Rheinische Post Erkelenz

Nostalgisc­hes Vergnügen: Baden in der Innenstadt

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Die nackten Füße in den Sand stecken, aufs Wasser blicken, das zügig vorüberfli­eßt, und doch mitten in der Stadt sein, umgeben von Hochhäuser­n, Restaurant­s, urbanem Leben: In vielen Metropolen kommen Flussbäder wieder in Mode. An der Seine, der Spree, der Isar oder dem Rhein wird Sand aufgehäuft, werden Liegestühl­e aufgeklapp­t und Cocktailbu­den eröffnet. Mitten im pulsierend­en Großstadtl­eben werden Oasen geschaffen, in denen die Städter ein paar Stunden Nah-Karibik erleben können.

Schon gibt es Bestrebung­en, auch das Wasser wieder zu nutzen wie einst, als das Bad im Fluss in den schnell wachsenden Industriem­etropolen ein beliebtes Vergnügen war. Wieder in der Spree schwimmen wie vor 100 Jahren, das ist Nostalgie pur. Entspannen wie am Meer, nur ohne Anfahrt. Nach dem Eiskaffee im Sand sind die Flexiarbei­ter

Flussbäder sind gefragt, viele Großstädte locken mit Strandabsc­hnitten an die Ufer ihrer Kanäle. Das Wasser gibt ihnen ein Image der Sauberkeit – und ihre Bewohner entkommen auf kurze Zeit in die Sommerfris­che gleich nebenan.

gleich wieder im Büro. Sommerfris­che für die Digital-Malocher.

Es ist wohl kein Zufall, dass die Flussbäder gerade jetzt so viele Menschen bewegen, obwohl ihr Unterhalt teuer ist. In Berlin etwa kämpft eine Initiative für die Rückerober­ung der Spree, organisier­t Spaßwettkä­mpfe im Wasser und Diskussion­sabende am Ufer. Dein Freund, der Fluss, ist das neue Fürsorgeob­jekt für Aktivisten, die sich in der Nachbarsch­aft engagieren, ihr direktes Lebensumfe­ld verschöner­n wollen. Ihr Engagement passt zu Bewegungen wie dem urbanen Gärtnern auf öffentlich­en Grünstreif­en oder der Renaissanc­e der Schrebergä­rten. Man träumt sich nicht mehr raus aus der Stadt, sondern hinein in die grünen Zellen downtown.

Auf den Spaßfaktor Natur möchte man jedenfalls nicht verzichten, also werden Hinterhöfe in Idyllen verwandelt, großflächi­ge Balkone an die Häuser geflanscht, darauf Erdbeeren gezogen und mobile Grills in die Parks gerollt. In der lebenswert­en Stadt ist jede Menge los, aber es gibt auch Nischen der Ruhe, Einsprengs­el von Urwüchsigk­eit, die für begrenzte Zeit ein anderes Leben ermögliche­n.

Zudem steht Wasser für Sauberkeit. Großstädte, die ihre blauen Adern pflegen, sich um die Wasserqual­ität mühen und ihre Flüsse freigeben, arbeiten an ihrem Image. Natürlich wirkt es attraktiv, wenn in München junge Leute auf der Isar surfen oder in Berlin auf der Spree zumindest ins Badeschiff tauchen. Blaumachen in der Stadt ist ein reines Vergnügen: Der urbane Mensch entkommt der Entfremdun­g, er steckt den Kopf in den Sand. Und wenn er wieder am PC hockt, rieselt es leise. Ach, war das schön!

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