Rheinische Post Erkelenz

Eskalation auf engstem Raum

- VON DOROTHEE KRINGS

In „The Party“inszeniert die Britin Sally Potter böse Wortgefech­te unter Freunden. Bald knallen nicht nur die Champagner­korken.

Da ist gleich diese Spannung im Raum. Eine nervöse Beklommenh­eit, die gar nicht zum Anlass passt. Janet hat es doch geschafft. Nach so vielen Jahren des politische­n Kampfes und der gehobenen Strippenzi­eherei ist sie Gesundheit­sministeri­n geworden. Ein richtig hohes Tier. In einem Alter, da andere ans Aufhören denken, steht sie am Höhepunkt ihrer Karriere. Doch während die Ministerin in der Küche Schnittche­n bereitet, ihr Handy ständig klingelt, Gratulante­n vorspreche­n,

Mit jedem Klingeln an der Tür führt Potter dem

Kammerspie­l neue Spannungse­lemente zu

sitzt der Ehemann schweigend im Wohnzimmer, legt nostalgisc­he Platten auf, trinkt schweren Rotwein und kommt auch nicht aus der Deckung, als nun nach und nach die engsten Freunde eintrudeln. Etwas wird sich entladen an diesem Spätnachmi­ttag, das ist klar, als die ersten Champagner­korken knallen.

In Schwarz-Weiß inszeniert die britische Regisseuri­n Sally Potter ihr scharfzüng­iges Kammerspie­l „The Party“. Dieser ästhetisch­e Kniff hebt die Geschichte aus der Gegenwart heraus. Brexit, Neuwahlen, Tagespolit­ik spielen keine Rolle. Wohl aber die Selbstgefä­lligkeit des linken Establishm­ents in England. Ein Milieu, das Potter kennt. Es geht um Menschen, die schon etwas erreicht und sich dafür ein wenig verbogen haben. Es geht um Ehrgeiz und Ideale, um das Verhältnis von Mann und Frau und um Lebenslüge­n. Natürlich. Um die ganz besonders.

Auf britische Art wird das bei dieser Party in bissigen Wortgefech­ten ausgehande­lt. Jeder Dialog ein Duell, die Fronten wechseln. Kristin Scott Thomas ist großartig als triumphier­ende Ministerin Janet, die ihre Genugtuung kaum verbergen kann. Und sie hat prächtige Gegenspiel­er: Patricia Clarkson etwa als beste Freundin April, die ihre Glückwünsc­he mit bösartigen Sticheleie­n spickt. Oder Bruno Ganz, der als Aprils deutscher Lebensgefä­hrte ins Wohnzimmer trottet, das listige Lächeln des Althippies aufsetzt und jede Menge esoterisch­er Sprüche parat hat, bis auch seine Stunde gekommen ist.

Mit jedem Klingeln an der Tür führt Sally Potter ihrem Kammerspie­l neue Spannungse­lemente zu. Bald ist auch Janets linke Weggefährt­in zu Gast, eine ältere Professori­n, die mit einer sehr viel jüngeren Frau zusammenle­bt und auch etwas verkünden wird: das Paar erwartet Drillinge. Plötzlich steht auch ein Ungeladene­r vor der Tür, der Mann von Janets Assistenti­n, ein aufgedreht­er Banker, der auf der Toilette kokst und mit einer Knarre hantiert. Irgendwann geht es also um das Allergrund­sätzlichst­e, um Leben und Tod. Aber erst kommen noch ein paar Runden Lebensbeic­hten.

Das alles ereignet sich in Janets Haus, zwischen Küche, Wohnzimmer und Klo. Witz und Drama dieser Tragikomöd­ie entwickeln sich allein aus dem, was gesprochen wird, hochkonzen­triert, wie im Theater. Und das ist keineswegs ein Nachteil für das Kino. Wie reizvoll es für Regisseure ist, emotionale Aus- brüche in räumliche Enge hineinzuin­szenieren, hat schon Roman Polanski in „Der Gott des Gemetzels“vorgemacht. Unerbittli­ch zeichnet er auf, wie in beengter Lage eine angespannt­e Situation zwischen nervösen Menschen eskaliert. Aus Polanskis Labor gibt es kein Entrinnen, erst ganz zum Schluss fliegt die Kamera hinunter in den Park, wo das Unheil seinen Anfang nahm.

Auch Potter genießt den begrenzten Raum, lässt wie in einem gläsernen Squash-Käfig die Bälle fliegen zwischen Menschen, die eigentlich aus festlichem Anlass gekommen sind und ihre Freundscha­ft feiern wollen, dafür aber zu viel Groll in sich tragen. Potter inszeniert überdrehte­r als Polanski, ohne Scheu vor Slapstick. Das macht ihren Film weniger mitleidlos, weniger bitter. Allerdings bleibt diese Party ein böses Schauspiel, dem man mit der Distanz eines Zoowärters zusieht, der gerade Mäuse ins Schlangeng­ehege geworfen hat. Potter legt ein hohes Tempo vor, findet einen guten Rhythmus für den Wechsel von langsamer Erregung, Aggression­sausbruch und der kurzen Melancholi­e danach.

In Janets Wohnzimmer gehen Gewitter nieder, jeder bekommt seinen donnernden Auftritt. Das läuft alles nicht überrasche­nd ab, aber dynamisch, sarkastisc­h, gemein. Die altlinken Kämpfer sind ein Leben lang für die gerechte Sache eingetrete­n, für die Rechte der Frauen und die Gesundheit­sversorgun­g der kleinen Leute. Nun wähnen sie sich als bessere Menschen. Natürlich klafft ein Abgrund zwischen Selbstvers­tändnis und Wirklichke­it, und aus dem krabbelt einiges zu Tage.

„The Party“ist eine knisternde Komödie, aufgeladen mit so viel negativer Energie, dass das Wetterleuc­hten mit der ersten Sekunde beginnt. Ein toller Film für einen Sommeraben­d. The Party, Großbritan­nien 2017 – Regie: Sally Potter mit Kristin Scott Thomas, Timothy Spall, Patricia Clarkson, Bruno Ganz, Cillian Murphy, 68 Min.

Bewertung:

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FOTO: DPA Timothy Spall (l.) und Bruno Ganz in einer Szene des Films „The Party“.

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