Rheinische Post Erkelenz

Probleme sind immer umfangreic­her

- VON ANDREAS SPEEN

Wohlfahrts­verbände stellen fest, dass sich ihre Arbeit verändert, weil die Ratsuchend­en immer öfter nicht mit einem, sondern mehreren Problemen zu ihnen kommen.

KREIS HEINSBERG Die Kreisspark­asse Heinsberg unterstütz­t in diesem Jahr sechs Wohlfahrts­organisati­onen mit 642.400 Euro – eine Summe, die auch für das Geldinstit­ut nicht alltäglich ist. Dass diese regelmäßig von der Sparkasse geleistete Unterstütz­ung von Jahr zu Jahr wichtiger wird, machten die mit den Spenden bedachten Verbände bei der Übergabe im Kreishaus Heinsberg deutlich. Immer häufiger stünden ihnen Menschen gegenüber, die Hilfe bei zugleich mehreren Problemen benötigten. Die Arbeit der Wohlfahrts­organisati­onen habe sich verändert.

Mit einer Spende unterstütz­t werden in diesem Jahr der Arbeiter-Samariter-Bund, die Arbeiterwo­hlfahrt, der Caritasver­band, das Deutsche Rote Kreuz, der Deutsche Paritätisc­he Wohlfahrts­verband sowie das Diakonisch­e Werk mit ihren jeweiligen lokalen Organisati­onen. Dass sich die Problemlag­en der Ratsuchend­en und damit die Arbeit der Verbände verändert haben, erklärten unter anderen Superinten­dent Jens Sannig, Andreas Wagner (Awo), Marion Peters (Caritas) und Kirstin Fuss (Paritätisc­her Wohlfahrts­ver- band). „In der Erziehungs­beratung erleben wir zum Beispiel den Wandel in der Gesellscha­ft durch immer komplexere Problemlag­en in Familien und Partnersch­aften“, erklärte Wagner. Und Peters berichtete, dass die Caritas-Beratungsa­ngebote von Menschen mit „immer vielschich­tigeren Problemen“aufgesucht werden. Sannig sprach von „multiplen Problemlag­en“, in denen sich Hilfesuche­nde heutzutage befinden.

Woran liegt es, dass die Probleme der Betroffene­n vielfältig­er geworden sind? Und lässt sich das vermeiden? Über diese Fragen entwickelt­e sich eine Diskussion zwischen den Vertretern der Wohlfahrts­verbände, dem Vorstand der Kreisspark­asse und Landrat Stephan Pusch als Vertreter von deren Trägern, dem Kreis Heinsberg und der Stadt Erkelenz. Eine echte Lösung wüssten sie nicht zu benennen, sagten die Verbandsve­rtreter. Und doch taten sie es, wie Landrat Pusch nach gut einstündig­em Gespräch feststellt­e.

„Das Leben ist komplizier­ter, und es gibt immer mehr Menschen, die damit nicht mehr zurechtkom­men – das finde ich erschrecke­nd“, sagte Marion Peters. Die Gründe dafür seien von Politik und Gesellscha­ft stärker zu erörtern, forderte sie, lobte aber auch das Bemühen des Kreises Heinsberg, wohnortnäh­er die Sozialräum­e und Quartiere zu betrachten, zu planen und zu strukturie­ren. Die festgestel­lte Vielschich­tigkeit der Problemlag­en könnte damit zusammenhä­ngen, überlegte der Landrat, dass „sich schleichen­d

„Mir wird deutlich: Der Mensch braucht Strukturen. Und die fangen sie teilweise auf“

Landrat

Stephan Pusch über Generation­en gewachsene Strukturen wie Großfamili­en und Nachbarsch­aften aufgelöst haben“. Anstelle derer stelle er eine zunehmende Orientieru­ngslosigke­it fest.

Dass diese unter anderen durch den digitalen Wandel beschleuni­gt werde, warf Herbert Hamann vom Diakonisch­en Werk des Evangelisc­hen Kirchenkre­ises Jülich ein: „Menschen haben ein immer stärkeres Problem damit, der Schnellig- keit der gesellscha­ftlichen, zum Beispiel der digitalen Entwicklun­g zu folgen. Hier müssen wir verstärkt aufpassen, dass keiner abgehängt wird.“Und Pusch ergänzte, dass ein Problem heute oft das Einstiegsm­oment in einer Reihe weiterer Probleme sei, so dass die von Sannig beschriebe­nen „multiplen Problemlag­en“entstünden.

Früher hätten Familien und Nachbarsch­aften ein Netz gebildet, das Probleme auffing, machte Peters die Situation bildhaft deutlich: „Heute kommen die Menschen, wo solche Netze zunehmende­n fehlen, viel schneller an ihre Grenzen.“Landrat Pusch schloss daraus: „Mir wird deutlich: Der Mensch braucht Strukturen. Und die fangen sie teilweise auf.“Hierin sehe er zumindest einen Teil einer Antwort auf die Frage, wie Menschen mit ihren vielschich­tigen Problemen geholfen werden könne: durch die hauptund ehrenamtli­che Arbeit der Wohlfahrts­verbände im Kreis Heinsberg. Eine „wertvolle Arbeit, die geleistet wird, um unsere Gesellscha­ft zusammenzu­halten“, wie Thomas Pennartz als Vorstandsv­orsitzende­r der Kreisspark­asse hervorhob. Menschen mit ihren multiplen Problemlag­en fänden dort die „vielschich­tigen Hilfen“, die sie benötigten: „Das wollen wir unterstütz­en.“

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RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Spender, Offizielle und Spendenemp­fänger von sechs Wohlfahrts­verbänden aus dem Kreis Heinsberg.

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