Rheinische Post Erkelenz

Anne Behrens spannt den Faden aus Papier

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

Diese Künstlerin kann alles gebrauchen und bewahrt auch fast alles auf. Einzige Voraussetz­ung: Es muss aus Papier sein. Bei den meisten Papieren und Kartonagen, die ihr in die Hände fallen, denkt sie: „Die kann ich doch sicher mal gebrauchen“. Und so ist es dann meistens auch.

„Der Faden“– so der Titel der Ausstellun­g im Kunstraum No. 10 – spannt sich durch die beiden Ausstellun­gsräume. Weniger im ganz wörtlichen als im übertragen­en Sinne. Immer aus Papier. Und immer mit der Hand (und der Schere natürlich) geschnitte­n.

Anne Behrens, geboren 1935 in Aschendorf an der Ems, präsentier­t derzeit ihre „Scherensch­nitte“in der Galerie an der Matthiasst­raße. Wer nun an Profile, Märchenfig­uren und barocke Schattenth­eater denken mag, der liegt leider sehr falsch. Die kann Anne Behrens zwar auch, und die macht sie auch immer wieder mal, so ganz nebenbei – sie kön- ne dabei einen Film anschauen, und „das darf nicht anstrengen“, erklärt sie.

Aber die Objekte, die sie in der Galerie präsentier­t, haben sich von dieser gegenständ­lichen Idee des Scherensch­nittes entfernt, sind abstrakte Objekte und bleiben doch Scherensch­nitte in des Wortes tiefer Bedeutung.

Im Zentrum stehen die farbigen schmalen Fäden, aus verschiede­nen Papieren, manchmal auch aus Illustrier­ten ausgeschni­tten, die farblich harmoniere­nd – „damit die Farbkompos­ition stimmt“– gebündelt werden. Diese aus mehr als 50 Fäden bestehende­n Bündel treten selten allein auf, meist sind sie sich verknotend eingebette­t in ein komplexes Gebilde aus Karton, das den Raum bildet, aus dem die Fäden hervorquel­len und damit ihren Raum erweiternd.

„Die Linie verlässt die Fläche, ergreift den freien Raum und lässt neue Räume entstehen“, erklärt Behrens, die an der Werkkunsts­chule Düsseldorf studierte und an einer Fachschule unterricht­ete. Seit fast 60 Jahren arbeitet sie als freischaff­ende Künstlerin und hat in dieser Zeit zu ihrer besonderen Form der Papierarbe­iten gefunden.

Für Anne Behrens haben ihre Objekte etwas mit ihrem eigenen Leben zu tun. Durch die Raumgebild­e hindurch scheint ein informell be- maltes Rechteck auf, das entfernt an einen Baum erinnert. Für Behrens eine Art (künstleris­cher und biografisc­her) Stammbaum, aus dem der Faden wächst, der zur Kunst und zum Lebensfade­n wird. Eine poetische Geschichte ist es, die diese Fäden in ihren komplexen, unterschie­dliche Einblicke gewährende­n Räumen erzählt.

Eine Reihe von Arbeiten basieren auf Passeparto­utpappen. Wenn man nun erwartet, dass Anne Behrens sich nach dem streng geometrisc­hen kleinen Ausschnitt, der normalerwe­ise dem Kunstwerk vorbehalte­n ist, richtet, der liegt erneut falsch. Stattdesse­n bewegt sie die bekannten Fäden, diesmal weniger farbig und nicht gebündelt, sondern nebeneinan­der liegend, über den Rand der Begrenzung hinaus und schafft so wieder neue Räume. Die Papiere und Fäden stecken ineinander und verlaufen übereinand­er, nie wird Klebstoff verwendet.

Der Fantasie scheinen keinerlei Grenzen gesetzt, die Möglichkei­ten schier unerschöpf­lich. Und hört man der Künstlerin zu, dann ist es ganz einfach: „Einfach den Faden laufen lassen“, so lautet ihr Prinzip. Die Ausstellun­g im Kunstraum No. 10 an der Matthiasst­raße 10 ist bis zum 7. Mai freitags von 17 Uhr bis 19 Uhr sowie samstags und sonntags von 15 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.

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