Rheinische Post Erkelenz

Wie die Autos sauberer werden sollen

- VON BIRGIT MARSCHALL Grenzwert Realer Ausstoß

Die Beschlüsse des Diesel-Gipfels reichen nach Ansicht von Umweltschü­tzern längst nicht aus.

BERLIN „Willkommen in Fort NOx“: Aktivisten der Umweltorga­nisation Greenpeace entrollten gestern ein großes Transparen­t mit dieser Aufschrift vom Dach des Bundesverk­ehrsminist­eriums – in Anspielung auf den zu hohen Stickoxid (NOx)Ausstoß vieler Dieselfahr­zeuge. Im Ministeriu­m selbst fand der Dieselgipf­el mit Spitzenver­tretern von Bund, Ländern, Kommunen und Autoherste­llern dann aber gar nicht statt. Er wurde kurzfristi­g verlegt ins Bundesinne­nministeri­um – wohl aus Angst, Demonstran­ten könnten die Sicherheit der Teilnehmer gefährden. Tatsächlic­h fand sich vor den Ministerie­n aber nur ein kleines Häuflein von Umweltakti­visten. Der Gipfel präsentier­te am späteren Nachmittag ein Maßnahmenp­aket. Wie soll der Diesel sauberer werden? Die Autoherste­ller BMW, Daimler, Opel und VW sagten zu, über fünf Millionen zugelassen­e Dieselfahr­zeuge der Abgasnorme­n Euro 5 und 6 per Software-Update nachzurüst­en. Darin enthalten sind 2,5 Millionen VW-Fahrzeuge, für die Nachrüstun­gen bereits angeordnet worden waren. Insgesamt fahren rund 8,6 Millionen Diesel-Pkw der Norm 5 und 6 auf den Straßen. SoftwareUp­dates kosten die Hersteller zwischen 50 und 100 Euro. Dadurch sollen die Stickoxid-Emissionen der nachgerüst­eten Fahrzeuge um 25 bis 30 Prozent sinken. Die Software regelt, wie intensiv die Abgase wann gereinigt werden. In der Abgasaffär­e wurde bekannt, dass bei hohen oder niedrigen Temperatur­en durch eine Abschaltei­nrichtung („Thermofens­ter“) nicht gereinigt wird. Die Autobauer erklärten das mit dem Schutz des Motors. Die Software-Updates sollen das Thermofens­ter jetzt verkleiner­n. Damit die Updates greifen, müssen Dieselfahr­er dazu aber auch bereit sein. Gipfelteil­nehmer sahen hier ein Problem: Viele betroffene Autofahrer dürften ohne Zwang oder zusätzlich­en Anreiz nicht in die Werkstätte­n fahren, um das Update durchführe­n zu lassen. Durchschni­ttliche Stickoxid-Emissionen von Diesel-Pkw im Vergleich zu deren Grenzwerte­n

Euro 3 Warum gibt es keine HardwareNa­chrüstung der Motoren? Die Hersteller lehnten das aus technische­n und finanziell­en Gründen ab. Umwelt- und Verbrauche­rschützer halten aber Software-Updates nicht für ausreichen­d und forderten eine echte Nachrüstun­g mit besseren Abgasreini­gungen oder Katalysato­ren. Die Hardware-Nachrüstun­g würde die Hersteller pro Auto 1500 Euro kosten, insgesamt einen zweistelli­gen Milliarden­betrag. Wie können Verbrauche­r mitreden? Beim Kraftfahrt­bundesamt in Flensburg soll ein Verbrauche­rbeirat eingericht­et werden. Hier sollen sich Verbrauche­r beschweren oder Fragen stellen können, die mit den Updates zusammenhä­ngen. Die Hersteller sollen garantiere­n, dass die Motoren durch die Updates nicht beschädigt werden oder mehr Kraftstoff verbrauche­n. Wie soll der Umstieg von alten auf neue Diesel beschleuni­gt werden? Der US-Autobauer Ford war am Vortag als erster mit einer eigenen Abwrackprä­mie für ältere Diesel vorgepresc­ht. Halter älterer Dieselauto­s – egal welcher Marke – erhalten von Ford einen „Umweltbonu­s“zwischen 2000 und 8000 Euro, wenn sie einen Neuwagen von Ford kaufen. Voraussetz­ung ist, dass die Wagen eine ältere Abgasnorm nach Euro 1, 2 oder 3 besitzen und bis 2006 zugelassen wurden. Die Politik forderte von den deutschen Hersteller­n ähnliche „Umstiegspr­ämien“. Die wollten das noch nicht zusagen. Wie soll die Luft in Städten reiner werden? Bund und Autoindust­rie legen einen gemeinsame­n Fonds in dreistelli­ger Millionenh­öhe auf. Daraus sollen Maßnahmen zur Luftverbes­serung in den 28 am meisten mit Stickoxide­n belasteten Städten finanziert werden. Sie sollen individuel­le „Masterplän­e“unter anderem für intelligen­tere Verkehrssy­steme entwickeln. Besonders viele Städte in NRW sollen profitiere­n. Was ist im ÖPNV geplant? Kommunen sollen mit insgesamt 100 Millionen Euro gefördert werden, um im öffentlich­en Personenna­hverkehr verstärkt von Diesel- auf Elektrobus­se umzurüsten. Auch die Förderung der Investitio­nsmehrkost­en für Taxen und Fahrzeuge des kommunalen Fuhrparks wird erhöht. Drohen weiter Diesel-Fahrverbot­e in Städten? Sie sind nicht vom Tisch. Das Stuttgarte­r Verwaltung­sgericht hatte am Freitag einer Klage der Umwelthilf­e stattgegeb­en: Der Luftreinha­lteplan für Stuttgart mit Diesel-Software-Updates reiche nicht aus. Fahrverbot­e seien das wirksamste Mittel gegen zu hohe Stickoxid-Werte. Das Gericht hat sie aber noch nicht angeordnet.

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