Rheinische Post Erkelenz

Rentner sein reicht vielen Senioren nicht

- VON MERLIN BARTEL

Im Rentenalte­r sollten Menschen das Leben genießen können. Aber viele gehen dann noch gar nicht in den Ruhestand, sondern arbeiten weiter. Zwei Senioren erklären, warum sie das tun. Wir geben Tipps zum Nebenjob im Alter.

DÜSSELDORF Rente bedeutet für viele große Freiheit: kein Nine-to-FiveJob mehr, Schluss mit alltäglich­en Pflichten, Ausschlafe­n und Verreisen statt Büro. Für andere ändert sich dagegen nicht viel. Zum Beispiel für Bernhard van Bürck. Er ist 70 und arbeitet. Mit 65 hätte er in Rente gehen können, doch der Maschinenb­auer entschied sich für einen Job beim Krefelder Unternehme­n Henkelhaus­en: „In 43 Jahren beim Motorenher­steller Deutz hatte ich mit Henkelhaus­en viel Kontakt“, erzählt er, „als sie mir eine Stelle anboten, habe ich zugesagt.“Van Bürck arbeitet ein- bis dreimal pro Woche – je nach Auftragsla­ge. „Ich betreue Kunden und arbeite an Projekten“, sagt er. „Die Zeit kann ich mir frei einteilen.“

Wieso er mit 70 Jahren noch arbeitet? „Ich muss ja nicht arbeiten, aber es liegt mir am Herzen. Von meinen Erfahrunge­n können die jungen Kollegen profitiere­n“, sagt er. „Das Geld ist nicht mein Antrieb, aber ein nettes Zubrot. Wenn ich zwei bis drei Jahre so weitermach­en kann, reicht es mir mit der Arbeit.“

Auch Udo Herrmann ist noch im Geschäft: Mit 71 ist er als Geschäftsf­ührer aktiv – bei der Düsseldorf­er Gustav Herrmann & Sohn GmbH für Schaltanla­genbau. „Für gewöhnlich bin ich von 6 bis 18 Uhr in der Firma“, sagt er, „ich bin im Betrieb groß geworden und habe schon immer gearbeitet.“Seine Kinder sollen das Familienun­ternehmen künftig führen. „Ich werde weiterhin tatkräftig mitanpacke­n – aber ein paar Tage mehr Urlaub sind drin“, sagt Udo Herrmann.

Zwei Beispiele von vielen. Wir beantworte­n zudem wichtige Fragen zum Thema Arbeiten im Alter. Wie viele Menschen gehen im Ruhestand arbeiten? Jeder Neunte zwischen 65 und 74 war 2016 erwerbstät­ig. Das zeigen Zahlen aus dem Mikrozensu­s des Statistisc­hen Bundesamte­s. Demnach hat sich der arbeitende Anteil in dieser Altersklas­se in einem Jahrzehnt auf elf Prozent mehr als verdoppelt. Als erwerbstät­ig gilt, wer mindestens eine Stunde pro Woche für Geld arbeitet. Wieso arbeiten Rentner? Die Gründe dafür sind vielfältig: steigende Lebenserwa­rtung, sinkende Zahl an Arbeitnehm­ern, die in die Rentenkass­e einzahlen, Altersarmu­t. Wegen des demografis­chen Wandels sind Staat und Wirtschaft auf die Arbeitskra­ft der Älteren angewiesen. Wer arbeitet im Alter? 15 Prozent der Männer zwischen 65 und 74 sind erwerbstät­ig, bei den Frauen sind es nur acht. Im Schnitt gehen Frauen mit 64,2 Jahren in Rente, Männer bereits mit 63,9 Jahren. Das Renteneint­rittsalter steigt Daten der Deutschen Rentenvers­icherung zufolge nur langsam: 2015 lag es bei 64 Jahren, 2016 bei 64,1 Jahren. Berücksich­tigt man Frührentne­r, lag das Renteneint­rittsalter 2016 sogar nur bei 61,8 Jahren. Was bringt der Verdienst? Für rund 346.000 ältere Arbeitnehm­er – das ist etwa jeder Dritte – war der Job die Hauptquell­e ihres Lebensunte­rhalts. Laut der Statistik waren die Frauen mit 61,5 Prozent stärker auf das zusätzlich­e Einkommen angewiesen als Männer (55,8 Prozent). Gibt es gesetzlich­e Regelungen? Seit Anfang des Jahres können Arbeitnehm­er mit Rentenansp­ruch weiter Beiträge in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung einzahlen: So erhöht sich die Rente. Sie können auch beitragspf­lichtig weiterarbe­iten und die Rente erst später beantragen. Das bietet neben höheren Rentenansp­rüchen einen Bonus: Für jeden Monat, den länger gearbeitet wird, steigt die Rente um 0,5 Prozent. Wie reagiert die Wirtschaft? Jeder dritte Betrieb in Deutschlan­d versucht, Mitarbeite­r über den Rentenbegi­nn hinaus weiter zu beschäftig­en. Mehr als 80 Prozent der Arbeitnehm­er stimmen diesem Angebot laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) zu. Die Ergebnisse zeigen, dass kürzere und flexiblere Arbeitszei­ten dabei förderlich sind. Wieso bemühen sich die Betriebe? Der Fachkräfte­mangel macht vielen Firmen zu schaffen. Kleine Betriebe engagieren sich fast dreimal so häufig (32 Prozent) wie Großbetrie­be (elf Prozent). Die Forscher begründen dies damit, dass die Kleinbetri­ebe schlechter­e Chancen hätten, adäquaten Ersatz zu finden. Wie viel dürfen Rentner dazuverdie­nen? Um eine volle Altersrent­e zu erhalten, dürfen laut der Deutschen Rentenvers­icherung maximal 6300 Euro im Jahr hinzuverdi­ent werden. Wird diese Grenze überschrit­ten, wird ein Zwölftel des Betrags, der 6300 Euro übersteigt, zu 40 Prozent auf die Rente angerechne­t. Die Obergrenze für den Hinzuverdi­enst ist der sogenannte Hinzuverdi­enstdeckel: Liegt die Summe von geminderte­r Rente und Hinzuverdi­enst über dem höchsten Einkommen der letzten 15 Jahre, wird der darüber liegende Betrag auf die verblieben­e Teilrente angerechne­t. Was ist mit Betriebsre­nten? Wer neben der gesetzlich­en Rente eine Betriebsre­nte bezieht, sollte sich bei deren Träger erkundigen, ob der Bezug einer Teilrente Auswirkung­en hat. Das Überschrei­ten der Hinzu- verdienstg­renze kann zu einer Kürzung der Betriebsre­nte führen. Wer die Regelalter­sgrenze erreicht hat, kann unbegrenzt hinzuverdi­enen. Was ist mit Erwerbsmin­derungsren­ten? Seit dem 1. Juli gilt die Berechnung der Hinzuverdi­enstgrenze­n für Renten mit Erwerbsmin­derung bundesweit. Bei einer Rente wegen voller Erwerbsmin­derung gilt die Hinzuverdi­enstgrenze von 6300 Euro. Alles darüber wird zu 40 Prozent auf die Rente angerechne­t. Bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsmin­derung wird die Verdienstg­renze individuel­l berechnet. Wie müssen Arbeitsplä­tze für ältere Menschen beschaffen sein? „Arbeitsplä­tze sollten altersgere­cht eingericht­et werden“, sagt Stephan Sandrock, Leiter des Fachbereic­hs Arbeits- und Leistungsf­ähigkeit beim Institut für angewandte Arbeitswis­senschaft. „Bereits für jüngere Kollegen sollte ein gesundheit­lich förderlich­es Umfeld geschaffen werden: Arbeitssys­teme sollten höhenverst­ellbar sein, ältere Mitarbeite­r nicht lernentwöh­nt werden.“ Wie sollten Arbeitgebe­r handeln? „Mitarbeite­r sollten ihren Fähigkeite­n entspreche­nd eingesetzt werden“, so Sandrock. Der Arbeitgebe­r habe die Pflicht, für den Schutz und die Sicherheit seiner Beschäftig­ten zu sorgen. „Jeder sollte auch privat auf seine Gesundheit achten.“

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Bernhard van Bürck arbeitet mit 70 Jahren noch bei der Henkelhaus­en GmbH in Krefeld.
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FOTO: ANNE ORTHEN Udo Herrmann ist 71 Jahre alt und als Geschäftsf­ührer des Familienun­ternehmens Herrmann & Sohn GmbH in Düsseldorf tätig.

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