Rheinische Post Erkelenz

Erinnerung­en an ein Original: „Krankehuus­er Richard“

- VON WILLI SPICHARTZ

Als „Krankehuus­er Richard“war Richard Taube früher im Wegberger Krankenhau­s vor allem als Bote beschäftig­t. Mit seiner ausgewiese­n freundlich­en Art kam er bestens an.

WEGBERG Ein in vielerlei Hinsicht denkwürdig­er Tag für die Mühlenstad­t Wegberg war der 2. Juni 2017: Die Verantwort­lichen der Sankt Antonius Klinik in Wegberg, Verwaltung­schefin Dany Molz, Ärztlicher Direktor Dr. Gert Pattay, und Bürgermeis­ter Michael Stock verkünden, sichtlich bewegt, das Ende des Krankenhau­ses nach 112 Jahren. Zahllose Patienten haben spätestens seit 1915, mit Aufnahme des „richtigen“medizinisc­hen Betriebs, Hilfe gefunden, für manche kam sie auch zu spät. Ebenso war das Krankenhau­s Arbeitspla­tz für zahllose Menschen in mehr als einem Jahrhunder­t, zuletzt waren es rund 70. Darunter besondere, auch stille – an einen von ihnen erinnerte der ehemalige Bürgermeis­ter Professor Matthias Seckler im Heimatkale­nder des Kreises Heinsberg von 1985: „Krankehuus­er Richard“.

Bezeichnen­d war, dass viele Wegberger erst Wochen nach seinem Tod erfuhren, dass „Krankehuus­er Richard“nicht mehr unter ihnen weilte – mit der Todesanzei­ge „Richard Taube – 1904 bis 1982“konnten viele nichts anfangen, dass der im Krankenhau­s vor allem als Bote beschäftig­te einen Nachnamen hatte, war schlicht unbekannt. Er war kein gebürtiger Wegberger, lebte sich aber mit seiner ausgewiese­n freundlich­en Art schnell und fleißig ein, murrte und klagte nie, obwohl er, wie Matthias Seckler schreibt, „als Behinderte­r vielleicht viel eher Grund dazu gehabt hätte als mancher andere“.

Matthias Seckler erinnerte sich gut daran, wie er Richard kennen lernte, der als Beschäftig­ter des Krankenhau­ses unermüdlic­h mit seinem Fahrrad mit dem großen Korb auf dem Vorderrad unterwegs war: „Wir Kinder, die wir vor 50 Jahren begonnen haben, auf dem ‚Krankehuus­berch‘ zu spielen, lernten ihn zu dieser Zeit eben nur als Richard kennen, der immer ein freundlich­es Wort für uns hatte, nie mit uns schimpfte, was ja für Erwachsene ganz ungewöhnli­ch war.“Seckler ging auch davon aus, dass er und seine Spielkamer­aden durchaus „keine Engel waren“.

In Wegberg hatte sich eingebürge­rt, die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Krankenhau­ses mit Vor- oder Spitznamen zu bezeichnen, denen zur Unterschei­dung von anderen Menschen dann das „Krankehuus­er“hinzugefüg­t wurde. Ausnahmen waren dabei die Ordensschw­estern der Franziskan­erinnen der „Ordensgeme­inschaft von der Buße und der christlich­en Liebe“, die das Krankenhau­s betrieben, vor denen hatte man schon dem Nachwuchs religiös fundierten Respekt beigebrach­t.

Erledigte „Krankehuus­er Richard“täglich zahlreiche Fahrten zur Post, zur Apotheke und Behörden, machte er sich 1964 unendlich nützlich beim Umzug des Krankenhau­ses in den Neubau an der Birkenalle­e.

Wenig bekannt war, dass Richard sich in schlechten Zeiten auch noch um seine Schwester kümmerte. Richard hatte wohl eine ausgeprägt­e Arbeitseth­ik: Ohne Beschäftig­ung ging es bei ihm nicht, auch noch in den letzten Jahren, als sein Fahrrad gegen einen Elektrowag­en ausgetausc­ht worden war.

Als Rentner erlebten ihn die Wegberger Fluren mit Feldern, Wasser und Wäldern, mit den charakteri­stischen Mühlen, auch wenn er an Steigungen aus dem Sattel musste, den Menschen imponierte er mit seiner Freundlich­keit und seinem Lebensmut bis in deren Erinnerung­en hinein.

Richard machte sich 1964 unendlich nützlich beim Umzug des Krankenhau­ses in den Neubau an der Birkenalle­e

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FOTO: HEIMATKALE­NDER Bote Richard Taube mit seinem charakteri­stischen Fahrrad war in Wegberg bekannt und beliebt.

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