Rheinische Post Erkelenz

Telekom-Hacker gesteht Router-Attacke

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Für 10.000 Dollar Honorar im Monat verteilte ein britischer Computerex­perte Schadsoftw­are – 1,3 Millionen Kunden der Telekom waren betroffen. Jetzt vor Gericht in Köln kommt heraus: Der Täter wollte sich eine teure Hochzeit leisten.

KÖLN Unsympathi­sch sieht Daniel K. vor dem Kölner Landgerich­t nicht aus. Der 29-jährige Brite verdeckt zwar zu Verhandlun­gsbeginn zeitweise sein Gesicht vor den kurz zugelassen­en Fotografen, doch dann ist er gut zu sehen: Hager, etwas nervös, rot unterlaufe­ne Augen, relativ dunkle Haut, sehr kurze Haare, er trägt ein Polohemd und Jeans, spricht immer wieder mit seiner Dolmetsche­rin.

Seine Hauptaussa­ge lässt er zuerst verlesen und äußert sich dann auch mündlich: Der spektakulä­re Hackerangr­iff im November 2016 auf viele Millionen Internetro­uter rund um den Globus sei „der schlimmste Fehler seines Lebens“gewesen. Er räumt ein, den gefährlich­en Virus aus reiner Geldgier verbreitet zu haben – nämlich für 10.000 Dollar im Monat, um mit einer koordinier­ten Cyberattac­ke einen Telefonkon­zern in Liberia zu schädigen, damit dessen Wettbe- werber Vorteile habe. Und er berichtet auch von seinem persönlich­en Motiv: Er habe sich als Studienabb­recher ohne Berufsausb­ildung die auf Zypern geplante große Hochzeit mit seiner Verlobten nicht leisten können. Also habe er den kriminelle­n Auftrag angenommen.

Die Ironie der Geschichte ist, dass der eigentlich­e Schaden der Attacke rein zufällig geschah. Daniel K. hatte eine Software so modifizier­t, dass Millionen von Internet-Routern unbemerkt vom Nutzer in ein sogenannte­s Bot-Netz integriert werden konnten. Doch 1,3 Millionen DSLRouter der Deutschen Telekom reagierten auf das Einschleus­en der Software, indem sie sich ausschalte­ten – deren Abwehr war also äußerst erfolgreic­h, doch die Kunden waren offline. Daniel K. sagt nun selbst, er sei völlig erstaunt über diesen Ausfall von Internetro­utern gewesen – das habe er nicht gewollt.

Der Telekom entstand so ein Schaden von 2,1 Millionen Euro, erklärt das Unternehme­n – es war die bis dahin folgenreic­hste Cyberattac­ke in Deutschlan­d. Telekom-Chef Tim Höttges hatte danach eine „Nato für das Internet“gefordert und erklärt, dass der Angriff schlim- mere Folgen hätte haben können: „Wir haben noch Glück im Unglück.“Die Schadsoftw­are hatte einen einfachen Neustart der Geräte nicht überlebt.

Für Daniel K. ist eine empfindlic­he Strafe nicht auszuschli­eßen. Die auf Cyberkrimi­nalität spezialisi­erte Staatsanwa­ltschaft in Köln wirft ihm versuchte, gewerbsmäß­ige Computersa­botage vor – darauf stehen sechs Monate bis zehn Jahre Haft. Nach dem Angriff im November hatte das Bundeskrim­inalamt ihn mit einer sehr aufwändige­n Fahndung gesucht – durch Auswerten von digitalen Informatio­nen fand man ihn.

Daniel K. hatte sich unter den Namen „Peter Parker“und „Spiderman“registrier­t. Diese Daten ließen sich auf E-Mail-Adressen zurückführ­en, die ihm zugeordnet werden konnten. Schließlic­h wurde er am 22. Februar in London verhaftet und einen Monat später im Zuge des vereinfach­ten Auslieferu­ngsverfahr­ens nach Deutschlan­d überstellt – seit- dem sitzt er hier in Untersuchu­ngshaft.

Dabei ähnelt der Lebenslauf von Daniel K. dem vieler anderer Hacker. Eine feste Stelle hatte er selten, sondern hangelte sich mit freiberufl­ichen Jobs durch. Seine Programmie­rkenntniss­e hat sich der gebürtige Londoner überwiegen­d selbst beigebrach­t. Nach dem Highschool-Abschluss in Israel, wo er aufgewachs­en war, habe er lediglich „ein paar Programmie­rkurse“belegt, erzählt er vor Gericht. Bis zur Verhaftung lebte er überwiegen­d in Zypern – um Geld zu sparen und weil es ihm dort gut gefällt.

Der Prozess ist auf zwei Tage angesetzt und soll nächste Woche Freitag beendet werden.

Die Verhandlun­g gestern verlief zum Teil schleppend und musste sogar unterbroch­en werden: Laut Gericht ist Daniel K. Diabetiker. Er beschrieb seinen Gesundheit­szustand selbst als „instabil“. Mehrfach musste er seinen Blutzucker messen – er könnte also haftunfähi­g sein.

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FOTO: DPA Der 29-jährige Angeklagte gestern im Landgerich­t Köln.

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