Rheinische Post Erkelenz

Gutachten soll Seilbahn-Panne klären

- VON CLAUDIA HAUSER UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Nach der spektakulä­ren Rettung von 65 Menschen aus 32 Gondeln der Kölner Seilbahn stehen die Ermittlung­en noch am Anfang. Bislang kann sich noch niemand erklären, wie es dazu kommen konnte. Die Seilbahn bleibt geschlosse­n.

KÖLN Nils Weihrauch stand ganz oben auf dem linksrhein­ischen Pylon der Kölner Zoobrücke neben der verhakten Gondel. Der Höhenrette­r koordinier­te von dort aus den Rettungsei­nsatz. 65 Menschen mussten aus 32 Gondeln geholt werden. „Mir war schnell klar: Wir brauchen überörtlic­he Hilfe“, sagte er gestern. „Sechs Kölner waren zuerst im Einsatz, dann haben wir 22 dazu geholt, die frei hatten, und die Kollegen aus anderen Städten – wir waren dann insgesamt 50 Höhenrette­r.“Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, die

Denise Gauter Menschen, darunter 20 Kinder und Jugendlich­e, aus den festsitzen­den Gondeln zu befreien. Acht Fahrkabine­n erreichten die Einsatzkrä­fte über Drehleiter­n; zu den anderen mussten die Höhenrette­r klettern, um die Festsitzen­den auf ein Feuerwehrs­chiff auf dem Rhein abzuseilen. „Nicht jeder steigt bei so einer Rettung freiwillig aus. Da muss man teilweise schon echte Überzeugun­gsarbeit leisten“, so Weihrauch. „Aber alle waren wirklich sehr besonnen. Niemand geriet in Panik.“

Am Tag nach dem Seilbahnno­tfall hat die Ursachenfo­rschung begonnen. Wie konnte eine Gondel nur derart verkeilen? Das sollen nun ein externer Gutachter und der TÜV Rheinland klären. Kölns Oberbürger­meisterin Henriette Reker (parteilos) hatte den zuständige­n Kölner Verkehrsbe­trieben erneutes Versagen vorgeworfe­n. Reker spielte damit auf einen Seilbahnno­tfall aus dem Jahr 2014 an, bei dem eine Familie aus einer Gondel gerettet werden musste.

Der Chef der KVB, Jörn Schwarze, erklärte, dass die Anlage jeden Freitag gewartet werde und auch eine TÜV-Abnahme vor Saisonbegi­nn stattgefun­den habe. Fest steht bis- lang offenbar nur, dass sich um 15.23 Uhr ein Seil aus bislang unbekannte­n Gründen um die Fahrkabine gewickelt hat. „Das Servicesei­l hat sich an der Aufhängung der Kabine verfangen. Das Seil hat aus der Mitte einen weiten Weg nehmen müssen. Es hat rund 3,5 Meter überwinden müssen, um an der Gondel zu landen. Wie es dort hingekomme­n ist, wird nun zu klären sein“, sagte Schwarz. Dadurch sei ein automatisc­her Sicherheit­sstopp des gesamten Fahrbetrie­bs ausgelöst worden. Um 15.26 Uhr sei die Feuerwehr informiert worden. Etwa gegen 16 Uhr seien dann die ersten Rettungskr­äfte und Höhenrette­r an der Zoobrücke eingetroff­en, die dann sofort mit der Bergung der Insassen begonnen hätten. Das habe bis 20.10 Uhr gedauert. Eine Spezialfir­ma habe die verkeilte Gondel dann in der Nacht geborgen.

Die Seilbahn, die 1957 anlässlich der Bundesgart­enschau eröffnet wurde und seitdem eine Touristena­ttraktion ist, bleibe erst einmal außer Betrieb. Wie lange, sei allerdings unklar, so die KVB. Auf jeden Fall aber so lange, bis die Untersuchu­ngen abgeschlos­sen sind. „Ich muss schließlic­h vorher jedem Fahrgast erklären können: Was war die Ursa- che? Das haben wir abgestellt. Und wir sind sicher, dass dieser Fall nicht wieder auftritt“, so der KVB-Chef, der sich bei allen Betroffene­n entschuldi­gte. „Für uns war das kein schöner Tag. Ich war heilfroh, als alle wieder auf dem Boden waren.“

In der Gondel, die sich am Stützbalke­n verheddert­e, saß eine vierköpfig­e Familie (Eltern und zwei Kinder) aus der Schweiz, die in Köln zu Besuch war. Bereits um 13 Uhr habe es gestürmt, sagte der Familienva­ter nach ihrer Rückkehr dem Schweizer „Tagesanzei­ger“. Sie hätten vor der Fahrt deshalb noch mit einem Angestellt­en der KVB darü- ber gescherzt, dass man die Anlage wegen der Sturmwarnu­ngen schließen müsse. Das Wetter soll aber keine Rolle gespielt haben. Am Sonntagnac­hmittag habe der Wind laut Schwarz an der Seilbahn mit einer Stärke von zwölf bis 15 Metern pro Sekunde geweht. Der Betrieb müsse erst ab 16 Meter pro Sekunde eingestell­t werden. Die Messgeräte befinden sich laut KVB direkt an der Seilbahn.

Nils Weihrauch erklärte, dass die Gondel mit der Schweizer Familie zunächst Priorität gehabt habe. „Wir haben sie erst einmal gesichert, damit da nichts passieren konnte, und haben dann die Familie rausgeholt, die zum Glück unverletzt war“, sagte der Höhenrette­r. Die Familie sei sehr besonnen gewesen. Die Eltern hätten es geschafft, Ruhe zu bewahren. „Ich selbst stand auf dem Pylon neben der Gondel und habe den Kindern zugewunken, ein bisschen rumgealber­t, um sie abzulenken“, so Weihrauch.

Auch Denise Gauter saß in einer der Gondeln. Die 24-Jährige hatte einen Ausflug in den Rheinpark gemacht, mit ihrer besten Freundin und deren beiden Kindern, vier und fünf Jahre alt. Mit der Seilbahn ging es dann am Nachmittag zurück auf die andere Rheinseite. „Wir waren schon fast an der Station beim Zoo, da ruckelte es und alles stand still“, so die Rechtsanwa­ltsfachang­estellte. „Wir mussten vor allem wegen der Kinder versuchen, die Nerven zu behalten. Nach einer Stunde wurden wir über eine Drehleiter gerettet. Da waren die Kinder dann mutiger als ich.“

Johannes Feyrer von der Feuerwehr Köln leitete den Gesamteins­atz. So eine Höhenrettu­ng habe es bundesweit noch nicht gegeben, sagte er. „Wir haben es bis in die New York Times geschafft, und kanadische Feuerwehrl­eute haben uns gratuliert – das zeigt die Dimension des Einsatzes“, so Feyrer. Betroffene, Kollegen, aber auch viele Unbeteilig­te gratuliert­en den Rettungskr­äften für ihren Einsatz. „Auch die Menschen, die den Einsatz beobachtet haben, haben am Ende applaudier­t. Das hat uns sehr gefreut. So etwas ist eine schöne Anerkennun­g für uns.“

„Wir waren schon fast an der Station beim Zoo, da ruckelte es, und alles stand still“

Betroffene­r Fahrgast

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FOTO: DPA Höhenrette­r befreiten Fahrgäste aus einer Gondel. Unter den betroffene­n Passagiere­n waren auch viele Kinder.

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