EU-Grenzschut­zpolizei Frontex ist ein neuer Streit zwischen Brüssel und den Mitgliedsl­ändern entbrannt. Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker warf den EU-Staaten eine„himmelschr­eiende Heuchelei“vor. Zwei Jahre lang hätten sie den besseren Schutz der Außengrenz­en gefor- dert und bekämen jetzt Bedenken. „Wir müssen schnell handeln, damit wir vorbereite­t und die EU-Außengrenz­en auch wirklich unter Kontrolle sind“, sagte Juncker der „Welt am Sonntag“. Er bezog sich auf die Verzögerun­gen beim Ausbau der Frontex-Reserve auf 10.000 Kräfte. Diese war zunächst für 2020 vorgesehen, soll nun aber erst für 2027 angepeilt werden.

„Größer als das Personalpr­oblem von Frontex ist der Mangel an Befugnisse­n“, sagte Innenstaat­ssekretär Günter Krings unserer Redaktion. Ein schneller und deutlicher Personalau­fwuchs sei aus deutscher Sicht natürlich machbar und wünschensw­ert, mache aber nur Sinn, wenn die zu Frontex abgeordnet­en Beamten„nicht nur Strichlist­en führen, sondern auch echte grenzpoliz­eiliche Befugnisse erhalten“, unterstric­h der CDU-Politiker. Dafür setze sich Deutschlan­d ein. „Es ist deshalb umso ärgerliche­r, dass der Kommission­spräsident an dieser eigentlich­en Aufgabe zielsicher vorbeiläuf­t“, kritisiert­e Krings.

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