Springreiter haben den Umbruch gemeistert
AACHEN (gic/sid) Otto Becker wollte lieber den Moment auskosten. Der Bundestrainer der deutschen Springreiter stand einfach nur da und blickte in die Aachener Soers. In dem Reitstadion hat sich schon so manches Drama abgespielt – und so mancher Held ist hier geboren worden. Für letztere Rolle hat sich mit Nachdruck der erst 23-jährige Maurice Tebbel empfohlen. Zwei Nullrunden drehte der Debütant auf seinem zehnjährigen Hengst Chacco’s Son. Und es war dieser Moment, als Tebbel zur Jubelfeier die Zügel aus der Hand gleiten ließ, die Becker so tief bewegten. „Das hat mich einfach berührt“, sagte der 58-Jährige.
Es bestätigte ihn, erstens, bei seiner Nominierung für den Nationenpreis beim CHIO in Aachen, und, zweitens, zeigte es auf, dass man sich hierzulande wohl so schnell keine Sorgen über Nachwuchstalente machen muss. Die deutsche Equipe siegte jedenfalls mit deutlichem Abstand. Da auch Routinier Marcus Ehning als Startreiter und Geburtstagskind Philipp Weishaupt zwei Nullrunden drehten und damit ihrem „Streichresultat“Marco Kutscher einen gebrauchten Tag retteten, war die nicht unbedingt erwartete Titelverteidigung perfekt. „Wir wussten vorher nicht, was uns erwartet“, sagte Becker. Für das Einzelspringen morgen wollte er keine Prognose abgeben: „Da werden die Karten noch einmal komplett neu gemischt.“
Trotz aller Euphorie wollte der Bundestrainer aber keine Tickets für die EM Ende August in Göteborg verteilen. „Wir haben noch Zeit, und die nehme ich mir auch“, sagte er. „Was ich sagen kann, ist, dass bisher alle in dem Umbruch, in dem wir stecken, ihre gebotene Chance genutzt haben.“Der Umbruch war erforderlich, weil einige der Etablierten derzeit nicht zur Verfügung stehen. Der viermalige Olympiasieger Ludger Beerbaum ist nach Olympiabronze in Rio aus der deutschen Equipe zurückgetreten, Christian Ahlmann, Daniel Deußer oder auch Meredith Michaels-Beerbaum haben zur Zeit kein Pferd auf Championats-Niveau zur Verfügung.