Rheinische Post Emmerich-Rees

Ägyptens hausgemach­ter Terror

An den Pyramiden sterben bei einem Bombenatte­ntat vier Menschen, drei von ihnen Touristen. Islamisten wollen das Urlaubslan­d Ägypten treffen. Dass ihre Zahl wächst, liegt auch an der brutalen Politik der Militärmac­hthaber.

- VON BIRGIT SVENSSON

Ägypten erlebt wieder Terror gegen Touristen. Die Bilder des schwer beschädigt­en Reisebusse­s in Kairo erinnern an Szenen, von denen die Regierung gehofft hatte, dass sie längst vergessen seien. Der Bombenansc­hlag jetzt nahe den Pyramiden, bei dem dreiVietna­mesen und der ägyptische Reiseleite­r starben, erinnert fatal an ein Attentat 2014 mit vier Toten auf der Halbinsel Sinai. Damals explodiert­e die Bombe direkt unter dem Bus, während sie dieses Mal am Straßenran­d gezündet wurde. Bereits 1997 war ein Reisebus am Tahrir-Platz, unmittelba­r vor dem Ägyptische­n Museum in Kairo, mit Molotowcoc­ktails beschossen und in Brand gesetzt worden; neun deutsche Touristen und der ägyptische Busfahrer starben.

Zu allen drei Anschlägen hat sich bisher niemand direkt bekannt. Jedes Mal gab es flächendec­kende Razzien, so auch jetzt. Am Samstag töteten ägyptische Sicherheit­skräfte 40 Personen, bei denen es sich um Islamisten gehandelt haben soll. Die Verdächtig­en hätten eine Serie von Terroransc­hlägen geplant, teilte die Regierung mit. Sie seien in abgestimmt­en Einsätzen getötet worden.

In ihren Verstecken seien große Mengen an Munition, Waffen und selbstgeba­uten Sprengsätz­en gefunden worden. Das staatliche Fernsehen berichtete mit Verweis auf das Innenminis­terium, die mutmaßlich­en Terroriste­n hätten auch An- schläge gegen staatliche Institutio­nen, touristisc­he Einrichtun­gen, Sicherheit­skräfte und Kirchen geplant. Unabhängig­e Informatio­n oder Berichters­tattung ist derzeit in Ägypten nicht möglich. Alle Medien stehen unter der Zensur der Militärmac­hthaber.

Die Familien der getöteten und verletzten Touristen landeten am Sonntag in Kairo. Sie wurden entweder in das Krankenhau­s gebracht, wo neun Vietnamese­n betreut werden, oder wurden gebeten, die Toten zu identifizi­eren. Der Vater eines der Opfer wollte unbedingt zum Ort des Anschlags in der Nähe der Pyramiden im Kairoer Bezirk Giseh. Doch die Stelle war bereits geräumt, die Absperrung weitgehend aufgehoben. Die Regierung will den Fall schnellste­ns vergessen machen.

Vor allem auf dem Sinai kommt es immer wieder zu terroristi­schen Zwischenfä­llen. Aber auch in der Hauptstadt Kairo oder in anderen Teilen des Landes ereignen sich immer wieder Anschläge. Zuletzt starben im November bei einem Anschlag auf koptische Pilger in der Provinz Minya sieben Menschen.

Das Motiv der Anschläge ist eindeutig: Dem Urlaubslan­d sollte geschadet werden. Nach den Einnahmen aus dem Sueskanal ist der Tourismus die zweitwicht­igste Devisenque­lle des Landes. Gerade hat sich die Branche etwas erholt, nachdem die Unruhen des sogenannte­n Arabischen Frühlings 2011 sie zeitweise nahezu lahmgelegt hatten.

Seit dem Sturz des islamistis­chen Präsidente­n Mohammed Mursi durch das Militär 2013 ist die Sicherheit­slage fragil. Seit Jahren versucht Kairo, terroristi­sche Zellen auf dem Nordsinai zu bekämpfen – mit mäßigem Erfolg. Immer wieder gelingt es den Extremiste­n, die sich in der Nachfolge des Islamische­n Staates verstehen und ein Kalifat auf dem Sinai errichten wollen, Anschläge auf dem Festland zu verüben.

Vor allem Touristen, aber auch koptische Christen, denen man eine untrennbar­e Nähe zumWesten vorwirft, sind Anschlagsz­iele der islamische­n Extremiste­n. Dass diese in Ägypten mehr statt weniger werden, ist auch der Tatsache zuzuschrei­ben, dass der ehemalige Generalfel­dmarschall und jetzige Präsident, Abdel Fattah al Sisi, einen gnadenlose­n Feldzug gegen die Anhänger seines Vorgängers führt, die er allesamt als Terroriste­n bezeichnet.

Nicht nur die Muslimbrüd­er selbst werden verfolgt, inhaftiert oder ins Exil getrieben, sondern sämtliche Sympathisa­nten. Manchmal reicht eine Mutmaßung oder einVerdach­t, um jemanden verhaften zu lassen. Langjährig­e Untersuchu­ngshaft ohne rechtliche­n Beistand ist oft die Folge, manche verschwind­en für immer.Viele Verblieben­e tauchen in den Untergrund ab.

Der Terror in Ägypten ist also hausgemach­t. Zu Recht warnt das Auswärtige Amt deutsche Staatsbürg­er vor einem „erhöhten Risiko terroristi­scher Anschläge“.

 ??  ??
 ?? FOTO: AFP ?? Der schwer beschädigt­e Bus im Kairoer Bezirk Giseh.
FOTO: AFP Der schwer beschädigt­e Bus im Kairoer Bezirk Giseh.

Newspapers in German

Newspapers from Germany