Rheinische Post Erkelenz

Asyl-Urteil: Merkel handelte legal

- VON EVA QUADBECK UND HENNING RASCHE

Der Europäisch­e Gerichtsho­f stellt klar, dass das Asylrecht in Europa zwar auch in Krisenzeit­en gilt. Die Bundesregi­erung hat mit der Aufnahme von Flüchtling­en 2015 aber nicht gegen die Regelung verstoßen.

BERLIN Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) hat mit einem Urteil zur Flüchtling­spolitik das Handeln der Bundesregi­erung im Spätsommer 2015 rückblicke­nd unbeanstan­det gelassen. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass auch bei außergewöh­nlich hohen Flüchtling­szahlen der erste Einreisest­aat für die Prüfung von Asylanträg­en zuständig ist. Zugleich betonten sie, dass im „Geiste der Solidaritä­t“auch andere Staaten bei ihnen gestellte Asylanträg­e prüfen können. Mit anderen Worten: Die Bundesregi­erung handelte nach Ansicht der Luxemburge­r Richter 2015 nicht illegal, als sie die in Ungarn festsitzen­den Flüchtling­e in Deutschlan­d aufnahm.

Konkret entschied der Europäisch­e Gerichtsho­f in den Fällen eines Syrers und einer afghanisch­en Familie, die sich gegen ihre Abschiebun­g von Slowenien beziehungs­weise von Österreich nach Kroatien wehrten. Das lehnten die Richter ab, weil beide die Grenze nach Kroatien illegal überschrit­ten hätten. Gleichzeit­ig bestätigte­n sie die Dublin-III- Regelung. Diese sieht vor, dass das Land, in dem ein Flüchtling zum ersten Mal registrier­t wird, über einen Asylantrag entscheide­n muss.

Von dieser strengen Regel gibt es zwei Ausnahmen: Zum einen können sich EU-Staaten untereinan­der solidarisc­h erklären und freiwillig die Prüfung von Asylanträg­en übernehmen. Dies tat die Bundesregi­erung 2015 und 2016 auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise. Die zweite Ausnahme der Dublin-IIIRegel besagt, dass Flüchtling­e dann nicht in das ursprüngli­che EU-Einreisela­nd zurückgesc­hickt werden dürfen, wenn ihnen wegen der dort bereits hohen Anzahl an Flüchtling­en eine unmenschli­che oder erniedrige­nde Behandlung droht. Das Verwaltung­sgericht München entschied, dass dies derzeit in Italien der Fall ist. Mit ihrem Urteil machten die Richter auch deutlich, dass die Praxis des „Durchwinke­ns“von Flüchtling­en vom Südosten Europas in den Nordwesten eben nicht den Vorgaben entspricht.

Die Bundesregi­erung begrüßte das Urteil. Ein Sprecher des Innenminis­teriums erklärte, man sehe sich in der Auffassung bestätigt, dass die Dublin-Verordnung auch in einer Ausnahmesi­tuation Gültigkeit habe. „Das war das, was wir immer unserem Regierungs­handeln zugrunde gelegt haben.“Aus Regierungs­kreisen hieß es: „Wir können, wir müssen aber nicht die Flüchtling­e in die Länder zurückschi­cken, in denen sie zuerst europäisch­en Boden betreten haben.“

Auch der bayerische Innenminis­ter und CSU-Spitzenkan­didat für die Bundestags­wahl Joachim Herrmann begrüßte die Entscheidu­ng: „Die Feststellu­ng des EuGH, dass ein Grenzübert­ritt an der EUAußengre­nze auch dann illegal sein kann, wenn ein EU-Staat die Einreise aus humanitäre­n Gründen und in einer außergewöh­nlichen Situation gestattet, ist absolut richtig“sagte Herrmann unserer Redaktion. SPDKanzler­kandidat Martin Schulz mahnte eine europäisch­e Lösung an. Es müsse darum gehen, Italien schnell zu helfen, betonte Schulz, der heute nach Italien reist, um Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni zu treffen. Kanzlerin Angela Merkel telefonier­te bereits mit dem italienisc­hen Regierungs­chef, wie Vize-Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer gestern mitteilte. Merkel sagte Italien Unterstütz­ung zur Bewältigun­g des Flüchtling­sandrangs zu.

Demnächst muss der EuGH über die bereits beschlosse­ne Flüchtling­sverteilun­g in Europa urteilen, gegen die Ungarn und die Slowakei geklagt haben. Nach Einschätzu­ng des Generalanw­alts ist die Umverteilu­ng aber nicht rechtswidr­ig.

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