Rheinische Post Erkelenz

Und übermorgen Vollbeschä­ftigung

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Vor zehn Jahren hatte Deutschlan­d fünf Millionen Arbeitslos­e, nun verspricht die Union bis 2025 Vollbeschä­ftigung zu erreichen. Kann das sein?

Klar ist: Ein Land ohne Arbeitslos­igkeit gibt es nicht. Sucharbeit­slosigkeit von Menschen, die sich nach einem neuen Job umsehen, gibt es immer. Forscher sprechen deshalb von Vollbeschä­ftigung, wenn der Anteil der Arbeitslos­en an den Erwerbsper­sonen bei drei Prozent oder tiefer ist. Derzeit liegt die Arbeitslos­enquote bei 5,5 Prozent.

Mit Blick auf die Digitalisi­erung halten einige das für utopisch: Die Oxford-Forscher Carl Frey und Michael Osborne stellten für die USA

Pessimiste­n erwarten, dass Deutschlan­d die Arbeit ausgeht. Falsch. Vollbeschä­ftigung ist möglich, trotz Digitalisi­erung – wenn die Politik Wiederholu­ngsfehler vermeidet.

fest, dass 47 Prozent in Berufen arbeiten, die in den nächsten 20 Jahren von Computern und Robotern übernommen werden könnten. Anderseits hat es Unkenrufe, uns gehe die Arbeit aus, schon immer gegeben – und sie haben sich nie erfüllt. Mit der Dampflok verschwand zwar der Heizer, dafür bauen wir heute selbstfahr­ende Autos und Internetpo­rtale.

Ein anderes Problem ist die Langzeitar­beitslosig­keit. 900.000 Menschen sind bundesweit länger als ein Jahr ohne Job, ein Drittel von ihnen sogar länger als vier Jahre. An ihnen gingen Agenda 2010 und Wirtschaft­sboom weitgehend vorbei. Doch in einigen Bereichen ist der Fachkräfte­mangel so groß, dass Handwerk und Konzerne Projekte starten, um Geringqual­ifizierte mit Förderung einstellen zu können. Durch die demografis­che Entwicklun­g – jährlich scheiden 200.000 Menschen mehr aus dem Arbeitsmar­kt aus als eintreten – bekommen auch die Langzeitar­beitslosen bessere Karten.

Die große Frage ist, wie Politik den Weg zur Vollbeschä­ftigung ebnen kann. Klar ist, was nicht hilft: neue Rentengesc­henke und damit Abgabendru­ck, längeres Arbeitslos­engeld I, steigende Mindestlöh­ne und ein zweiter, staatlich geförderte­r Arbeitsmar­kt. Genau das bietet die große Koalition aber. Selbst die Uni- on fordert nun einen zweiten (staatlich geförderte­n) Arbeitsmar­kt, als hätte es den ABM-Flop in den 80er und 90er Jahren nicht gegeben. Die Schaffung von Jobs zu erleichter­n, Arbeitslos­e mit Handicap besser zu ertüchtige­n und fordern, wäre der bessere Weg.

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