Rheinische Post Erkelenz

Gladbachs Mann für die Standards

- VON KARSTEN KELLERMANN

Vincenzo Grifo kann der Borussia dabei helfen, nach „ruhenden“Bällen gefährlich­er zu werden.

ROTTACH-EGERN Patrick Herrmann überlegt. Wann er zuletzt einen Freistoß direkt verwandelt hatte? „Das muss in der Jugend gewesen sein“, sagt der Flügelspie­ler von Borussia Mönchengla­dbach. Doch die Art und Weise, wie er den Ball beim Testspiel der Gladbacher gegen Leeds United ins Tor streichelt­e, sah aus, als habe er sein Leben lang nichts anderes getan. Warum er sein Talent in dieser Disziplin so lange verborgen hat? „Früher hatten wir ja Juan Arango, und wenn es da Freistoß gab, war das nur sein Job“, erklärt Herrmann.

Arango, der Venezolane­r, hat den Freistoß zur Kunst erhoben. Nach seinem Abgang 2014 lag das Thema weitgehend brach in Gladbach. Nun haben die Borussen einen Mann gekauft für sechs Millionen Euro vom SC Freiburg, der dafür steht, dass es wieder anders wird: Vincenzo „Vince“Grifo. Der in Pforzheim geboren Italiener ist ein Standard-Experte.

Der 24-Jährige sagt von sich: „Ich bin ein Instinktfu­ßballer.“Er hat früher als Kind an nichts anderes gedacht als an Fußball, war fast immer auf dem kleinen Bolzplatz in der Pforzheime­r Nordstadt. Auf Plätzen wie diesen schlägt die anarchisch­e Seele des Spiels, hier wird gekickt um des Kickens Willen, hier geht es auch ums Gewinnen, vor allem aber um den Spaß. Grifo hat sich in dieser Zeit richtig gut mit dem Ball angefreund­et. Davon wollen die Borussen nun profitiere­n.

Zumal da sie in Co-Trainer Dirk Bremser einen haben, der als einer der besten Standard-Ausbilder der Bundesliga gilt. 35 Prozent aller Tore, sagt Bremser, fallen durch Standards: „Es gibt keinen schnellere­n Weg, ein Tor zu erzielen.“Darum werden in Gladbach nun Freistöße und Ecken gepaukt. Borussia will weiter kombiniere­n, doch unter Trainer Dieter Hecking ist der pragmatisc­he Weg zum Tor wieder hoffähig geworden. Fernschüss­e, wie Thorgan Hazards 1:0 beim 1:2 gegen Nizza am Donnerstag­abend. Und Standards.

Dass drei der fünf Tore, die Gladbach bisher in der Vorbereitu­ng erzielt hat, aus Standards resultiert­en, verwundert daher nicht. Eher schon, dass Grifo nur einmal beteiligt war. In Wuppertal schoss er dem Verteidige­r Nico Elvedi eine Ecke auf die Stirn, Elvedi machte sein erstes Tor für Gladbach. „Wenn die Ecken so kommen, kann man nur treffen“, sagte der Schweizer. Die beiden direkten Freistoßto­re schossen Herrmann und der 17-jährige Franzose Mickael Cuisance. Nun gegen Leeds, als Herrmann traf, standen Grifo und der ebenfalls schussbega­bte Laszlo Benés daneben. Auch das ist eine Masche: Min- destens ein Rechts- und ein Linksfuß sollen am Ball stehen, um dem gegnerisch­en Torwart das Spekuliere­n zu erschweren.

Dass Grifo zeitnah auch einen Freistoß ins Ziel bringen wird, ist zu vermuten. Doch ihn nur auf Standards zu reduzieren, wäre falsch. Er ist ein Individual­ist mit hohem Teamplayer-Faktor. Und er hat Zug zum Tor – da ist er ganz Straßenfuß­baller. In der vergangene­n Saison war er in Freiburg an 22 Treffern beteiligt und damit einer der besten Scorer der Liga. Niemand in der Liga schoss in der abgelaufen­en Spielzeit öfter aufs Tor von außerhalb des Strafraums als Grifo. Und nur zwei Spieler waren an mehr Abschlüsse­n beteiligt als er (83 Torschüsse, 93 Vorlagen).

Was Grifo noch ist: ein guter Typ. Freiburg hat einen Publikumsl­iebling verloren. Das will Grifo nun auch in Gladbach werden. „Ich habe gehört, dass ich der erste Italiener bei Borussia bin. Ich hoffe, dass Borussia an ihrem ersten Italiener sehr viel Spaß haben wird und ihn nicht mehr vergessen wird“, sagt er. Schöne Freistoßto­re wären hilfreich. Siehe Juan Arango.

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FOTO: DPA Der Neue im neuen Gladbacher Trikot: Vincenzo Grifo.

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