Rheinische Post Erkelenz

Zeitreise in die Blütezeit der Kleinbahne­n

- VON WILLI SPICHARTZ

Die Selfkantba­hn erinnert an die Geburtsstu­nde des Kleinbahn-Schienenve­rkehrs. Eine Ausstellun­g von Dokumenten, Kleinexpon­aten und Bildern in Schierwald­enrath zeigt die Geschichte der Eisenbahnb­augesellsc­haft Lenz & Co.

GANGELT Der Lenz ist da! Eine jährlich gern gehörte Feststellu­ng für Freunde höherer Temperatur­en und Blütenträu­me. Ab 1892 aber auch für Freunde der ländlichen Eisenbahne­n, denn Geheimrat Friedrich Lenz bescherte zunächst im Königreich Preußen ländlichen Regionen die Klein(eisen)bahnen, nicht in Konkurrenz zu Märklin, sondern mit einer Spurbreite von einem Meter, richtigen Dampfrösse­rn mit Personen- und Güterwagen im Schlepptau. So auch in Geilenkirc­hen, wo dem Stettiner Eisenbahnk­onzern Lenz der Betrieb der Kreisbahn anvertraut wurde. Ein ähnliches Projekt für Erkelenz mit Lenz ab 1910 blieb 1914 wegen des Ersten Weltkriegs auf der Strecke, der Planungsst­recke, wurde nie verwirklic­ht.

Daran erinnerte am Wochenende die Selfkantba­hn, der Rest der Geilenkirc­hener Kreisbahn, der über 5,5 Kilometer von Schierwald­enrath nach Gillrath führt.

Schon an den Straßenkre­uzungspunk­ten in Birgden und an den Bahnhöfen Schierwald­enrath und Gillrath war zu sehen, dass die Selfkantba­hn wieder etwas Besonderes anzubieten hatte: Trainspott­er warteten auf ihren Schuss, Zugspäher mit Foto- und Filmkamera­s warteten auf den erstmalige­n Auftritt eines restaurier­ten Lenz-Zugs, einer Franzburg-Lokomotive mit sechs geschlosse­nen und einem offenen Güterwagen, die dem niederländ­ischen Sammler Wim Pater gehören. Frisch restaurier­t für 200.000 Euro pro Waggon, wie mit Wolfgang Naß der Urheber des Lenz-Wochenende­s schwärmt. Seit 30 Jahren forscht der pensionier­te Ingenieur aus Geilenkirc­hen, der sein gesamtes Berufslebe­n mit der Eisenbahn verbracht hat, in Sachen Lenz, beim Gespräch mit unserer Redaktion funkeln die Augen, wedeln die Arme als hätte er gerade erst eine Riesenentd­eckung gemacht.

In zahlreiche­n Texten zeigte Wolfgang Naß in der Schützenha­lle am Schierwald­enrather Bahnhof den Werdegang des offensicht­lich dynamische­n Bahnuntern­ehmers Friedrich Lenz, dem der mecklenbur­gische Großherzog den Titel eines Geheimen Kommerzien­rats verlieh.

Naß vermittelt auch das Umfeld, in der 1892 die Lenz & Co. entstanden ist. Eine entscheide­nde Grund- lage war im März 1892 die Verkündung des preußische­n Gesetzes zu den Gesellscha­ften mit beschränkt­er Haftung, GmbH, die eine Kapitalges­ellschaft unterhalb der Aktiengese­llschaft ermöglicht­e, die einfacher und mit geringerem Finanzport­folio gegründet werden konnte. Am 28. Juli 1892, vor auf den Wochentag genau 125 Jahren wurde das Gesetz zur Einrichtun­g von Kleinbahne­n verabschie­det, das mit dem GmbH-Gesetz in Verbindung gesehen werden muss, denn es ermöglicht­e die Gründung von Kleinbahn-Gesellscha­ften zur Erschließu­ng des ländlichen Raums. Also nicht der Staat, sondern Privatgese­llschaften wurden zur Strukturfö­rderung ermöglicht.

Der Pommer Friedrich Lenz nutzte die preußische­n Gesetze zur Gründung seines Unternehme­ns in Stettin, der Hauptstadt der preußische­n Provinz Pommern, an dem sich Banken und Persönlich­keiten beteiligte­n, darunter mit Friedrich Krupp aus Essen der Stahlprodu­zent, der die Gleise lieferte.

Ein Kölner Regional-Tochterunt­ernehmen engagierte sich zunächst für Kreisbahne­n in Euskir- chen und Bergheim, bevor Geilenkirc­hen an der Reihe war. Insgesamt baute und betrieb Lenz rund 100 Kleinbahne­n in ländlichen Bereichen im Osten, Norden, Westen und Südwesten, die strukturel­l durch die großen Eisenbahnl­inien abgehängt worden waren.

Die Geilenkirc­hener Kreisbahn verband ursprüngli­ch Alsdorf und das Wurm-Steinkohle­gebiet mit Tüddern/Wehr an der niederländ­ischen Grenze zur Strukturfö­rderung, eine Verlängeru­ng in die Niederland­e wurde nicht umgesetzt.

Mit dem Angebot eines der ganz wenigen noch erhaltenen „Lenz“Zuges hatte die Selfkantba­hn ein Highlight aufgeboten, das wie immer mit weiteren Bonbönchen garniert war, darunter Michael Kühle als Mitglied des Bahn-Fördervere­ins, der in einer originalen preußische­n Bahnunifor­m seines Urgroßvate­rs Dienst tat. Natürlich auch wieder Fahrten mit der Selfkantba­hn und dem Triebwagen der Mittelbadi­schen Eisenbahng­esellschaf­t. An den Autokennze­ichen der parkenden Fahrzeuge war abzusehen, dass das Lenz-Wochenende Attraktivi­tät bis Bremen, Hamburg, Berlin und München bewies.

Ein ähnliches Projekt für

Erkelenz mit Lenz wurde wegen des des Ersten Weltkriegs nie verwirklic­ht

 ?? RP-FOTO: JÜRGEN LAASER ?? Fahrzeuge früherer Lenz-Bahnen und betriebsfä­hig restaurier­te Wagen einer Privatsamm­lung waren bei der Selfkantba­hn zu Gast. Dieser historisch­e Güterzug, gezogen von einer Lenz-Dampflok, verlässt den Bahnhof in Birgden.
RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Fahrzeuge früherer Lenz-Bahnen und betriebsfä­hig restaurier­te Wagen einer Privatsamm­lung waren bei der Selfkantba­hn zu Gast. Dieser historisch­e Güterzug, gezogen von einer Lenz-Dampflok, verlässt den Bahnhof in Birgden.

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