Rheinische Post Emmerich-Rees

Der Weimar-„Tatort“schafft sich ab

Uninspirie­rt wäre noch übertriebe­n: Lessing und Dorn witzeln sich mit halbgaren Gags durch einen Western-Park.

- VON TOBIAS JOCHHEIM

WEIMAR Dustin Loose, der Regisseur dieses Films, hätte recht mit seiner Schwärmere­i von „unerhörten Plot-Twists, schillernd­en Figuren und einem scharfkant­igen Sprachwitz“– wenn, ja wenn er sich exklusiv auf die ersten Auftritte von Lessing und Dorn bezöge. Die ersten fünf Folgen mit Christian Ulmen und Nora Tschirner als Weimarer Ermittler-Paar waren nicht nur radikal anders, sondern dabei tatsächlic­h oft gut bis großartig, dem lässigen Umgang mit dem prächtigen inhaltlich­en wie sprachlich­en Wahnsinn sei Dank. Danach aber ist etwas gekippt. Was genau, wäre zugegebene­rmaßen reine Spekulatio­n. Fakt allerdings ist: Für die Folgen eins bis fünf ließ man sich vier Jahre Zeit – in den gut zwölf Monaten seitdem aber liefen gleich drei weitere vom Fließband über den Sender. Diese Hast blieb nicht folgenlos. Bislang hat der Autor dieses Textes das Autoren-Duo Claus-Henric „Murmel“Clausen und Andreas Pflüger stets tapfer gegen seine vielen Kritiker verteidigt – doch von der Frische ihres Weimarer Frühwerks ist leider nur wenig bis nichts übrig geblieben.

Verloren gegangen sind im Einzelnen: das Genre, also die Balance aus Krimi, Krimi-Parodie und Parodie auch jener Parodie. Das Setting, nämlich jenes einst gekonnt kon- struierte, entrückt-surreale Parallelun­iversum. Der Sound, sprich die teils orgiastisc­he Zelebrieru­ng des Wahnsinns. Und die famosen Figuren vom liebestoll­en Schupo Lupo über den verstrahlt­en Kripo-Boss („Ich glaub’, mein Hering hupt!“) bis hin zum Personal der einzelnen Fälle – schönen Gruß an die rabiate Omi mit der Armbrust sowie an den einbeinige­n Ringo, genannt „Flamingo“.

Team Weimar geht durch eine Identitäts­krise. Offenbar will es mehr sein als es ist, spannender, härter – und wird damit bloß belanglose­r. Die etablierte­n Gags werden nicht mehr abgefeuert, sondern in immer neuen Variatione­n abgenudelt wie in der Vorabend-Comedy-Hölle. Das Ende ist nah. Theoretisc­h. Praktisch ist ein neunter Fall bereits abgedreht.

Im aktuellen achten Film, „Der höllische Heinz“, kommt es nicht so schlimm wie im Februar, als Dorn zwischen Wortwitzch­en und einer verstörend brutalen Schlägerei knapp einerVerge­waltigung entkommt (!), während Lessing ihretwille­n um ein Haar zum Mörder wird, und beide am Ende actionheld­enhaft ironiefrei der Sprengung eines Steinbruch­s entkommen. Aber das ist ein schwacher Trost.

Für den aktuellen Fall interessie­ren sich augenschei­nlich selbst die Hauptdarst­eller kaum, deshalb auch von uns nur zwei Sätze dazu: Stellen Sie sich einen Münster-„Tatort“in

einem Wildwest-Park vor, und zwar einen schlechten. Mit Figuren, die keine drollig durchgekna­llten Typen, sondern bloß wandelnde Stereotype sind, mit obligatori­schem Undercover-Einsatz und Schwiegerm­utter-Witzen.

So verkatert kann man auch an Neujahr kaum sein.

„Tatort: Der höllische Heinz“, Das Erste, Di., 20.15 Uhr

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FOTO: ARD Zwei wie Pech und Schwefel: Die Ermittler Lessing (Christian Ulmen) und Dorn (Nora Tschirner).

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