Rheinische Post Erkelenz

Rassistisc­he Attacken auf Theatermac­her

- VON DOROTHEE KRINGS

Die Angriffe reichen von Hasskampag­nen im Internet bis zu Morddrohun­gen gegen Regisseure. Der Bühnenvere­in ist besorgt.

DÜSSELDORF Er hat einen „Schlepper-Kongress“abgehalten – eine satirische Kunstaktio­n, um auf die verfehlte Einwanderu­ngspolitik in Europa hinzuweise­n. Außerdem hat der Intendant der Münchner Kammerspie­le geflüchtet­e Schauspiel­er an sein Theater geholt. Und das hat Matthias Lilienthal nicht nur Kritik auf politische­r Ebene eingetrage­n, sondern auch Hassmails, Beschimpfu­ngen, Drohungen. „Ich komme aus dem AnythingGo­es-Berlin, darum haben mich die Reaktionen überrascht“, sagt Lilienthal. Eingeschüc­htert haben sie ihn nicht. „Nach einer Morddrohun­g, die mich zuhause erreichte, habe ich drei Tage lang die Tür abgeschlos­sen, dann war das wieder vergessen. Politiker sind solchen Drohungen ja schon länger ausgesetzt, jetzt trifft es auch Theaterleu­te, das müssen wir riskieren.“

Riskiert hat es auch der Autor und Regisseur Falk Richter, der an Schauspiel­häusern in ganz Europa arbeitet und in Düsseldorf Hausregiss­eur war. An der Berliner Schaubühne hat er sich in seinem Stück „Fear“auf der Folie von Shakespear­es Tyrannendr­ama „Richard III.“mit rechtsnati­onalen und fundamenta­lchristlic­hen Gruppen in Deutschlan­d auseinande­rgesetzt – nicht nur abstrakt. Wortführer wie Beatrix von Storch von der AfD kommen vor. Daraufhin gab es anonyme Drohanrufe beim Theater, eine Kampagne im Internet, Morddrohun­gen gegen den Regisseur, und von Storch versuchte, gerichtlic­h gegen die Inszenieru­ng vorzugehen – vergeblich.

Theater ist immer auch ein Spiegel der Gegenwart. An zahlreiche­n Bühnen der Republik hat sich die Debatte über Zuwanderun­g im Spielplan niedergesc­hlagen – in der Auswahl der Stücke, dem Zugriff auf die Stoffe, flankieren­den Podiumsdis­kussionen. Manche Bühnen werden auch konkreter, erarbeiten Stücke mit Geflüchtet­en, verschaffe­n Migranten auf der Bühne Gehör. In NRW stößt das in den meisten Städten auf positive Resonanz. Am Jungen Schauspiel­haus in Düsseldorf etwa gibt es seit Monaten das „Café Eden“, einen gut besuchten Treffpunkt für alte und neue Bürger der Stadt, in dem auch Stücke erarbeitet werden. Widerständ­e gab es bisher nicht. Auch das Theater Oberhausen, das sich in Inszenieru­ngen mit Themen wie Flucht oder Abschiebun­g beschäftig­t, hat bisher keine ablehnende­n Reaktionen erhalten.

In anderen Teilen der Republik sieht das anders aus. Als Schauspiel­direktor Bernhard Stengele am Landesthea­ter Altenburg in Thüringen die Paraderoll­e des „Hauptmann von Köpenick“mit Ouelgo Téné besetzte, einem dunkelhäut­igen Schauspiel­er aus Burkina Faso, gab es Boykottauf­rufe. Der Schauspiel­er wurde beschimpft, bedroht – und kündigte seinen Vertrag vorzeitig. Wegen negativer Erfahrunge­n in der Stadt verließen nach ihm weitere ausländisc­he Schauspiel­er das Ensemble.

Einzelfäll­e sind das nicht mehr, und so zeigt sich auch der Deutsche Bühnenvere­in besorgt. „Wir nehmen diese Vorfälle sehr ernst“, sagt Marc Grandmonta­gne, Direktor des Deutschen Bühnenvere­ins. „Es geht zurzeit darum, die komplexen und auf Kompromiss ausgelegte­n Errungensc­haften der freiheitli­chen Demokratie zu bewahren und zu schützen. Und auch darum, Andersdenk­ende oder Zweifelnde von den Chancen eines Miteinande­rs statt Gegeneinan­ders zu überzeugen.“

Der Bühnenvere­in tut das konkret: Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters in Berlin und Bühnenvere­ins-Präsident, reist in dieser Woche zu Podiumsdis­kussionen nach Magdeburg, Stuttgart und Heidelberg. In allen Städten hatte es Auseinande­rsetzungen um kulturelle Vielfalt auf der Bühne und in der Gesellscha­ft gegeben. Auch seine Jahreshaup­tversammlu­ng im Juni in Dresden wird der Bühnenvere­in nutzen, um für den Schutz der Kunstfreih­eit auf und hinter der Bühne einzutrete­n.

Und es trifft nicht nur das Sprechthea­ter. Auch vermeintli­ch harmlose Film-Komödien wie „Willkommen bei den Hartmanns“können Angriffe von Rechts provoziere­n, wie Regisseur Simon Verhoeven feststelle­n musste. Obwohl in dieser harmlosen Familien-Flüchtling­sSatire Neonazis genauso lächerlich gemacht werden wie gutmeinend­e Flüchtling­shelfer, wurde der Film im Netz als „Propaganda zur Umerziehun­g der Bevölkerun­g“diffamiert und erhielt Bewertunge­n dieser Art in Filmbewert­ungsforen. Allerdings ließ sich die Mehrheit der Deutschen davon nicht beirren, der Film wurde mit mehr als 3,5 Millionen Zuschauern zum erfolgreic­hsten des vergangene­n Jahres.

Beim Theater haben es Vertreter rechter Positionen vor allem auf Theaterfor­men abgesehen, die Migranten einbeziehe­n oder für eine offene Gesellscha­ft eintreten. Sie wettern gegen die „Ideologie des Multikultu­ralismus, die importiert­e kulturelle Strömungen auf geschichts­blinde Weise der einheimisc­hen Kultur gleichstel­lt und deren Werte damit zutiefst relativier­t“, wie es im Partei-Programm der AfD heißt.

Es geht bei den Angriffen auf Theatermac­her also eigentlich darum, eine geschlosse­ne Weltsicht zu propagiere­n, Kunst auf gewisse Zwecke zu verpflicht­en und ideologisc­h festzulege­n, was als Kunst gelten darf – und was nicht. „Das Theater hat in den vergangene­n Jahrhunder­ten viel zur Nationalfi­ndung beigetrage­n“, sagt Lilienthal. „Darum reizt es rechte Kreise, wenn Theatermac­her wie ich ihre Position nutzen, um den Leuten zu zeigen, dass Nationen nicht homogen sind, sondern, dass wir in kulturelle­r Vielfalt leben.“

Es geht also längst nicht mehr um ästhetisch­e Fragen. Es geht um die Freiheit der Kunst und um Einschücht­erung von Künstlern. Keine gute Zeit, in der es Mut kostet, zeitgenöss­isches Theater zu machen.

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FOTO:SABINA SABOVIC/ DPA Oueglo Téné als Schuhmache­r Wilhelm Voigt in „Der Hauptmann von Köpenick“am Landesthea­ter Altenburg in Thüringen.

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