„Trendwende in Migrationsfrage“
Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz sieht eine Korrektur der Fehlentwicklung von 2015, als die Grenzen Hunderttausenden von Flüchtlingen offenstanden.
BERLIN Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sieht zum Ende der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft eine Umkehr in der europäischen Migrationspolitik. „Wir haben in einigen Themen Fortschritte erzielen können, insbesondere in der Migrationsfrage haben wir eine Trendwende einleiten können“, sagte Kurz unserer Redaktion. Die grundsätzlichen Ziele „wie ein sicherer Außenschutz, die Unterscheidung zwischen Arbeitsmigration und Schutz vor Verfolgung sowie die Bekämpfung der Fluchtursachen“seien Konsens.„Die Fehlentwicklungen in der Flüchtlingspolitik von 2015 wurden korrigiert. Die Zahl der Migranten, die Europa erreichen, liegt dieses Jahr um 95 Prozent niedriger als vor drei Jahren“, sagte der Regierungschef. Für eine Verteilungsquote von Flüchtlingen innerhalb der EU sieht Kurz keine Chance mehr. „Es gibt bei vielen Mitgliedern keine Bereitschaft, weitere Flüchtlinge aufzunehmen, und es gibt keinen Konsens, wer von wo wohin verteilt werden soll. Auch viele Flüchtlinge lehnen dies ab. Insofern erübrigt sich die Debatte.“
Entscheidend sei, dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex ein verstärktes Mandat bekommen habe, mit der die Organisation keinen „reinen Rettungsauftrag“mehr habe, sondern auch eine „Rückstellungsagentur“sei. „Das ist der Systemwechsel.“Kurz sagte weiter: „Wer sich in Afrika als illegaler Migrant auf den Weg nach Europa macht, kann nicht mehr automatisch damit rechnen, in Europa zu landen. Türkische oder ägyptische Schiffe stoppen beispielsweise bereits die Überfahrt. Über die Mittelmeer-Italien-Route sind seit Wochen so gut wie keine Migranten mehr gekommen, die Route ist de facto geschlossen.“Sebastian Kurz erneuerte seine Kritik am UN-Migrationspakt.„Seitdem ich politisch denken kann, setze ich mich für die Trennung von Asyl aus Schutzgründen und der Arbeitsmigration ein. Dieser Pakt vermischt beide Phänomene. Das wollen wir nicht.“
Zur Wirksamkeit der EU-Grenzschutzpolizei Frontex ist ein neuer Streit zwischen Brüssel und den Mitgliedsländern entbrannt. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warf den EU-Staaten eine„himmelschreiende Heuchelei“vor. Zwei Jahre lang hätten sie den besseren Schutz der Außengrenzen gefor- dert und bekämen jetzt Bedenken. „Wir müssen schnell handeln, damit wir vorbereitet und die EU-Außengrenzen auch wirklich unter Kontrolle sind“, sagte Juncker der „Welt am Sonntag“. Er bezog sich auf die Verzögerungen beim Ausbau der Frontex-Reserve auf 10.000 Kräfte. Diese war zunächst für 2020 vorgesehen, soll nun aber erst für 2027 angepeilt werden.
„Größer als das Personalproblem von Frontex ist der Mangel an Befugnissen“, sagte Innenstaatssekretär Günter Krings unserer Redaktion. Ein schneller und deutlicher Personalaufwuchs sei aus deutscher Sicht natürlich machbar und wünschenswert, mache aber nur Sinn, wenn die zu Frontex abgeordneten Beamten„nicht nur Strichlisten führen, sondern auch echte grenzpolizeiliche Befugnisse erhalten“, unterstrich der CDU-Politiker. Dafür setze sich Deutschland ein. „Es ist deshalb umso ärgerlicher, dass der Kommissionspräsident an dieser eigentlichen Aufgabe zielsicher vorbeiläuft“, kritisierte Krings.
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