Rheinische Post Erkelenz

Zwei Touristen sterben bei Beben auf Kos

- VON H. BULKA, S. HAMANN, G. HÖHLER UND G. PETERS

Nach den Erdstößen in der Ägäis standen viele Menschen auf der griechisch­en Insel unter Schock. Einige Hotels sind unbewohnba­r.

KOS Es sollte ein unbeschwer­ter, ausgelasse­ner Abend werden, in der beliebten Bar „White Corner“in der Altstadt von Kos. Doch für zwei Urlauber wurde das Eckhaus zur Todesfalle. Als gestern Morgen um 1.31 Uhr ein schweres Erdbeben die Mauern des ersten Stocks zum Einsturz brachte, wurden sie von herabstürz­enden Trümmern erschlagen. Die Opfer: zwei Touristen, 27 und 39 Jahre alt, aus Schweden und der Türkei.

Dass die Erde bebt, ist auf den Inseln der Ostägäis keine Seltenheit. Die Region liegt an den Rändern der eurasische­n und afrikanisc­hen Kontinenta­lplatten. Aber dieses Beben war das heftigste, das die Ferieninse­l Kos seit Jahrzehnte­n erlebte. Nach inoffiziel­len Angaben wurden etwa 120 Menschen verletzt. Ob darunter auch deutsche Urlauber sind, war zunächst unklar. Auf Kos befinden sich aktuell geschätzt 10.000 deutsche Gäste. 95 Leichtverl­etzte meldeten sich selbst im Krankenhau­s von Kos, von ihnen konnten 85 nach ambulanter Behandlung die Klinik wieder verlassen. Mindestens sieben Menschen schwebten aber gestern noch in Lebensgefa­hr, berichtete­n griechisch­e Medien.

Julian Gilljam (17) und seine Eltern aus Mönchengla­dbach wurden in der Nacht durch Schreie geweckt. Die Familie verbringt seit vergangene­m Mittwoch ihren Sommerurla­ub auf Kos im Hotel „Continenta­l Palace“. Julian Gilljam sah einen Riss in der Wand seines Zimmers und rannte dann mit seinen Eltern schnell von der zweiten Etage ins Erdgeschos­s, wo sich schon viele Hotelgäste versammelt hatten.

„Auf dem Weg nach unten habe ich nur Chaos gesehen. Wasserleit­ungen waren gerissen, überall lag Schutt“, berichtet der 17-jährige Gymnasiast. Erst nach einer halben Stunde sei jemand gekommen, der die Anweisung gab: Die Hotelgäste sollten in den Garten gehen und es sich auf den Liegen und Stühlen bequem machen. „Wir haben uns mit Tischdecke­n zugedeckt“, sagt Julian Gilljam. Plötzlich seien Leute herumgelau­fen und hätten „Tsunami“geschrien. „Wir sind dann schnell weiter weg vom Meer gerannt“, erzählt der Gymnasiast. Von der Flut- welle hätten sie deshalb nichts mitbekomme­n. „Wir hatten Glück“, sagt Julian Gilljam, „wir blieben unverletzt.“Ins Hotel „Continenta­l Palace“konnte die Familie nicht mehr zurück. Es besteht Einsturzge­fahr.

Das Seebeben ereignete sich um 1.28 Uhr Ortszeit. Es löste einen kleinen Tsunami aus. „Die Wellen waren etwa 60 Zentimeter hoch“, sagte der griechisch­e Seismologe Akis Tselentis im Fernsehen. Das reichte für sichtbare Schäden: Mehrere Boote wurden beschädigt, entlang der aufgerisse­nen Kaimauern lag Geröll. Der Mini-Tsunami traf auch die Küste der zehn Kilometer entfernten türkischen Stadt Bodrum. Entlang der türkischen Küste lagen an Land gespülte Fischerboo­te. Todesopfer gab es nach ersten Angaben dort nicht. Nach Berechnung­en der Athener Erdbebenwa­rte erreichte das Beben 6,6 Grad auf der Richterska­la. Nach dem ersten schweren Erdstoß erschütter­ten immer wieder Nachbeben die Insel.

Auch der Düsseldorf­er Hotelmanag­er Gordon Kleebaum erlebte mit seiner Familie in Karodamen das Beben. „Wir haben unsere Tochter aus dem Schlaf gerissen und uns auf das Schlimmste vorbereite­t“, sagt er. Von der Terrasse aus hätten sie sich ein Bild der Lage verschafft. „Der Pool war übergelauf­en, und viele Gäste haben versucht, das Hotel zu verlassen.“Die meisten hätten die Nacht unter freiem Himmel verbracht – wie auch die meisten Bewohner der Inselhaupt­stadt Kos. „Wir erwarten in der absehbaren Zukunft weitere Nachbeben“, sagte Efthymios Lekkas, Griechenla­nds führender Seismologi­e-Professor und Chef der staatliche­n Erdbebenbe­hörde OASP.

Der Bürgermeis­ter von Kos, Giorgos Kyritsis, sagte: „Größere Schäden gab es vor allem an Gebäuden, die vor 1930 errichtet wurden.“Zwei Kirchen und das Minarett einer Moschee in der Altstadt wurden schwer beschädigt. Die großen Urlauberho­tels wurden dagegen kaum in Mitleidens­chaft gezogen. Nur vereinzelt gingen Scheiben oder Kacheln zu Bruch. „Es war eine schwierige Nacht, aber wir haben sie überstande­n, und allmählich kehrt die Insel zur Normalität zurück“, sagte Kyritsis. „Unsere Infrastruk­tur hat standgehal­ten, der Flughafen arbeitet normal, und wir begrüßen unsere Gäste.“Der Flugbetrie­b wurde nach dem Erdbeben für kurze Zeit eingestell­t, läuft aber seit gestern Morgen wieder.

Laut Deutschem Reiseverba­nd (DRV) werden vereinzelt Hotels als nicht mehr sicher eingestuft: Die Reiseveran­stalter brächten Urlauber bei Bedarf in anderen Hotels unter, erklärte der DRV. Noch sei die genaue Zahl der Betroffene­n unklar. Das Reiseunter­nehmen TUI teilte mit, man habe derzeit 6400 Urlauber aus Deutschlan­d vor Ort. Ein Krisenstab des Unternehme­ns sei aktiviert worden, die Reiseleist­ungen seien aber nicht eingeschrä­nkt.

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FOTOS: REUTERS Das Beben auf Kos hat viele Gebäude auf der Insel schwer beschädigt, darunter auch diese Kirche. Nach inoffiziel­len Angaben wurden rund 120 Menschen verletzt.

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