Rheinische Post Erkelenz

Union und SPD im Diesel-Clinch

- VON MICHAEL BRÖCKER UND BIRGIT MARSCHALL

Verkehrsmi­nister Dobrindt will eine Software-Nachrüstun­g von Diesel-Fahrzeugen, Umweltmini­sterin Hendricks will auch Motoren umbauen lassen. SPD und Grüne setzen Dobrindt unter Druck.

BERLIN Union und SPD streiten vor dem Treffen führender Vertreter von Politik und Autoindust­rie über das Ausmaß der Konsequenz­en des Diesel-Skandals. Während Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) die Hersteller lediglich auf Software-Updates von Dieselauto­s verpflicht­en will, die die zulässigen EU-Grenzwerte für Stickoxide überschrei­ten, pocht Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) auf wirksamere Maßnahmen. Die Industrie müsse im zweiten Schritt auch Motoren-Teile auswechsel­n, forderte sie. Zudem lehnt Hendricks neue staatlich finanziert­e Kaufanreiz­e für modernste Diesel-Fahrzeuge mit der Euro-6 D-Norm ab. Diese wollen Dobrindt sowie Bayern, Niedersach­sen und der Verband der Automobili­ndustrie durchsetze­n.

Dobrindt und Hendricks haben die Chefs der Autokonzer­ne sowie die Ministerpr­äsidenten von neun Ländern für morgen zum Gipfel geladen. Dabei sollen Maßnahmen zur Reduzierun­g gesundheit­sschädli- cher Stickoxid-Emissionen beschlosse­n werden, die weit überwiegen­d von Diesel-Fahrzeugen verursacht werden. Das Verkehrsmi­nisterium erklärte, die Regierung werde mit einer einheitlic­hen Position in den Gipfel gehen. Am Freitag hatte das Stuttgarte­r Verwaltung­sgericht einer Klage der Deutschen Umwelthilf­e (DUH) stattgegeb­en. Der Luftreinha­lteplan Baden-Württember­gs für Stuttgart sei nicht ausreichen­d, so das Urteil, das für viele größere Städte Signalwirk­ung haben könnte.

Auch die grün-schwarze Landesregi­erung in Stuttgart setzt auf Software-Updates und will so ein Fahrverbot vermeiden. Die DUH forderte einen verpflicht­enden Rückruf und Hardware-Nachrüstun­gen für alle Diesel der Abgasnorme­n Euro 5 und 6. Das würde die Branche 13,5 Milliarden Euro kosten. Betroffen wären rund neun Millionen Pkw.

Damit Verbrauche­r Entschädig­ungen besser durchsetze­n können, fordern SPD und Grüne die Einführung von Sammelklag­en. Dabei könnten sich Betroffene Schadeners­atzklagen von Verbänden anschließe­n. „Wir brauchen endlich ein In- strument, mit dem Kunden sich gegen große Konzerne, die massenhaft Schaden verursache­n, gemeinsam zur Wehr setzen können, ohne ein großes Kostenrisi­ko einzugehen“, sagte Justizmini­ster Heiko Maas (SPD). „Alles, was erschütter­tes Vertrauen jetzt festigt und Glaubwürdi­gkeit in die Autoindust­rie wiederhers­tellt, sichert auch Arbeitsplä­tze.“Die Union hatte den Plan von Maas im Dezember blockiert. Nun sprach sich CSU-Chef Horst Seehofer jedoch dafür aus.

Für Wirbel sorgte ein Bericht der „Bild“-Zeitung, das Kraftfahrt­bundesamt (KBA), das Dobrindt untersteht, habe Prüfberich­te über Abgas-Manipulati­onen im Interesse der Industrie geschönt. Dobrindts Ministeriu­m wies den Bericht zurück. SPD und Grüne forderten eine konkretere Entkräftun­g. „Fahrverbot­sminister Dobrindt sollte nicht nur von der ,verdammten Verantwort­ung’ der Autoindust­rie sprechen, sondern auch von seiner eigenen“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. Ex-Umweltmini­ster Jürgen Trittin (Grüne) forderte Dobrindts Rücktritt. Der Minister sei der „oberste Vertuscher von Dieselgate. Und deshalb muss er zurücktret­en.“SPDChef Martin Schulz forderte, dem KBA Aufgaben zu entziehen und die Zuständigk­eiten für Typgenehmi­gungen und Kontrollen zu trennen.

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