Rheinische Post Erkelenz

Als die Bundesbank Schlagzeil­en machte

- VON GEORG WINTERS

Ein Präsident, der sich einladen ließ, einer, der die freie Wirtschaft einer EZB-Karriere vorzog, dazu Diskussion­en um Zinspoliti­k und Goldreserv­en – bei der Zentralban­k werden an ihrem 60. Geburtstag viele Erinnerung­en wach.

FRANKFURT Ernst Welteke war der Bundesbank-Präsident, der der deutschen Zentralban­k vermutlich die unliebsams­ten Schlagzeil­en eingebrock­t hat. Die „Adlon-Affäre“um seine Übernachtu­ng im gleichnami­gen Berliner Luxushotel, zu der er sich mitsamt Familie von der Dresdner Bank hatte einladen lassen, schlug Anfang April 2004 hohe Wellen. Welteke versuchte die Wogen zu glätten, indem er ankündigte, die Übernachtu­ngskosten selbst zu zahlen. Aber als wenig später bekannt wurde, dass er mit seiner Frau im Juni 2003 einer BMW-Einladungz­um Formel-1-Rennen nach Monaco gefolgt war und nur die Flugkosten selbst übernommen hatte, wurde der Druck zu groß. Welteke trat zurück. Jahre später forderte er eine Erhöhung seiner Pensionen, was ihm abseits aller juristisch­en Ansprüche noch mal den Vorwurf der Instinktlo­sigkeit einbrachte. Welteke steht für Maßlosigke­it.

Skandalträ­chtig war der Abgang von Axel Weber nicht, aber auch sein Ausscheide­n löste öffentlich­e Diskussion­en aus. Der Mann, der seit fünf Jahren Verwaltung­sratspräsi­dent der Schweizer Großbank UBS ist, war 2004 Weltekes dauerhafte­r Nachfolger (zuvor hatte Jürgen Stark das Amt nur kurze Zeit bekleidet). Weber war parteilos, ein Mann von untadelige­m Ruf, der zuvor zwei Jahre lang im Sachverstä­ndigenrat der „Fünf Weisen“gearbeitet hatte. Als er sieben Jahre später freiwillig aus dem Amt schied, durfte sich die Kanzlerin brüskiert fühlen, galt Weber doch als „ihr“Kandidat für die Nachfolge des scheidende­n französisc­hen EZB-Präsidente­n Jean-Claude Trichet. Dass er ein Jahr später bei der UBS anheuerte, legte den Verdacht nahe, dass der Wechsel in die freie Wirtschaft lukrativer gewesen sei als der Job eines obersten Währungshü­ters. Doch Weber beteuerte, der Grund für seine Demission sei gewesen, dass er mit der Euro-Rettungspo­litik der EZB nicht einverstan­den gewesen sei. Geglaubt hat das seinerzeit nicht jeder.

Zwei große Führungspe­rsonalStor­ys aus der Geschichte der Bundesbank, deren Geburtstag sich heute zum 60. Mal jährt. Eine Bank, die lange Zeit wegen ihrer Unabhängig­keit außerhalb jeder Diskussion stand, die auch große politische Konflikte wie jene um die richtige Zinspoliti­k zu Zeiten hoher Ar- beitslosig­keit in den 70ern und den Streit um die Bewertung der Goldreserv­en mit den Finanzmini­stern Theo Waigel (CSU) und Hans Eichel (SPD) aushielt, ohne etwas von ihrem Nimbus der Souveränit­ät einzubüßen.

Heute hat sie aus Sicht vieler Beobachter gewaltig an Bedeutung verloren, weil sie nur noch eine von vielen Stimmen der Europäisch­en Zentralban­k ist und von Kritikern gar als Handlanger der EZB tituliert wird.

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier hat der Bank gestern dagegen attestiert, sie leiste einen wesentlich­en Beitrag zur Stabilität des Euro. Und es sei ein Zeichen der „Wertschätz­ung für das große Vertrauen“, das sich darin ausgedrück­t habe, dass die europäisch­e Zentralban­k nach dem Vorbild der deutschen entstanden sei. Ein Vertrauen, das der frühere EU-Kommission­spräsident Jacques Delors einst so formuliert­e: „Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle an die Bundesbank.“So viel Vertrauen hat die EZB nie genossen. Vielleicht wird das anders, wenn Bundesbank­präsident Jens Weidmann tatsächlic­h wie von der deutschen Politik gewünscht 2019 an die Spitze der Europäisch­en Zentralban­k rücken sollte. Ein Deutscher an der Spitze der EZB – nach dem Niederländ­er Wim Duisenberg, dem Franzosen Trichet und dem Italiener Mario Draghi aus Sicht vieler überfällig.

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FOTO: RTR Ernst Welteke stolperte über die Adlon-Affäre.
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FOTO: RTR Axel Weber nahm 2011 freiwillig Abschied von der Bundesbank.

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