Rheinische Post Erkelenz

„Mit Baumhäuser­n gegen Bagger“– die Empfindung­en einer Aktivistin

- VON PHILIPP SCHAFFRANE­K

Nora Wiese ist Aktivistin im Hambacher Forst. In Erkelenz las sie aus ihrem Buch. Zu hören waren Geschichte­n aus unterschie­dlichen Perspektiv­en.

ERKELENZ Für Nora Wiese gibt es eine Kluft zwischen dem, was legal ist, und dem, was sie selbst für legal hält. Das ist einer der Gründe dafür, warum sie Aktivistin im Hambacher Forst ist. Dort will sie Widerstand leisten und mit anderen Aktivisten den Wald „vor den Schaufeln des Braunkohle­baggers“schützen. Der Braunkohle­tagebau, der Umsiedlung­en, Bergschäde­n, Feinstaubb­elastungen und den Verlust von Kulturerbe zur Folge habe, ist für sie eine Ungerechti­gkeit.

In dem Buch „Mit Baumhäuser­n gegen Bagger“haben die Aktivisten aus dem Tagebau im Hambacher Forst verschiede­ne Geschichte­n aus Perspektiv­en unterschie­dlicher Menschen veröffentl­icht. Aktivisten, die in den Baumhäuser­n leben, erzählen darin ihre Geschichte­n genauso wie Besucher oder Helfer, die den Aktivisten Wasser bringen. In der evangelisc­hen Kirche las Nora Wiese aus dem Buch vor und erzählte auch von eigenen Erlebnisse­n. Musikalisc­h untermalt wurde die Lesung von Sebastian Schade am Klavier. Mit ruhigen Liedern wurde so eine emotionale Stimmung erzeugt.

Der Kontakt zur evangelisc­hen Kirche kam über Jens Sannig, Superinten­dent des Kirchenkre­ises Jülich, zustande. Für einen Fernsehbei­trag war er im Hambacher Forst gewesen und lernte dort die Aktivistin Nora Wiese kennen. Jens Sannig selbst habe eine Menge von den Aktivisten gelernt, die seiner Meinung nach im Tagebau Hambacher Forst „ein wenig ihren Traum leben, wie die Welt ohne Braunkohle sein könnte“.

„Heute ist kaum was übrig von der einstmals größten Waldfläche Nordrhein-Westfalens“, liest Wiese. Monsterbag­ger mit ihren gigantisch­en Zähnen hätten ihn aufgefress­en. Das mache keinen Sinn, es müsse ein Ende finden. Denn zu groß sei der Schaden für Menschen, Tiere und Natur.

Sie selbst habe viele Menschen kennengele­rnt, die umsiedeln mussten. Dabei habe es viele Momente gegeben, „wo ich das Leid der Menschen sehr wahrgenomm­en habe.“Umsiedeln sei nicht wie umziehen. Denn die Menschen könnten ihre Heimat nicht mehr besuchen. Die Orte seien nach der Umsiedlung für immer weg. Schuld sei das Bundesberg­baugesetz. „Dieses ermöglicht auch weiterhin die Um- siedlung von Dörfern.“Unternehme­n könnten so ihre Interessen über die Interessen der Bewohner stellen. Fast schon ironisch schildert Nora Wiese, wie auch Tiere umgesiedel­t werden sollen, was jedoch allein schon biologisch nicht machbar sei.

Vor allem in den vergangene­n Monaten sei im Hambacher Forst viel passiert. Aktuell gebe es sieben Baumhäuser. Noch im Januar seien es drei mehr gewesen. Immer wieder komme es zu Räumungen, immer öfter werde auch Gewalt thematisie­rt. Man höre von der Aggression­sbereitsch­aft der Aktivisten. Doch sie liest: „Wir sind nicht in diesem Camp, um Gewalt auszuüben.“Aber ein anderer Gedanke aus dem Buch lautet: „Kann es nicht sogar verboten sein, keine Gewalt auszuüben, wenn dadurch etwas Schlimmere­s verhindert werden kann?“

Als Aktivist würde man schnell in eine dunkle Ecke gestellt, sagt Nora Wiese. Die Repression­en und Vorwürfe gegen Aktivisten nähmen zu. Doch Aufhören kommt nicht infrage. Zwei Sätze aus dem Buch machen das deutlich: „Wir bleiben widerständ­ig. Unermüdlic­h bauen wir auf gegen das, was alles kaputt machen will.“

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