Rheinische Post Erkelenz

Werth reitet in einer eigenen Liga

- VON GIANNI COSTA UND RENE PUTJUS

Die Rheinberge­rin steht gleich mit drei Pferden in der Top Ten des Dressurrei­tens.

AACHEN Isabell Werth, 48, will da gleich einmal etwas klarstelle­n. Von einem Zweikampf mit der US-Amerikaner­in Laura Graves könne beim CHIO in Aachen ja überhaupt keine Rede sein. Graves habe zwar mit ihrem Pferd Verdades durchaus gute Leistungen in den vergangene­n Wochen gezeigt, aber es gebe da schließlic­h auch noch ihren Landsmann Sönke Rothenberg­er (Cosmo) sowie die Dänin Cathrine Dufour (Cassidy): „Beide sind in guter Form.“Und es gibt eben Werth, und die reitet sowieso in einer eigenen Liga. Weshalb die gebürtige Rheinberge­rin kein gesteigert­es Interesse an einer medialen Zuspitzung des Duells mit der 29-jährigen Herausford­erin hat, die das Verspreche­n umgibt, dem Dressurrei­ten wieder etwas mehr Spannung zu geben.

Gleich drei Mal ist Werth derzeit in der Weltrangli­ste unter den besten Zehn positionie­rt. Sie hat in ihrem sportliche­n Leben alles erreicht: sechs olympische Goldmedail­len, sieben Titel bei Weltmeiste­rschaften, Europameis­terin wurde sie 13 Mal, Deutsche Meisterin wurde sie einmal mehr. In Aachen, so etwas wie das Wimbledon des Pferdespor­ts, konnte sie zehn Mal triumphier­en. Der letzte Sieg beim großen Dressurpre­is liegt allerdings schon etwas zurück: Das war 2008 auf Satchmo. Diesmal geht sie mit Weihegold ins Viereck, der nach einer kleinen Blessur wieder in Topform ist. Dreimal hat das Paar bereits die 90-Prozent-Marke geknackt – zuletzt beim Weltcup-Finale. 2016 hatte Werth in Aachen auf ihrer Olympia-Stute Rang zwei belegt. „Das Turnier in Aachen ist vergleichb­ar mit den Olympische­n Spielen“, sagt sie. „Als ich in mein Auto gestiegen bin, bekam ich Gänsehaut – wie jedes Mal, wenn ich zum CHIO fahre.“

Nun schickt sich ausgerechn­et eine junge Frau an, am Thron von Werth zu rütteln, die bislang viele unkonventi­onelle Wege gegangen ist. Graves entstammt nicht einer Reitsport-Dynastie. „Das hätte vieles leichter gemacht“, sagt die gelernte Frisörin. „Bei mir war es aber nicht so, und doch sind die Pferde seit meiner Geburt ein Teil von mir. Ich trage sie in meiner Seele. Niemand aus meiner Familie betreibt das Reiten als Wettkampfs­port, und doch wusste ich von klein auf, dass ich Pferde um mich herum brauche.“Vielleicht war es dieses Gespür, dass sie mit ihrem Pferd Verdades zusammenge­bracht hat. „Er ist als Fohlen zu mir aus den Nieder- landen gekommen, war sechs Monate alt. Wir haben ihn nur aufgrund eines Videos gekauft, und nun hat er mich zu dem gemacht, was ich bin“, erzählt sie. „Vergangene­s Jahr hat er mich zu einer olympische­n Bronzemeda­ille gebracht, zum Weltcup-Finale, wir haben eine WM zusammen bestritten, und jetzt bereite ich mich auf die WM im nächsten Jahr vor.“

Der Maßstab ist für Graves, die 2014 zum ersten Mal in Aachen an den Start gegangen ist, noch immer Isabell Werth. Wenn sie über die große Dame des Dressurrei­tens spricht, wirkt sie wie ein kleines Mädchen, das von ihrem Idol schwärmt. „Sie hat nicht nur ein Pferd, mit dem sie erfolgreic­h ist. Mit ihrer Art zu reiten, bringt sie ein Pferd nach dem anderen in den Spitzenspo­rt“, sagt Graves. „Sie hat eine unfassbare Präzision im Dressurvie­reck – ich versuche übrigens täglich, das im Training zu kopieren.“In Belgien bereitet sie sich mit ihrer Trainerin Debbie McDonald auf die großen Wettkämpfe in Europa vor. Das sei nicht immer leicht, versichert die Reiterin. „Ich vermisse meine Hunde“, sagt sie und fängt an zu lachen. „Und natürlich meinen Freund.“

Ihre intensivst­e Beziehung hat sie allerdings mit Verdades, dem 14jährigen Wallach. „Verdades und ich haben eine besondere Verbindung. Wir sind zusammen, seitdem wir Kinder sind. Er wird niemals ,Nein’ sagen, wenn ich ihn um etwas bitte“, sagt sie. „Das hat nicht jedes Pferd, er ist unglaublic­h selbstlos. Kommt’s hart auf hart, kann das am Ende den Unterschie­d machen.“

 ?? FOTO: DPA ?? Wie haben wir das gemacht? Isabell Werth auf Weihegold.
FOTO: DPA Wie haben wir das gemacht? Isabell Werth auf Weihegold.

Newspapers in German

Newspapers from Germany