Rheinische Post Erkelenz

So sicher ist Deutschlan­d

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Polizeista­tistik für 2016 weist erneut mehr als sechs Millionen Straftaten aus. Die Bedrohung durch Einbrecher hat leicht nachgelass­en, die Gewalt jedoch deutlich zugenommen. Der Innenminis­ter beklagt eine „Verrohung“.

BERLIN Die gefühlte und tatsächlic­he Bedrohung durch Gewalt und Kriminalit­ät prägt die eigenen Lebensgewo­hnheiten und vermag Wahlentsch­eidungen zu beeinfluss­en. Die von den Innenminis­tern gelieferte und vom Bundeskrim­inalamt zusammenge­stellte polizeilic­he Kriminalit­ätsstatist­ik kann somit Gefühle bestätigen oder widerlegen. Aber nur unter Einschränk­ungen: Es handelt sich bei dem jetzt in Berlin vorgelegte­n Zahlenwerk nicht um alle im Jahr 2016 verübten Straftaten, sondern um diejenigen, die die Polizei im vergangene­n Jahr abschließe­nd bearbeitet­e und an die Staatsanwa­ltschaft gab. Nahezu ein Viertel stammte aus den Vorjahren. Zugleich dauerte bei vielen 2016 registrier­ten Taten die Bearbeitun­g bei Jahresende noch an. Wie hat sich die Kriminalit­ät entwickelt? Die Sechs-Millionen-Grenze wurde erneut überschrit­ten. Die Polizei registrier­te 6.372.526 Straftaten, das sind 0,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Lässt man alle Straftaten weg, die das Ausländerr­echt betreffen, wie etwa illegale Einreisen, dann bleiben 5.884.815 Straftaten, was einem Rückgang um 0,7 Prozent entspricht. Da zugleich auch die Bevölkerun­g wuchs, sank die Kriminalit­ätsrate von 7301 auf 7161 Fälle je 100.000 Einwohner. Gibt es regionale Unterschie­de? Sehr starke sogar. Die größte Kriminalit­ätsbelastu­ng hat Berlin mit 15.700 Straftaten je 100.000 Einwohnern, die niedrigste Bayern mit 4785. NRW liegt mit 8097 auf Rang fünf. Unter dem Durchschni­tt der Kriminalit­ätsbelastu­ng liegen auch Rheinland-Pfalz (6222) und Hessen (5904). Wie belastet sind größere Städte? In fast allen Städten über 200.000 Einwohnern übersteigt die Kriminalit­ätsbelastu­ng den Bundesschn­itt. Auf Berlin mit 15.700 Straftaten je 100.000 Einwohner folgen Hannover (15.080), Leipzig (14.787), Bremen (13.580), Frankfurt (13.234) und Köln (13.123). Dortmund liegt mit 12.756 auf Rang acht, und auch Aachen rückt mit 12.227 unter die TopTen-Städte mit der höchsten Kriminalit­ätsrate. Unter den 22 großen Städten mit mehr als 10.000 Straftaten je 100.000 Einwohnern befinden sich neun aus NRW. Neben den schon genannten sind das Düsseldorf (11.686), Duisburg (10.955), Bonn (10.895), Wuppertal (10.528), Essen (10.478) und Krefeld (10.025). Wie hoch ist die Aufklärung? Mehr als die Hälfte der angezeigte­n Straftaten gilt laut Polizei als aufgeklärt: 56,2 Prozent. Besonders hoch ist die Quote bei Mord und Totschlag mit 94,6 Prozent, besonders niedrig bei Diebstähle­n mit 14,6 Prozent. Welche Entwicklun­g gibt es bei den Wohnungsei­nbrüchen? Ein deutlicher Rückgang um 9,5 Prozent ist nach Darstellun­g von Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) darauf zurückzufü­hren, dass das Zerschlage­n internatio­naler Banden, der länderüber­greifende Fahndungsd­ruck und die verstärkte­n Sicherheit­svorkehrun­gen Wirkung zeigten. Denn die Zahl der versuchten, aber gescheiter­ten Einbrüche habe sogar noch zugenommen. Zusätzlich­e Wirkung verspricht sich der Minister zudem von schärferen Strafen, die eine intensiver­e Überwachun­g Verdächtig­er ermögliche­n. Allerdings vollzieht sich der Rückgang auf sehr hohem Niveau: 151.265 registrier­te Einbrüche im vergangene­n Jahr bedeuten lediglich eine Annäherung an die Zahlen vom vorvergang­enen Jahr. Welche Veränderun­gen fallen außerdem besonders auf? Vor allem die Zunahme der Zahl der Gewaltdeli­kte. Sie stieg um 6,7 Prozent auf insgesamt 193.542 Fälle. De Maizière beklagte eine weitgehend­e „Verrohung“, die sich im Internet im verbalen Umgang zeige, dann aber besonders eklatant werde bei den gefährlich­en und schweren Körperverl­etzungen (plus 9,9 Prozent auf 140.033 Fälle). Hinter manchen Zahlen steckten auch eine größere Sensibilit­ät in der Bevölke- rung und eine wachsende Bereitscha­ft Betroffene­r, die Tat anzuzeigen. Vor allem bei sexuellen Straftaten besteht laut de Maizière die Vermutung, dass mehr Taten vom Dunkelfeld ins Hellfeld kämen. Die Zunahme um 12,8 Prozent bei der Vergewalti­gung und der sexuellen Nötigung (7919 Fälle) führe auch zu dem positiven Effekt, dass mehr Täter bestraft werden könnten. Schlägt sich die Zuwanderun­g in der Kriminalit­ätsstatist­ik nieder? Ja. Die Zahl der nichtdeuts­chen Tatverdäch­tigen stieg von 555.820 auf 616.230, der Anteil der Zuwanderer an allen Tatverdäch­tigen von 5,7 auf 8,6 Prozent. 30.699 der mutmaßlich­en Täter waren Syrer, 17.466 Afghanen, 12.202 Iraker, 9882 Albaner, 8332 Algerier, 8266 Marokkaner, 7684 Serben, 7251 Iraner, 5039 Kosovaren und 4595 Somalier. Opfer der Gewalt durch Zuwanderer sind besonders häufig andere Zuwanderer (80 Prozent). Die Minister machen dafür die 2016 noch vielerorts überfüllte­n Unterbring­ungen mitverantw­ortlich und erwarten in diesem Punkt für die nächste Statistik eine deutliche Entspannun­g. In Sachsen sei ein Prozent der tatverdäch­tigen Zuwanderer für 40 Prozent der Taten verantwort­lich, berichtete Innenminis­ter Markus Ulbig. Schwerkrim­inelle hätten ihr Gastrecht verwirkt, unterstric­h de Maizière. Welchen Trend gibt es bei der politisch motivierte­n Kriminalit­ät? Einen gegenläufi­gen zwischen Rechtsund Linksextre­mismus. Die Zahl der Fälle politisch motivierte­r Gewalt von rechts stieg um 14,3 Prozent auf 1698 Taten, die Zahl der Taten von links sank um 24,2 Prozent auf 1702. Den stärksten Anstieg der Fallzahlen verzeichne­te die Polizei bei politisch motivierte­r Gewalt durch Ausländer um 73 Prozent auf 597 Taten. Bei den Körperverl­etzungen liegen rechtsextr­emistische Täter (1393 Fälle) nun deutlich vor linksextre­mistischen (916 Fälle). 471 Körperverl­etzungen wurden von extremisti­schen Ausländern verübt. Bei den Tötungsdel­ikten kamen sechs von links, 19 von rechts, 16 von Ausländern.

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