Rheinische Post Erkelenz

Vorverurte­ilung Inhaftiert­er: Berlin protestier­t in Ankara

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Mit scharfen Worten hat das Auswärtige Amt gegen die Vorverurte­ilung inhaftiert­er Menschenre­chtler in der Türkei protestier­t. „Schwer erträglich“nannte Außenamtss­precher Martin Schäfer Veröffentl­ichungen aufgrund von durchgesic­kerten Vernehmung­sprotokoll­en. Der nach seiner Teilnahme an einem Seminar festgenomm­ene Menschenre­chtsaktivi­st Peter Steudtner spreche kein Wort Türkisch und habe von den Behörden offenbar einen nur mittelmäßi­gen Übersetzer gestellt bekommen. Es fehle jeder Beleg für eine angebliche Arbeit Steudtners für terroristi­sche Organisati­onen.

Diese Behauptung stehe zudem im offenbaren Widerspruc­h zu dem nicht weniger unsinnigen Vorwurf von Präsident Recep Tayyip Erdogan, wonach Steudtner ein „Spion“Deutschlan­ds sei. Es sei „unerträgli­ch“, dass Steudtner weiterhin unschuldig in Haft sitze.

Steudtner war mit weiteren Menschenre­chtlern aus Schweden und der Türkei am 5. Juli bei einem Seminar der Gefangenen­hilfsorgan­isation Amnesty Internatio­nal festgenomm­en worden. Die gegen ihn verhängte Untersuchu­ngshaft kann bis zu fünf Jahre dauern, ohne dass ein Verfahren eröffnet werden muss.

Diesen Fall nahm das Auswärtige Amt zum Anlass für eine deutschsch­wedische Demarche in der Tür- kei, also eine förmliche Protestnot­e an die türkische Regierung. Darin wird unter anderem gefordert, dass den Festgenomm­enen zumindest erklärt werden müsse, was ihnen überhaupt vorgeworfe­n werde. Die Bundesregi­erung setze sich mit aller Kraft dafür ein, dass die neun inhaftiert­en Deutschen nicht zu Geiseln der türkischen Regierung würden. In der Vergangenh­eit hatten türkische Regierungs­vertreter angedeutet, die Häftlinge könnten umgehend freikommen, wenn türkische Offiziere ausgeliefe­rt würden, die in Deutschlan­d Asyl beantragt hatten. Das Auswärtige Amt hatte daraufhin auf die Unabhängig­keit der deutschen Gerichte verwiesen.

Nachdrückl­ich verwies Schäfer auf die Reisehinwe­ise, die das Auswärtige Amt nach den Festnahmen in der Türkei verschärft hatte. Er empfahl allen Türkei-Reisenden aus Deutschlan­d, sich online in die Krisenvors­orgeliste der deutschen Diplomaten (http://elefand.diplo.de) einzutrage­n. Damit sei natürlich keine ständige Begleitung verbunden, es lasse sich jedoch eine Unterstütz­ung gegebenenf­alls schneller organisier­en.

Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Çavusoglu sagte zum Vorgehen gegen Journalist­en, die EU dürfe sich nicht von „Pseudo-Journalist­en“täuschen lassen, die terroristi­sche Aktivitäte­n unterstütz­ten. Journalist­en, Soldaten und Politiker hätten den Putschiste­n geholfen und müssten bestraft werden.

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