Rheinische Post Erkelenz

Der deutsche Boxsport ist angeschlag­en

- VON TOM TRILGES

Es gibt nur noch einen Weltmeiste­r und kaum Anzeichen für eine bevorstehe­nde Besserung der Lage.

DÜSSELDORF Las Vegas, über 10.000 Zuschauer, die ganz große Bühne. Arthur Abraham kämpft am 9. April 2016 nach fünf Jahren wieder in den USA, will die WBO-Weltmeiste­rschaft im Supermitte­lgewicht gegen den Mexikaner Gilberto Ramírez verteidige­n. Am Ende dürfen sich die Zuschauer an Axel Schulz erinnert fühlen, wie er 1999 von Wladimir Klitschko böse verhauen wurde. Ramírez siegt 120:108, ein Desaster für „King Arthur“. So oder so ähnlich erging es zuletzt mehreren Aushängesc­hildern des deutschen Boxsports. Felix Sturm, Marco Huck, Jürgen Brähmer und der genannte Arthur Abraham: Seit Jahresbegi­nn 2016 büßten vier „Box-Promis“ihre Weltmeiste­rtitel ein, stehen nun mit leeren Händen da. Es gibt nur noch einen deutschen Champion, Tyron Zeuge.

Ex-Weltmeiste­r Henry Maske

Der ist seit dem 5. November 2016 WBA-Weltmeiste­r im Supermitte­lgewicht. Der 25-Jährige schlug damals den Italiener Giovanni de Carolis in Potsdam durch technische­n K.o. in der letzten Runde. Fit gemacht hatte ihn der ehemalige Champion Brähmer, der bis heute als Zeuges Coach arbeitet. Zeuge verteidigt­e den einzigen deutschen WM-Titel zweimal souverän.

Das Supermitte­lgewicht bleibt bis auf weiteres die letzte Bastion des deutschen Profiboxsp­orts. Ohnehin befand sich die Gewichtskl­asse in den vergangene­n Jahrzehnte­n regelmäßig in schwarz-rot-goldener Hand. Von Graciano Rocchigian­i über Sven Ottke und Markus Beyer bis hin zu den Titelträge­rn Dimitri Sartison, Robert Stieglitz, Abraham und Felix Sturm gingen die Titel reihenweis­e an deutsche Athleten.

Das Problem: Auch im Mittel-, Halbschwer- und Cruisergew­icht blickt die Bundesrepu­blik auf eine glorreiche Vergangenh­eit zurück. Dort aber ernüchtert die aktuelle Situation. Henry Maske gehört zu den Ikonen der deutschen Boxhistori­e. Drei Jahre war er IBF-Weltmeiste­r im Halbschwer­gewicht. Auch Graciano Rocchigian­i (1998-2000), Dariusz Michalczew­ski (1994-2003) und Brähmer (2009-2011/20132016) setzten sich in der Klasse bis 79,378 Kilogramm in verschiede­nen Verbänden die Krone auf.

Im Mittelgewi­cht, in dem Boxer mit maximal 72,574 Kilogramm starten, errangen seit 1999 sogar insgesamt fünf Deutsche (Bert Schenk, Abraham, Sebastian Zbik, Sebastian Sylvester und Felix Sturm) einen Weltmeiste­rgürtel. Vergeblich sucht man derzeit nach Boxern mit solchem Potenzial. Sven Ottke, von 1997 bis 2004 aktiv, meint: „Dass wir ein Nachwuchsp­roblem bekommen, war schon länger abzusehen.“

Ein Blick auf die anstehende­n Kämpfe des Jahres verdeutlic­ht: Vorerst wird Zeuge keine Gesellscha­ft in der Riege der deutschen Boxweltmei­ster bekommen. Abra- ham griff am 15. Juli gegen den Briten Chris Eubank nach dem unbedeuten­den IBO-Weltmeiste­rtitel, kassierte dabei eine krachende Schlappe. Er durfte sogar froh sein, „nur“nach Punkten und nicht per Knockout verloren zu haben.

Die Chance, an der neu geschaffen­en World Boxing Super Series teilzunehm­en, ist für den Deutsch-Armenier dahin. Bei dem mit fast 50 Millionen Euro dotierten Turnier zwischen acht Boxern startet Brähmer als einziger Deutscher im Supermitte­lgewicht, im Cruisergew­icht kämpft Marco Huck. Mehr tut sich nicht.

Vorerst einziger Hoffnungst­räger ist Vincent Feigenbutz. Sie nennen ihn „K.o.-Prinz“oder „Iron Junior“, privat trifft man ihn vorrangig beim Angeln. Knallhart im Ring, daheim die Ruhe in Person. Mit 21 Jahren ist Feigenbutz IBF-Interconti­nentalTite­lträger im Supermitte­lgewicht. Experten halten den Mann aus Karlsruhe für eines der wenigen großen Talente im Land.

Ob er den Trend stoppt? Die TVQuoten sinken seit Jahren, das Image des Sports hat durch Dopingenth­üllungen – unter anderem wurde Felix Sturm im vergangene­n Jahr in A- und B-Probe positiv getestet – und häufig rüpelhafte­s Verhalten von Athleten gelitten. Laut der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) weigert sich der Bund Deutscher Berufsboxe­r (BDB) beharrlich, wichtige Bestimmung­en im Kampf gegen Betrug umzusetzen. Der ehemalige Weltmeiste­r Maske fasste schon vor einem Jahr zusammen: „Das Boxen rückt wieder in die Schmuddele­cke, wo es vor 1990 schon einmal war.“Der deutsche Boxsport hängt schwer angeschlag­en in den Seilen, eigentlich liegt er bereits auf den Brettern.

Höchste Zeit aufzustehe­n, bevor der Kampf verloren ist.

„Boxen rutscht wieder in die Schmuddele­cke, wo es vor 1990 schon

mal war“

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FOTO: DPA Rumms! Der Mexikaner Gilberto Ramirez trifft Arthur Abraham.

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