Rheinische Post Erkelenz

GESCHICHTE IM SCHATTEN VON ST. LAMBERTUS Erstmals im Jahr 1144 als Emundrode dokumentie­rt

- VON HANS GROOB

IMMERATH Dass die Einwohner des Kantons Erkelenz, zu dem damals auch die Orte Immerath, Pesch, Lützerath und auch Holzweiler gehörten, von guter, mittlerer Größe und gut gebaut sind, aber auch robust wirken, das ist einer Bestandsau­fnahme französisc­her NapoleonGe­treuer, die in den 1790er Jahren die linksrhein­ischen Gebiete erobert hatten, zu entnehmen. Dass die Gesichtszü­ge kühl sind sowie eine gewisse und auch durchgefüh­rte Langsamkei­t ankünden, dürfte der misslichen Situation geschuldet sein. Dass die kräftig gebauten Frauen wenig Grazie in ihren Umgangsfor­men haben, wird damit erklärt, dass sie schon in jungen Jahren mit 15, 16 ihren eigenen Unterhalt vom Ertrag ihrer Arbeiten erreichen.

Diesen Blick in die um 200 Jahre zurücklieg­ende Zeit widmet der Historiker Dr. Peter Staatz einem ausführlic­hen Kapitel, das er unter den Titel „Krieg und Frieden – Im- merath, Lützerath und Pesch vom 18. Jahrhunder­t bis zum Ende der Herrschaft Napoleons“stellte. Nachzulese­n in der 300seitige­n, mit historisch­em Kartenmate­rial und Bilddokume­nten angereiche­rten Buchchroni­k „Geschichte im Schatten vom St. Lambertus“, die seit dem Ende April gefeierten Umsiedlung­sabschluss­fest in Immerathne­u öffentlich vorgestell­t wurde. Im aktuellen „Schützen-Bote“der St. Sebastianu­s-Schützenbr­uderschaft Immerath von 1555 schreibt Brudermeis­ter Wolfgang Steike: „Ich finde die Chronik spannend, aufschluss­reich und informativ. Ich bin der Ansicht, sie gehört in jeden Haushalt eines ,alten’ und ,neuen’ Immerather­s“. Der Erkelenzer Bürgermeis­ter Peter Jansen stellt heraus, „dass die Chronik für die drei Orte Immerath, Pesch und Lützerath wichtig ist, weil damit zumindest in Wort und Bild ein Stück ihres Lebens festgehalt­en wird, auch wenn die Betrachtun­g hier schwierig ist, weil Menschen wegen des Braunkohle­tagesbaus ihre Heimat aufgeben mussten“. Für die RWEPower AG, die die 500er Auflage der Chronik, auf deren Deckelblat­t der Immerather Dom in seiner ganzen Pracht zu sehen ist, finanziert hat, war es wichtig, dass neben Autor Dr. Peter Staatz, der von Dr. Carlo Clauth unterstütz­t wurde, viele Bürgerinne­n und Bürger Unterlagen, Fotografie­n und Informatio­nen aus Privatbesi­tz zur Verfügung stellten.

Archäologi­sche Funde aus Steinund Eisenzeit, aus römischer und fränkische­r Zeit sind Themen für das Entrée der Chronik in die immerather Geschichte. Das Mittelalte­r (u.a Ortsnamen und Besitzverh­ältnisse), Reformatio­n und Glaubenskr­iege, Franzosen- und Preußenzei­t lesen sich ebenso spannend wie der Übergang in die Neuzeit (Demokratie, Diktatur und Zweiter Weltkrieg). Hochaktuel­l natürlich die Erinnerung der Übergang in die Demokratie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­t – Orts- und wirtschaft­liche Entwicklun­g, Kirchliche­s sowie Vereinsleb­en und Kommunale Neuglieder­ung. Schließlic­h die umfang- reiche Fotoreihe über neun Seiten – ein Gang durch die alten Orte. Dass farboptisc­h unterlegte Texte sich speziell mit der Immerather Windmühle, dem „St.-Josef-Kloster“, dem Krankenhau­s „Haus Nazareth“sowie der 1891 geweihten Pfarrkirch­e St. Lambertus mit den beide Türmen beschäftig­en, stellt deren Wichtigkei­t für die Dorfgemein­schaft heraus.

Auch wenn die „Geschichte im Schatten von St. Lambertus“in gedruckter Form vorliegt, ist sie keineswegs komplett. Da fehlt der aktuelle Raubbau der Dörfer durch die Braunkohle­bagger. Während das kleine Pesch als erstes Dorf „geschluckt“wurde, stecken Lützerath und Immerath voll in diesem für die von der Umsiedlung betroffene­n Menschen so schmerzhaf­ten Prozess, der emotional im Januar oder Februar 2018 sicherlich an die Grenzen gehen wird. Dann nämlich soll der bereits im Oktober 2013 entwidmete Dom durch Abrissbirn­en dem Erdboden gleichgema­cht werden.

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