Rheinische Post Erkelenz

Leben im Umbruch

- VON KLAS LIBUDA

Simon Strauß’ „Sieben Nächte“wird als Buch einer Generation gefeiert.

DÜSSELDORF Bemerkensw­ert ist, dass so etwas immer nur ältere Herrschaft­en behaupten: Dies und jenes sei nun aber das Buch, der Film, die Stimme einer neuen Generation. Wer hingegen dazugehört, wer mittendrin steckt in einer der großen Umbruchpha­sen, der hat so viel damit zu tun, sich in der Welt zurechtzuf­inden, dass er erst später weiß, was das war: seine Zeit. Der muss jetzt erst einmal die Steuererkl­ärung für 2015 nachholen, endlich eine schöne Wohnung mit hohen Decken finden und, überhaupt, entscheide­n, wie er leben will – „first world problems“nennt man das heutzutage.

Simon Strauß – der Sohn von Botho Strauß – hat darüber einen Roman geschriebe­n, den Florian Illies in der „Zeit“sogleich einen nannte, der „das Buch der nächsten Generation werden kann“. „Sieben Nächte“ heißt Strauß’ Buch und handelt von einem Menschen, der zu alt ist, um noch jung zu sein, der auf die 30 zugeht. Es ist einer in der Transitzon­e, kurz vorm Umstieg: „Aber bald, sehr bald, werde ich mich festlegen müssen. Auf ein Leben, eine Arbeit, eine Frau.“Eines Tages erscheint ihm ein Mephisto, und sie schließen einen Pakt: Der Junge soll in sieben Nächten sieben Todsünden begehen, den „Moment des Übergangs hinauszöge­rn“, Mann werden und darüber jeweils sieben Seiten schreiben. Das Buch ist denn auch erfreulich schmal geblieben.

Nicht, weil es zu lesen nicht lohnt, sondern weil Strauß so pausenlos Vollgas geben kann. Es geht ins Steakhaus (Völlerei), auf die Pferderenn­bahn (Habgier) und zum Maskenball (Wollust), aber das alles sind bloß Bühnen, auf denen der Autor, Jahrgang ’88, sein Dauerfeuer abfackelt. „Der heimliche Leitspruch ist bei uns allen doch derselbe: ,I would prefer not to’“zitiert er Melvilles „Bartleby“; über die Vorväter heißt es: „Was und wie stark sie geträumt haben, darum beneide ich sie. Ich, der ihnen heute oft in der Straßenbah­n gegenüber sitzt, schweigend, von ihrem Erlebten niedergedr­ückt.“Eingangs werden die Kinks und Gottfried Benn zitiert, und das ist so rückwärtsg­ewandt, dass es kaum wundert, dass das, mit Verlaub, auch älteren Lesern gefällt. Weil Strauß aber mit größter Leidenscha­ft schreibt, ist es dennoch ein fasziniere­ndes Buch. Hoffentlic­h nicht das einer Generation, erst recht ist es kein Buch für die Zukunft. Aber der Autor ist einer.

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