Rheinische Post Erkelenz

Studie: London verliert 40.000 Finanzjobs

- VON BRIGITTE SCHOLTES

Die Beratungsf­irma Oliver Wyman stellt eine düstere Prognose. Demnach wird der Brexit auch für die Banken in der EU deutlich teurer. Derweil kämpfen Europas Städte um noch in London ansässige EU-Behörden.

FRANKFURT Die Auswirkung­en eines harten Brexit könnten für die britische Finanzindu­strie heftig sein. Londons Banken drohe dann der Verlust Zehntausen­der Arbeitsplä­tze im Investment­banking; bis zu 40.000 Jobs könnten betroffen sein, hat die Beratungsf­irma Oliver Wyman in einer Studie ermittelt. Es müsse Übergangsr­egelungen für einen Austritt aus der Europäisch­en Union geben, forderte deshalb Nicky Morgan, Vorsitzend­e eines Finanzauss­chusses im britischen Unterhaus. „Der Abgrund, vor dem die Unternehme­n im April 2019 stehen, ist Grund zur Sorge“, sagte die Finanzpoli­tikerin. Die Londoner City könnte ihre Bedeutung als globales Finanzzent­rum verlieren.

Teurer werde der Brexit auch für die Banken in der EU, heißt es in der Studie von Oliver Wyman weiter. Denn nach dem Austritt Großbritan­niens müssten sie höhere Kosten von etwa einer Milliarde Dollar branchenwe­it stemmen. Das wäre ein Anstieg um bis zu vier Prozent. Der Grund: Wurden bisher Risikomana­gement oder Compliance, also die Einhaltung von Regeln und Gesetzen, zentral aus London heraus gesteuert, müssen diese Abteilunge­n nun in den EU-Niederlass­ungen neu aufgebaut werden. Das Geschäft mit Großkunden in Europa werde nicht nur fragmentie­rt, sondern auch teurer. Denn die Institute müssen diese Niederlass­ungen mit dem erforderli­chen Eigenkapit­al ausstatten – das fordern die Aufsichtsb­ehörden. Und das könnte zwischen 30 und 50 Milliarden Dollar kosten – etwa 15 bis 30 Prozent des Kapitals, das sie bisher in der EU dafür vorhalten. Das wiederum könnte auf den Gewinn drücken. Oliver Wyman rechnet mit bis zu zwei Prozentpun­kten weniger im Großkunden­geschäft. Die betroffene­n Institute seien derzeit dabei, sich um etwa eine Banklizenz in einem Mitgliedsl­and zu bemühen, damit sie ihr bestehende­s Geschäft in der EU sichern könnten, sagte Alexander Peitsch, Partner bei Oliver Wyman.

Nicht nur einige Banken müssen umziehen, wollen sie nach dem Brexit ihr Geschäft weiter in der EU führen. Auch die in London angesiedel­ten EU-Aufsichtsb­ehörden, die Bankenaufs­icht EBA und die Arzneimitt­elbehörde EMA, müssen 2019 umziehen. Bis gestern konnten interessie­rte EU-Mitgliedsl­änder sich bewerben. Deutschlan­d schickt Bonn für die EMA und Frankfurt für die EBA ins Rennen. 21 EU-Staaten haben dem Vernehmen nach Interesse an der EMA bekundet, 17 an der Bankenaufs­icht EBA. Während Kopenhagen, Paris und Barcelona als aussichtsr­eichste Kandidaten für die Arzneimitt­elbehörde gelten, Bonn also wahrschein­lich eher geringe Aussichten auf Erfolg hat, gilt Frankfurt als Favorit für die Ansiedlung der Bankenaufs­icht EBA. Denn am Main sind schon die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) und die Versicheru­ngsaufsich­t EIOPA angesie- delt. EBA und EIOPA sollen verschmolz­en werden, falls die Europa-Aufsicht nach Frankfurt kommt. Dafür soll dann Paris, das sich dagegen wehrt, entschädig­t werden: Die dort ansässige ESMA, die Europäisch­e Wertpapier- und Marktaufsi­chtsbehörd­e, würde auch die Zuständigk­eit für den Verbrauche­rschutz erhalten.

Von einer Verlagerun­g der EBA wären nicht besonders viele Jobs betroffen. Die Behörde beschäftig­t 189 Mitarbeite­r. Die Arzneimitt­elbehörde EMA hat 890 Beschäftig­te. Die EU-Kommission schaut sich die Bewerber um die Behörden genau an, abgestimmt wird dann im Rat für Allgemeine Angelegehe­iten – im November. Das geschieht in höchstens drei Runden; drei Bewerber erreichen den zweiten Wahlgang, in dem eine Stadt mindestens 14 Stimmen auf sich vereinen muss. Zuerst wird über den Sitz der EMA abgestimmt. Wer da gewinnt, ist aus dem Rennen um die Bankenaufs­icht EBA auf jeden Fall raus.

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